Hans Peterse (Hg.): Süß scheint der Krieg den Unerfahrenen. Das Bild vom Krieg und die Utopie des Friedens in der Frühen Neuzeit, Göttingen: V&R unipress 2006, 302 S., 115 Abb., ISBN 978-3-89971-196-7, EUR 34,90
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Der Sammelband geht auf ein 2004 von den Herausgebern organisiertes Kolloquium zurück, das sich mit dem Bild des Krieges in der Frühen Neuzeit und den damaligen Friedensutopien beschäftigte. Es konnten jedoch nicht alle Beiträge der Tagung aufgenommen werden. Das mag den Eindruck des fehlenden inneren Zusammenhangs der Aufsätze erklären, der sich schon bei der Durchsicht des Inhaltsverzeichnisses aufdrängt. So lässt sich vorwegnehmen, dass dieser Band nicht als Ganzer seinen Wert entfaltet, sondern dass die einzelnen Beiträge für sich stehen und einzeln gewertet werden müssen. Die programmatisch vorangestellte interdisziplinäre Stoßrichtung läuft mangels einer die Disziplinen verbindenden gemeinsamen Fragestellung oder auch eines zusammenfassenden Schlussbeitrags ins Leere.
Das titelgebende Zitat stammt von Erasmus von Rotterdam, dessen Auffassung zu Krieg und Frieden Hans Peterse einleitend untersucht (9-23). Erasmus war grundsätzlich kriegskritisch eingestellt, allerdings kein Pazifist. Er verurteilt die Kriege zwischen Christen nicht nur wegen der dabei verübten Grausamkeiten, sondern auch wegen der dieser zugrunde liegenden Zwietracht zwischen den Christen. Peterse wertet so zu Recht die Kriegskritik des Humanisten als Beitrag zur Irenik, der noch näher untersucht werden müsse.
Kai Bremer will den Gebrauch des Begriffs "Religionshändel" in der konfessionellen Polemik des 16. und 17. Jahrhunderts analysieren (25-33), kommt aber nicht über kurz gefasste Referate zu Schriften des Johannes Nas und des Georg Eder hinaus. Da beide aus dem katholischen Lager stammen, ist das Ergebnis ebenso vorhersehbar wie zutreffend, nämlich dass sie ihre kirchenhistorischen Werke als Beitrag zur gegenreformatorischen Polemik angelegt haben.
Anschließend wendet sich Andreas Merzhäuser dem Klassiker unter den literarischen Verarbeitungen des 30jährigen Krieges zu, dem Simplicissimus von Grimmelshausen (35-50). Hier werden der Krieg und seine Schrecken letztlich auf gesellschaftliche Schieflagen zurückgeführt, die es durch eine soziale Modernisierung ohne Vernachlässigung der funktionstüchtigen Teile der Tradition zu überwinden gelte.
Wolfgang Cilleßen verfolgt die Entstehungs- und Wirkungsgeschichte eines illustrierten niederländischen Jugendbuchs, des Spiegels der jeugd, von 1614 bis 1813 (51-134). Das u. a. in Schulen verwandte Buch hatte eine große Wirkung auf die Formierung des kollektiven Gedächtnisses der Niederländer, die hier mit den Grausamkeiten zunächst des spanischen Gegners konfrontiert wurden. Später wurde die Gattung des Jugendspiegels für andere und neue Gegner aktualisiert, wobei man sich der eingefahrenen Stereotype immer wieder neu bedienen konnte. Dabei ging es nie um Geschichtsschreibung, sondern es wurden über das Medium einer vordergründig historischen Betrachtung Botschaften für die Zukunft und für das erwünschte Verhalten und Denken transportiert. Auch wenn man in Cilleßens Beitrag zu wenig über die in der Tat sehr interessante Frage erfährt, wer bzw. welche Kreise mit welchen Zielen und welchem Bewusstsein genau die verschiedenen Auflagen des Spiegels der Jugend unterstützt und verbreitet haben und wer sie wie rezipierte, so ist es doch verdienstvoll, ein derartiges Werk über lange Zeiträume zu verfolgen.
Der Beitrag von Jana Jürgs zur Wechselwirkung zwischen der Entwicklung der Artillerie und des Befestigungswesens in der Frühen Neuzeit (135-146) kommt zu dem optimistischen Schluss, dass ihre technikgeschichtliche Betrachtung viel zum Verständnis der Epoche beitragen könne. Das ist zwar grundsätzlich nicht falsch, jedoch ist gerade dieses Thema schon seit dem 19. Jahrhundert sehr gut erforscht. Jürgs Beitrag kann so zu dem längst bekannten Bild, nach dem die Festungsbauer auf waffentechnische Innovationen reagieren mussten und damit wiederum die Waffentechniker zum Bau besserer Waffen zwangen, nichts Neues hinzufügen.
