Ann Raia / Cecelia Luschnig / Judith Lynn Sebesta: The Worlds of Roman Women. A Latin Reader, Newburyport: Focus Publishing 2005, ix + 189 S., ISBN 978-1-58510-130-6, GBP 14,50
Buch im KVK suchen
Bitte geben Sie beim Zitieren dieser Rezension die exakte URL und das Datum Ihres Besuchs dieser Online-Adresse an.
Ardle MacMahon / Jennifer Price (eds.): Roman Working Lives and Urban Living, Oxford: Oxbow Books 2005
H.E.M. Cool: Eating and Drinking in Roman Britain, Cambridge: Cambridge University Press 2006
Eric Poehler / Miko Flohr / Kevin Cole (eds.): Pompeii. Art, Industry, and Infrastructure, Oxford: Oxbow Books 2011
Das anhaltende Interesse in den Altertumswissenschaften am alltäglichen Leben in der Antike zeigt sich überaus deutlich in den immer zahlreicher werdenden Arbeiten über das Leben und Schaffen der Frauen in der Antike und über ihre Rolle in der Gesellschaft. Aus dem Alltag der römischen Antike sind Frauen natürlich nicht weg zu denken: als Kinder spielend oder als Erwachsene die Familie umsorgend, am Arbeitsplatz, in Kunst und Handwerk, im sozialen und politischen Leben. Diese Präsenz von Frauen, oft kaum wahrgenommen, aber immer bedeutend, hat die Autorinnen wohl zu dem Titel "The Worlds of Roman Women" inspiriert.
Mit dem hier vorgestellten Buch ist es Ann Raia, Cecelia Luschnig und Judith Lynn Sebesta sehr anschaulich gelungen, interessierten Laien, Schülern und Studenten, aber auch Wissenschaftlern, einen wichtigen Aspekt der antiken Welt näher zubringen. In ihrer Einleitung betonen die Autorinnen wiederholt den feministischen Grundgedanken, der ihrem Werk zugrunde liegt: "Feminist scholars [...] have demonstrated anew that language is not transparent, that it communicates tradition, attitudes, and conventions. Within each of the worlds presented here, readers will see some of the tensions and paradoxes that are so characteristic of the ancient Roman presentation of women." (2). So basiert das Buch unter anderem auch auf den Arbeiten von feministischen Forscherinnen, die wertvolle Sammlungen und Quellenanalysen zu der Sozialgeschichte der antiken Frau vorgelegt haben. [1]
"The Worlds of Roman Women" ist - wie der Titel schon besagt - auf Englisch publiziert und enthält antike Quellentexte auf Latein. Ebenso lässt die ausführliche Bibliografie am Ende des Buches die Erkenntnis zu, dass sich bisher leider kaum deutsche Monografien dem Thema der Frau in der Antike angenommen haben. Eine Ausnahme bildet das Buch von Andrea Rottloff, "Lebensbilder römischer Frauen". [2] Auch in dessen Bibliografie finden sich hauptsächlich englischsprachige Monografien über das Leben der Frau in der Antike. Ein Defizit, das deutsche Altertumswissenschaftlerinnen und Altertumswissenschaftler ermutigen sollte, ihrerseits einen Beitrag zu der immer noch aktuellen Thematik der sogenannten Gender Studies zu leisten.
Ganz generell jedoch finden sich wenig Ausarbeitungen und Kommentare zu lateinischen Quellentexten über und von Frauen. Das dreibändige Werk von Laurie J. Churchill, "Women Writing Latin" beinhaltet nur sechs von Frauen verfasste Texte der römischen Zeit und vier von Frauen aus der frühchristlichen Ära. [3] Die Mehrheit der literarischen Quellentexte sind bekanntlich von Männern verfasst worden und handeln so auch zum größten Teil vom Leben und Wirken der Männer. So sahen die Autorinnen die dringende Notwendigkeit für eine ausgewählte Zusammenstellung von Texten über und von Frauen, die für das fortgeschrittene Stadium des Lateinunterrichts angemessen sind und so die gender-bezogene Thematik von Anfang an in das Studium der Altertumswissenschaften integrieren.
