Christopher Kopper: Bankiers unterm Hakenkreuz, München: Carl Hanser Verlag 2005, 297 S., ISBN 978-3-446-40315-4, EUR 24,90
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Nicht zuletzt die Sammelklagen ehemaliger Zwangsarbeiter gegen deutsche Unternehmen Mitte der 1990er-Jahre in den USA haben die Frage auch nach der Rolle der Banken im 'Dritten Reich' in die Aufmerksamkeit auch einer breiteren Öffentlichkeit gerückt und sowohl eine Entschädigung als auch eine Aufarbeitung eingefordert. Die Einrichtung einer "Stiftungsinitiative der deutschen Wirtschaft", an der auch die großen deutschen Banken beteiligt sind, war ein wesentlicher Schritt zur Einstellung der Sammelklagen in den USA. Die Aufgabe der historischen Aufarbeitung ihrer Unternehmensgeschichte im 'Dritten Reich' übertrugen die drei Großbanken Deutsche Bank, Dresdner Bank und Commerzbank schließlich auf die von ihnen eingesetzten Historikerkommissionen (hatte die Deutsche Bank bereits in der Festschrift zu ihrem 125-jährigen Firmenjubiläum einen größeren Beitrag zur NS-Zeit aufgenommen, an dessen Ergebnisse sie nun anknüpfen konnte). Nachdem die drei Forscherteams in den vergangenen Jahren schon Berichte zu einzelnen Themen veröffentlicht hatten, ist im Februar diesen Jahres auch die vierbändige Geschichte der "Dresdner Bank im Dritten Reich" erschienen, auf die Kopper nicht mehr zurückgreifen konnte.
Nach weiteren jüngeren Veröffentlichungen zu Hermann Josef Abs (Lothar Gall) und Oscar Wasserman (Avraham Barkai) hat Christopher Kopper, der bereits 1995 mit einer Pionierstudie zur deutschen Bankenpolitik in der NS-Zeit hervorgetreten ist, einen Band zu einzelnen Bankiers im 'Dritten Reich' vorgelegt. Kopper konzentriert sich hierbei vorwiegend auf die Nachzeichnung ihres Wirkens während der Zeit des Nationalsozialismus, zeigt aber auch die Karrieren und Schicksale in der Nachkriegszeit auf. Kopper schlägt dabei einen beeindruckenden Bogen: beginnend mit dem Privatbankier Max Warburg und schließend mit Hermann Josef Abs, dem Vorstands- und Aufsichtsratsvorsitzenden der Deutschen Bank, der nach seiner Karriere während der Zeit des Nationalsozialismus auch in der Nachkriegszeit als deutscher Delegationsleiter in den Verhandlungen mit dem Dreimächte-Ausschuss für deutsche Schulden das Londoner Schuldenabkommen mitverhandelte sowie als Direktor der Kreditanstalt für Wiederaufbau und damit Verwalter der Marshallplan-Gelder und Vorstand der Deutschen Bank bedeutenden Einfluss auf die Wirtschafts- und Finanzpolitik Deutschlands nahm. Kopper geht es bei der Zeichnung der Portraits vor allem um die Frage, über welche Entscheidungsspielräume und welchen Einfluss die Bankiers verfügten und inwieweit sie ihre Handlungsspielräume zu nutzen wussten, um sich den Regimezwängen entgegenzustellen oder aber ihre Karriere voranzutreiben. Bei den Auseinandersetzungen mit diesen Fragen stehen vor allem die "Arisierungen" im Fokus der Untersuchung.