Peter Bessin betrachtet nach dem Titel seines Aufsatzes Feldherrnbildnisse des 16. und 17. Jahrhunderts (147-179), lehnt diesen Begriff aber im Text ab und verwendet lieber den des fürstlichen "Portraits in Rüstung" (149). So verwunderlich wie dieser Gegensatz zwischen Titel und Inhalt ist, liest sich dann auch der Beitrag, der zwar manches Interessante zu einzelnen Bildern enthält, aber nicht wirklich darüber hinaus kommt, offenbar zufällig zusammengesuchte Einzelbeispiele zu beschreiben. Er hat deshalb auch kein nennenswertes Ergebnis, zumal er fast nur kunsthistorische Literatur zitiert und die sonstige Forschung zum Thema der fürstlichen und adeligen Selbstdarstellung nicht zur Kenntnis nimmt.
An der gleichen Schwäche leidet Rosemarie Sprutes Beitrag über die Darstellung von Waffen und Rüstungen im Werk des Malers Nicolas Poussin (181-269). Auch sie kann viel Erhellendes zu den Bildern und Motiven mitteilen, jedoch erscheinen die letztlich fast nur aus den Bildern selbst gewonnenen Thesen sehr gewagt. So lässt sie Poussin als Aufklärer und sogar Demokraten in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts erscheinen (182), weil in seiner Motivauswahl die Gewalt, auch der direkt Gewalt ausübende Herrscher fehlen; im Weiteren verweist sie darauf, dass der Respekt vor anderen Kulturen und Religionen ausgedrückt und der einfache Soldat als diskutierend dargestellt werde, was wiederum auf die vom Maler gestellte Frage nach der Legitimität von Herrschaft und Gewaltausübung verweise. Für derartig weitreichende Schlüsse, die Poussin seiner Zeit um ein Jahrhundert voraus erscheinen lassen, ist jedoch eine bloße Analyse seines Werks nicht ausreichend. Hierzu hätte der Maler in seinem sozialen, politischen und wirtschaftlichen Umfeld analysiert, hätte stringent die Frage nach Mäzenen und Auftraggebern sowie Gegnern und ihrem Einfluss auf die Sujet-Wahl gestellt werden müssen. Das alles fehlt jedoch weitgehend, so dass Sprutes Beitrag letztlich nur scharfsinnige, zum Teil aber auch in Richtung der vorangestellten Thesen überzogene Bildinterpretationen enthält.
Den Schluss bildet eine Untersuchung von Stefan Hanheide über musikalische Reaktionen auf die Friedensschlüsse des Sonnenkönigs Ludwig XIV. in den Jahren 1684 und 1697 (271-300). Er stellt fest, was - nicht zuletzt durch den nicht zitierten Peter Burke - längst bekannt ist, nämlich dass die Musik- wie auch die sonstige künstlerische Produktion im Frankreich dieser Zeit ganz und bewusst auf die Glorifizierung des Königs zugeschnitten war und so als wenn auch verzerrter Spiegel der politischen Ereignisse angesehen werden kann.
Wer angesichts des Titelzitats Beiträge sucht, die ein in Kunst, Literatur und Publizistik idealisiertes Bild vom Krieg mit dessen Realität kontrastieren, wird enttäuscht. Auch die interessante Frage nach der Reaktion von Zeitgenossen auf eine Realität, die mit dem theoretisch gewonnenen Bild vom Krieg nicht übereinstimmte, wird nicht gestellt. Krieg findet hier eigentlich nicht statt, so dass sich die Beiträge nahtlos in eine große Zahl anderer Publikationen einreihen, die zwar das Forschungsfeld Krieg und Militär gerade für die Frühe Neuzeit als wesentlich und in Deutschland viel zu lange vernachlässigt erkennen, aber nicht konsequent genug sind, tatsächlich den Krieg zu untersuchen.
Ärgerlich ist in vielen Beiträgen eine weitgehende Nichtbeachtung der Forschungen anderer Disziplinen. Es wird noch ein weiter Weg zu gehen sein, bis aus Tagungen mit interdisziplinärer Besetzung ein tatsächlich interdisziplinäres Arbeiten wird. Empfehlen kann man den Band so nur denjenigen, die sich speziell für eines der berührten Themen interessieren.
Max Plassmann