Edward J. Olszewski: Cardinal Pietro Ottoboni (1667-1740) and the Vatican Tomb of Alexander VIII, Philadelphia: American Philosophical Society 2004, XVIII + 341 S., ISBN 978-0-87169-252-8, USD 60,00
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Das Grabmal für Papst Alexander VIII. Ottoboni (1689-1691) in St. Peter gehört zu den künstlerisch weniger bedeutenden Erinnerungsmonumenten für einen Pontifex der Frühen Neuzeit. Trotz der prominenten Lage auf der linken Seite des Chores der Peterskirche ist seine Gestaltung konventionell und die Qualität der Skulpturen eher mäßig. Dementsprechend gering fiel lange Zeit die Beachtung aus, die dem Werk von Seiten der Kunstgeschichte gewidmet wurde. Bedauerlicherweise, so möchte man sagen, denn als Zeugnis für die "Erinnerungspolitik" der Päpste und ihrer Verwandten an der Schwelle zum 18. Jahrhundert erweist sich auch diese Grablege als überaus aufschlussreich, wie die hier zu besprechende Studie von Edward Olszewski deutlich werden lässt.
Der Autor bietet zunächst eine kurze Zusammenfassung der langwierigen Baugeschichte des Grabmals sowie des Forschungsstandes und stellt darauf in knapper, aber präziser Form die erkenntnisleitenden Fragestellungen seiner Studie vor: Wieso der verzögerte Baubeginn, lange nach dem Tode des Papstes? Weshalb betrug die Bauzeit volle 30 Jahre? Warum kam es zu grundlegenden Planungsänderungen? Welche Künstler waren für die verschiedenen Elemente des Monumentes verantwortlich? Wie ist das Grabmal in den Kontext anderer Papstmonumente der Epoche einzuordnen? Und schließlich: Warum hat das Grabmal so wenig Beachtung gefunden? Daran anschließend folgt eine klare Exposition der Gliederung des Buches. So weit, so gut.
Weniger gut sind die Anmerkungen zu Herkunft und Karriere des späteren Papstes, vor seiner Wahl auf den Stuhl Petri Kardinal Pietro Ottoboni, die gerade einmal eine Seite umfassen. In ihnen findet sich kein noch so knapper Hinweis auf die Stellung des nachmaligen Papstes an der Kurie, auf seine führende Rolle im "squadrone volante" (der reformorientierten Fraktion innerhalb des Kardinalskollegiums in dieser Epoche) oder seine Einstellung zum Nepotismus-Problem. Und doch sind dies alles Punkte von zentraler Bedeutung, nicht nur für das Verständnis des Pontifikates Alexanders VIII., sondern auch für die Geschichte seiner Grablege. Darüber hinaus dürfen Vorgeschichte und Verlauf des Ottoboni-Pontifikates als gut erforscht gelten, zumal durch die einschlägigen Studien von Antonio Menniti-Ippolito, die Olszewski freilich weder in den Anmerkungen noch in der Bibliographie zitiert. [1] Überzeugend hingegen fällt der Versuch des Autors aus, die vom Papst und seinem Neffen, dem Kardinalnepoten Pietro Ottoboni, in Auftrag gegebenen Gedenkmedaillen als historische Quelle nutzbar zu machen: "Alexander's life offered the events and patterns that served as a basis for his tomb imagery and that assumed tangible form in coins and medals" (29) - diesem Satz wird man nach Lektüre der entsprechenden Passagen des Buches zustimmen können.
Die folgenden Ausführungen über die vielfältigen mäzenatischen Aktivitäten, die der Kardinalnepot Pietro Ottoboni bis zu seinem Tod im Jahre 1740 ausübte, erwecken ebenfalls zwiespältige Gefühle. Auf der einen Seite bieten sie eine Fülle von Detailinformationen, nicht nur zu den Bereichen der Kunst- und Musikförderung dieses vermutlich wichtigsten römischen Mäzens in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts, an dessen Hof Musiker vom Range Corellis und Händels tätig waren; des weiteren Informationen über die gesellschaftlichen Aktivitäten Ottobonis und seine nicht eben seltenen finanziellen Schwierigkeiten. Doch eine noch so skizzenhafte Einbettung dieser Nachrichten in größere Kontexte, etwa die gesellschaftliche Stellung des Papstneffen und seiner Familie nach dem Tod des päpstlichen Onkels, ihre politischen Ambitionen, die chancenreiche, doch zugleich hochproblematische Position der Ottoboni zwischen Venedig und Rom, gar die Entwicklung von Papsttum und Kirchenstaat in diesen Jahrzehnten - eine solche Einbettung sucht der Leser vergebens.
Die Beschäftigung mit dem Grabmal selbst, seiner Position in der Peterskirche, seiner Form, der Gestaltung der einzelnen Skulpturen und besonders des Reliefs im Sockel von der Hand Angelo de' Rossis schließt an die Ausführungen zum Auftraggeber an. Eingehend werden die einzelnen Elemente analysiert und etwaige Vorbilder für die formale Gestaltung vorgestellt. Die Kanonisierung von fünf neuen Heiligen am 16. Oktober 1690, dem ersten Jahrestag der Krönung Alexanders VIII., wird ebenso wie ihre Darstellung auf dem Sarkophagrelief detailliert beschrieben. Doch auch in diesem Kapitel beschränkt sich die Einbindung der Befunde in größere Kontexte, wie etwa der Funktion von Heiligsprechungen an der Kurie des 17. Jahrhunderts, auf eher belanglose Allgemeinplätze vom Typus: "Canonization allowed Lorenzo Giustiniani to be recognized throughout the Universal Church as sanctus or saint" (119). Erkenntnisse der gerade in den letzten Jahren sehr ertragreichen Forschung zur posttridentinischen Heiligsprechungspraxis und deren Bedeutung für die katholische Kirche [2] finden hingegen keinerlei Berücksichtigung.
Schließlich rekonstruiert Olszewski anhand der erhaltenen Rechnungen, aber auch zeitgenössischer Berichte die Baugeschichte des Monuments, die sich über volle drei Jahrzehnte erstreckte. Diese Passagen fallen aufgrund der exzellenten Quellenkenntnis des Autors durchweg überzeugend aus. Dennoch legt der Leser das mit einem umfangreichen Anhang an Quellen, Bibliographie und Register ausgestattete Buch am Ende mit dem Gefühl aus der Hand, eine durchaus sorgfältige und detailreiche Studie gelesen zu haben, die jedoch dem selbst gestellten Anspruch, ein päpstliches Grabmal umfassend zu deuten ("This study of the tomb [...] is meant to be comprehensive" (9)) allenfalls teilweise gerecht wird.
Anmerkungen:
[1] Antonio Menniti Ippoliti: Politica e carriere ecclesiastiche nel secolo XVII. I vescovi veneti fra Roma e Venezia, Bologna 1993; ders: Fortuna e sfortune di una famiglia veneziana nel Seicento. Gli Ottoboni al tempo dell'aggregazione al patriziato, Venezia 1996.
[2] Nur als Beispiel sei genannt: Miguel Gotor: I Beati del Papa, Firenze 2002.
Arne Karsten