Das hier vorgestellte Werk bietet eine Sammlung an Originaltexten einzig über Frauen aller sozialen Schichten - Oberschicht, Freigeborene, Freigelassene oder Sklavin - und von Frauen, welche die verschiedenen Aktivitäten, Belange und die soziale Rolle der Frau im antiken Rom deutlich machen. Um eine repräsentative Auswahl an Frauen aller sozialen Schichten zu finden, bezogen die Autorinnen jegliche Form antiker Texte in diese Auswahl mit ein - antike Literatur ebenso wie epigrafische Zeugnisse wie zum Beispiel an Gräbern oder Tempeln - vom 3. Jahrhundert v. Chr. bis in das 2. Jahrhundert n. Chr. Die literarischen Texte sind von Autoren, die üblicherweise nicht in den ersten fortgeschrittenen Lateinkursen gelesen werden, so wie Valerius Maximus oder Aulus Gellius. Jedoch nicht, weil sie zu schwer wären. Das Buch ist für Leser gedacht, die die lateinische Grammatik, Syntax und einen ausreichenden Wortschatz bereits beherrschen. Ziel der Autorinnen ist es, Anfänger des Lateinstudiums zu ermutigen, auch andere als im Lehrplan vorgesehene Texte zu lesen.
Die Auswahl an Texten ist in "Worlds" (Welten) unterteilt (zum Beispiel Kapitel I: The World of Childhood). Jede "Welt" wird ausführlich durch ein kleines Essay vorgestellt, welches die jeweilige sozial-historische Situation der Frau näher erläutert. Jedem literarischen Text geht eine Zusammenfassung voraus, die Informationen über den Autor, die Textauswahl und, wenn nötig, über die Protagonistin des Textes enthält und so zu einem besseren kontextuellen Verständnis des Quellematerials führt. Jedem lateinischen Text sind auf der gegenüberliegenden Seite ausführliche Vokabelbeihilfen beigegeben. Ein 24-seitiges Vokabelverzeichnis am Ende des Bandes erleichtert zusätzlich das Übersetzen der Texte. Die ausführliche Bibliografie bietet neben philologischen Werken auch eine Auswahl an archäologischen und althistorischen Arbeiten, die eine Behandlung des Themas auf willkommene Art und Weise in einen interdisziplinären Kontext stellen. Der aufgeschlossenen Arbeitsweise der Autorinnen ist es zu verdanken, dass auch moderne Medien wie das Internet mit einbezogen wurden.
Das Buch "The Worlds of Roman Women" soll keineswegs zu einem feministisch ausgerichteten Studium der Altertumswissenschaften anhalten. Vielmehr versucht es, die leider bisher zu oft vernachlässigte Thematik um das Leben der Frauen in der Antike auszugleichen und so zu einem Alltagsbild der Antike zu gelangen, das wirklich jeden Bereich mit einschließt. Deshalb ist dieses Buch nicht nur Lateinlehrerinnen und Lateinlehrern sowie Studierenden wärmstens zu empfehlen, auch Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus anderen Altertumswissenschaften finden in diesem Buch wertvolle Quellen zum Aspekt Frauenleben und zum generellen Alltagsleben in der römischen Antike und nicht zuletzt (auch durch die starken Vokabelbeihilfen) eine lebendige Lektüre.
Anmerkungen:
[1] Als wichtigste Arbeiten sind hier zu nennen: Mary Lefkowitz / Maureen Fant: Women's Life in Greece and Rome: a sourcebook in translation, Baltimore 1992 und Elaine Fantham u.a.: Women in the Classical World, New York-Oxford 1994.
[2] Andrea Rottloff: Lebensbilder römischer Frauen (= Kulturgeschichte der Antiken Welt, Bd. 104), Mainz 2006.
[3] Laurie J. Churchill / Phyllis R Brown / Jane E Jeffrey (ed.): Women Writing Latin, 3 Vol., London / New York 2002.
Anna Kieburg