Alexander Koller (Bearb.): Nuntiaturen des Giovanni Delfino und des Bartolomeo Portia (1577-1578) (= Nuntiaturberichte aus Deutschland nebst ergänzenden Aktenstücken. Dritte Abteilung: 1572-1585; Bd. 9), Tübingen: Niemeyer 2003, LI + 603 S., ISBN 978-3-484-80161-5, EUR 94,00
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Das Deutsche Historische Institut in Rom machte bei seiner Gründung als königlich-preussisches Institut im Jahre 1888 die Herausgabe von Nuntiaturberichten aus Deutschland zu einer seiner Hauptaufgaben. Diese Tradition führt das Institut bis heute kontinuierlich und höchst erfolgreich fort; bislang sind über dreißig Bände zu verschiedenen diplomatischen Missionen päpstlicher Gesandter ins Reich im 16. und 17. Jahrhundert erschienen. Dabei widmet sich das DHI in der dritten Abteilung der Nuntiaturberichtseditionen der wichtigsten Nuntiatur im Reich, nämlich der Kaiserhofnuntiatur während des Pontifikates von Papst Gregor XIII. (1572-1585).
Der stellvertretende Direktor des Deutschen Historischen Instituts, Alexander Koller, hat dieser Reihe nun einen weiteren Band hinzugefügt, der einerseits den noch fehlenden Zeitraum der bereits weitgehend bearbeiteten Nuntiatur Giovanni Delfinos [1] schließt und der andererseits die (kurze) Kaiserhofnuntiatur von Bartolomeo Portia umfasst, der zuvor als Nuntius in Süddeutschland tätig gewesen war. Somit enthält die Edition die Zeit von Januar 1577 bis August 1578. Dabei war Delfino, der seine Nuntiatur in Wien bereits 1571 begonnen hatte, bis April 1578 im Amt. Seinem Nachfolger Portia waren nur wenige Monate des Wirkens vergönnt, bevor er am 12. August 1578 starb.
Die Quellengrundlage für die Edition der Nuntiaturen Delfinos und Portias ist insgesamt erfreulich. Größere Überlieferungsausfälle liegen nicht vor bzw. konnten vom Bearbeiter durch die Auffindung von Abschriften der Berichte ausgeglichen werden. So enthält der Band insgesamt 167 Schreiben der Korrespondenz zwischen Giovanni Delfino und dem Staatssekretär Kardinal Tolomeo Gallio sowie 42 Schreiben des Briefwechsels zwischen Portia und Gallio. Auf die Aufnahme von "ergänzenden Aktenstücken" wurde verzichtet.
Was die Themen der Schriftwechsel anbelangt, so wird auch im vorliegenden Editionsband die immense geographische und sachliche Aufgabenbreite und -vielfalt deutlich, durch die sich gerade die Nuntiatur am Kaiserhof auszeichnet. Obwohl Papst Gregor XIII. seit 1573 auch sogenannte Reformnuntiaturen für das Reich einzurichten begonnen hatte, blieb die Nuntiatur in Wien ein Dreh- und Angelpunkt der päpstlichen Deutschlandpolitik. Die Nuntien beschäftigten sich, wenngleich eher beobachtend, sowohl mit Fragen der internationalen Politik als auch mit der Reichspolitik, nicht zuletzt betrieben sie auch aktiv Religions- und Kirchenpolitik in ihrem Nuntiatursprengel.
Von den zahlreichen Gegenständen können nur einige wenige erwähnt werden, um diese Beobachtung zu verdeutlichen. Zu den wichtigsten wie auch problematischsten Themen der kaiserlich-päpstlichen Beziehungen zählten die Frage nach der Obödienzleistung des neuen Kaisers Rudolf II. gegenüber dem Papst sowie die nicht zustande kommende Wiederbesetzung der ständigen kaiserlichen Vertretung in Rom. Im Dissens befanden sich Kirchenoberhaupt und Reichsoberhaupt auch hinsichtlich der Kalenderreform, die Papst Gregor XIII. im Januar 1578 vorstellte. Unter den außenpolitischen Krisenherden beschäftigten die päpstlichen Vertreter besonders die Türkengefahr im Südosten des Reiches, der Aufstand in den Niederlanden gegen die dort regierenden spanischen Habsburger sowie der Konflikt um die polnische Krone, der sich jedoch nach dem Tod Kaiser Maximilians II. langsam entschärfte.