Seltsam mutet indes die Einleitung mit ihrem relativierenden Unterton an. Bezugnehmend auf die Katholische Kirche als einflussreicher und staatsunabhängiger Großorganisation und auch auf die Arbeiterbewegung wird der nationalsozialistische Anpassungsdruck auf alle Bereiche der deutschen Gesellschaft umrissen und damit schließlich auch das Verhalten der Banken relativiert: "[...] selbst die Katholische Kirche unterwarf sich zumindest teilweise den Loyalitätsanforderungen des Naziregimes. Auch unter den aktiven Mitgliedern der Arbeiterbewegung [...] leistete nach der 'Machtergreifung' nur eine Minderheit in irgendeiner Form Widerstand" (1). Liest man dazu das Interview von Christopher Kopper, welches er gemeinsam mit Hilmar Kopper dem Stern gab, so scheint sich diese Form der Relativierung noch zu verdeutlichen. Auf die Frage, ob sich die Deutsche Bank im Nationalsozialismus schuldig gemacht hat, ist die Antwort: "Sie hat sich schuldhaft verstrickt." [1]
Eingerahmt werden die Portraits durch drei Kapitel, die zunächst die Bankenkrise von 1931, die darauf folgende de-facto-Verstaatlichung zweier Großbanken sowie den Umgang mit jüdischen Kollegen durch die Bankmitarbeiter nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten schildern. Diese bilden nicht nur einleitendes Rahmenwerk; vielmehr sieht Kopper in der Bankenkrise und der folgenden teilweisen Verstaatlichung die Ursache für das Verhalten der Banken, die, wirtschaftlich geschwächt durch die Krise von 1931, den Nationalsozialisten nicht selbstbewusst gegenüberstanden. Eingeschränkt wurde der Handlungsspielraum der Dresdner Bank und der Commerzbank zunächst vor allem durch die Mehrheitsbeteiligung des Reichs bzw. der Reichsbank, die sie im Zuge der Bankenkrise erworben hatte. Die Deutsche Bank war dagegen mehrheitlich im Privatbesitz geblieben. Trotz der aus der Bankenkrise resultierenden hohen wirtschaftlichen Belastungen und des zunehmend Einschränkungen unterworfenen traditionellen Bankengeschäfts (insbesondere das Kreditgeschäft, das Effektengeschäft und das Außenhandelsgeschäft waren hier betroffen) besaßen deutsche Bankiers dennoch politischen Einfluss, der sich aus persönlichen Kontakten vor allem zu hohen Parteifunktionären ergab. Die Banken spielten jedoch, folgt man Kopper, bei der Umsetzung der Ziele des NS-Regimes eher eine instrumentelle denn eine initiierende Rolle.
Wie ein Vergleich der drei Großbanken untereinander ergibt, konnten sich trotz der Mehrheitsbeteiligung des Staates und der Anwendbarkeit des "Berufsbeamtengesetzes" erstaunlicherweise in der Dresdner Bank die jüdischen Vorstände und Aufsichtsratsmitglieder länger halten als in der Deutschen Bank. Dass die Deutsche Bank trotz der Nichtanwendbarkeit des "Berufsbeamtengesetzes" auf ihr Haus und der erst 1938 getroffenen Regelung, wonach alle Aktiengesellschaften mit auch nur einem jüdischen Aufsichtsratsmitglied als jüdische Unternehmen galten, bereits im März 1933 begann, ihre jüdischen Vorstände zu entlassen, kann nicht mehr als vorauseilender Gehorsam, wie Kopper das Verhalten der Banken einordnet, angesehen werden. Dies belegt auch deutlich der Fall Samuel Ritschers, der noch bis 1936 dem Vorstand der Dresdner Bank angehörte, obwohl diese im Gegensatz zur Deutschen Bank in ihrer personalpolitischen Souveränität stärker eingeschränkt war. Die Frage, warum beispielsweise jüdische Mitarbeiter in der Bank bis nach 1936 gehalten wurden, konnte dabei nur teilweise beantwortet werden. So argumentiert Kopper einerseits, dass dem Personalvorstand der Dresdner Bank, Hans Schippel, auf Grund der Rechtslage die Hände gebunden waren, einen nennenswerten Teil der jüdischen Angestellten in der Bank zu halten (122), während Samuel Ritscher auf Grund seiner guten wirtschaftlichen Verbindungen nach Südosteuropa und zum Orient noch bis 1936 im Vorstand der Dresdner Bank war (63 f.).
Und obwohl Vorstandsmitglieder der Dresdner Bank wie Emil Meyer und Karl Rasche nur eine politisch aktive Minderheit bildeten, konnten sie die Geschäftspolitik maßgeblich mitbestimmen, was schließlich zu den intensiven Geschäftsbeziehungen zur SS führte, denen der Vorstand weder auf Grund moralischer noch kaufmännischer Bedenken widersprach, um Differenzen zu vermeiden, zumal Rasche der Bank Millionengewinne zuführte (auch diese Geschäfte sind nun in dem Band von Johannes Bähr im Rahmen des Dresdner Bank-Projekts detailliert untersucht worden). Die Rolle der Vorstände beschränkte sich jedoch, so Kopper, nicht nur auf Mitwisserschaft und Duldung, vielmehr versuchten sie teilweise, wie im Falle der Arisierungen der Dresdner Bank, auch die Abläufe zu optimieren oder Geschäftsfelder für die Bank zu sichern (127 ff.). Bei all diesen Abschnitten zur Dresdner Bank konnte Kopper, dies sei nochmals betont, auf die Publikation zur Dresdner Bank nicht mehr zurückgreifen, die nunmehr den aktuellen Forschungsstand repräsentiert. Die Einschätzung, dass die Banken bei der Umsetzung der Ziele des NS-Regimes eher eine instrumentelle, denn eine initiierende Rolle spielten, trägt nicht ganz. Vielmehr entsteht der Eindruck, dass die Erfüllung der Ziele vornehmlich den nationalsozialistisch orientierten Vorständen überlassen wurde, die dabei durchaus eine aktive Rolle übernahmen, wenngleich sie natürlich an der Formulierung der wirtschaftspolitischen, kriegspolitischen und rassenpolitischen Ziele nicht selbst beteiligt waren (5).
Sachlich und unaufgeregt legt Kopper seine Portraits dar. Doch zum Teil schlägt diese Darstellung in ein sehr wohl wollendes Urteil um. Möglich ist eine solche Einschätzung eigentlich nur dann, wenn eine Trennung zwischen Bankiers und eingesetzten Partei-Funktionären vorgenommen wird. Wenn sich die Banken jedoch bereits mit bzw. vor der Einführung des Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums von ihren jüdischen Vorstandsmitgliedern "getrennt" haben und die Posten durch Parteifunktionäre besetzt wurden, trägt die Frage nach den Handlungsspielräumen nur bedingt. Die Antwort wird leider in den Portraits nicht ganz deutlich, was umso mehr ins Gewicht fällt, als ein abschließendes Fazit, das die Ergebnisse systematisch hätte zusammenführen können, ausbleibt. Eine solche Auseinandersetzung fehlt jedoch; zudem wird das Konzept des Buches über die leitenden Fragen hinaus nicht offen gelegt, wie insbesondere auch eine Begründung der Auswahl der Bankiers fehlt. Offen bleibt daher, warum der Autor nicht auch Bankiers der dritten deutschen Großbank - der Commerzbank - ausführlich darstellt. Dass die Commerzbank nicht mit in die Untersuchung eingebunden wurde, ist umso bedauerlicher, da auch hier mit Publikationen der Forschergruppe um Ludolf Herbst bereits neue Ergebnisse vorliegen und zudem Friedrich Reinhart, Vorstandsmitglied der Commerzbank, als einziger prominenter Bankier vor 1933 mit Hitler sympathisiert hatte. Insgesamt liegt somit zwar ein interessantes und gut lesbares Buch vor, das jedoch in Bezug auf Dresdner und Commerzbank nicht mehr den mittlerweile erreichten Forschungsstand repräsentiert, ohne dass dies dem Autor anzulasten wäre.
Anmerkung:
[1] Interview von Hilmar Kopper und Christopher Kopper: "Mein Gott, die waren alle Kaufleute", in: Stern, 32/2005 (11.08.2005).
Vera Ziegeldorf