Doch auch kirchenpolitisch hatten sich Delfino und Portia mit einer Reihe von wichtigen Fragen auseinanderzusetzen. Während im Bistum Olmütz Streitigkeiten zwischen Domkapitel und Bischof, später die Neubesetzung des Bistums von eher regionaler Wichtigkeit waren, stellte die Frage der Neubesetzung des Erzbistums und Kurfürstentums Köln ein Problem von erstrangiger reichspolitischer Bedeutung dar, weil es um die Sicherung der katholischen Mehrheit im Kurfürstenkolleg ging. Dafür wurde eigens Bartolomeo Portia als Sondernuntius nach Köln entsandt, während Delfino in Wien die kaiserliche Haltung zu beobachten hatte. Hier kam es insofern zu Unstimmigkeiten zwischen Papst und Kaiser, als die Kurie eine Kandidatur des bayerischen Herzogs Ernst unterstützte, Kaiser Rudolf II. jedoch gern einen habsburgischen Kandidaten gesehen hätte; allerdings kam im Dezember 1577 mit der Wahl von Gebhard Truchseß von Waldburg ein Dritter zum Zug. Darüber hinaus hatte Delfino auch andere Vakanzen und Besetzungsfragen zu beobachten, wie etwa in Verdun und in mehreren ungarischen Bistümern.
Nicht zuletzt kümmerten sich Delfino und Portia auch um innerkirchliche Aufgaben wie etwa um Konflikte in verschiedenen Ordensangelegenheiten, sorgten sich um eine Verbesserung der Priesterausbildung, griffen - zumindest in den habsburgischen Erbländern - aktiv in den Kampf gegen den Protestantismus ein und bemühten sich um eine Revision der konfessionellen Zugeständnisse, die Maximilian II. den österreichischen Ständen gewährt hatte.
Abschließend sollen noch einige Bemerkungen zur Edition selbst gemacht werden. Der Bearbeiter setzt mit seinem Editions-Band das bekannt hohe Niveau der Nuntiaturberichtseditionen fort. Über die äußerst sorgfältige Erstellung der Textgrundlage hinaus stellt er dem Leser seine profunden Kenntnisse der bearbeiteten Epoche in Einleitung und Sachkommentar zur Verfügung. Die Einleitung enthält neben einer knappen Biographie der beiden Nuntien auch eine kurze Charakterisierung der Aufgaben der Kaiserhofnuntiatur, die die einzelnen Themen mit sicherem Zugriff erschließt. Ausführliche Angaben zur Quellengrundlage machen die Schwierigkeiten deutlich, die bei der Suche nach den verschiedenen Überlieferungen zu überwinden war: So ist besonders bemerkenswert, dass die Originalweisungen Gallios an Portia, die seit dem Friulaner Erdbeben von 1976 verschollen sind, mittels einst von Karl Schellhass gefertigter und im DHI aufbewahrter Abschriften in die Edition aufgenommen werden konnten.
Der Sachkommentar erschließt knapp, aber immer präzise die in den Korrespondenzen erwähnten Personen und Ereignisse, für die jeweils in breiter Kenntnis der Historiographie die einschlägigen Forschungsarbeiten aufgeführt werden. Beim Nachweis der in den Schriftwechseln angesprochenen Dokumente wird zudem deutlich, auf welch breiter Materialgrundlage Texte und Kommentar beruhen: Koller hat weit über die Kernbestände der Edition hinaus in knapp zwei Dutzend Archiven und Bibliotheken Material herangezogen.
Die große Sorgfalt, mit der der Band erstellt worden ist, wird darüber hinaus an der äußerst nützlichen tabellarischen Übersicht der Korrespondenz deutlich, die die einzelnen Berichte einander zuordnet und beispielsweise über Details wie das Itinerar der Nuntien oder die Postabfertigungstage Aufschluss gibt.
Ein Herzstück der Edition stellt das detaillierte Personen-, Orts- und Sachregister dar, dessen Wert sich auch in Kleinigkeiten zeigt: Beispielsweise können Personen nicht nur namentlich, sondern auch über ihre Funktionen erschlossen werden.
Insgesamt hat Alexander Koller mit dem vorgestellten Nuntiaturberichtsband eine formal wie inhaltlich exemplarisch gestaltete Edition vorgelegt, deren wertvollen und gültigen Ertrag hoffentlich zahlreiche Benutzer ausschöpfen werden.
Anmerkung:
[1] Johann Rainer (Bearb.): Nuntiaturberichte aus Deutschland nebst ergänzenden Aktenstücken, Bd. II 8, Nuntius G. Delfino und Kardinallegat G.F. Commendone (1572-1572), Graz-Köln 1967; Helmut Goetz (Bearb.): Nuntiaturberichte aus Deutschland nebst ergänzenden Aktenstücken, Bd. III/6, Nuntiatur G. Delfinos (1572-1573), Tübingen 1997; Almut Bues (Bearb.): Nuntiaturberichte aus Deutschland nebst ergänzenden Aktenstücken, Bd. III/7, Nuntiatur Dolfins (1573-1574), Tübingen 1990; Daniela Neri (Bearb.): Nuntiaturberichte aus Deutschland nebst ergänzenden Aktenstücken, Bd. III/8, Nuntiatur Dolfins (1575-1576),Tübingen 1997.
Bettina Scherbaum