Hilmar Klinkott: Der Satrap. Ein achaimenidischer Amtsträger und seine Handlungsspielräume (= Oikumene. Studien zur antiken Weltgeschichte; Bd. 1), Berlin: Verlag Antike 2005, 578 S., ISBN 978-3-938032-02-2, EUR 69,90
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Umfassende Studien zum persischen Verwaltungssystem sind nicht zahlreich. Das umfangreiche Buch von H. Klinkott, das ein breites Spektrum von Ausführungen zur Verwaltungsstruktur des Achaimenidenreiches beinhaltet, stößt deswegen auf große Beachtung. Die rezensierte Studie umfasst 19 Kapitel in zwei Teilen. Teil 1 (insgesamt 16 Kapitel) behandelt Aufgaben, Kompetenzen und Handlungsspielräume des achaimenidischen Satrapen. Klinkott versucht zunächst die Begriffe "Satrapie" und "Satrap" zu definieren. Ferner ist er um die Listen von Völkern und Steuerbezirken des Perserreiches bei Herodot, die Satrapenmünzen, die militärischen sowie diplomatischen Kompetenzen der Satrapen und die Besteuerung der Provinzen bemüht. Teil 2 umfasst drei Kapitel. Zwei Indices (Eigennamen- und Sachindex) schließen das Buch ab.
In der Einleitung (13-18) betont Klinkott zu Recht die Defizite der bisherigen Forschung. Kritisch äußert er sich zum Buch von B. Jacobs mit dem Titel Die Satrapienverwaltung im Perserreich zur Zeit Darius' III, Wiesbaden 1994. Jacobs entwickelte ein scheinbar klares, hierarchisch strukturiertes System. Eine von ihm postulierte konstante Gliederung der Satrapien von Kyros dem Großen bis Dareios III. ist jedoch Spekulation, da sie keine Stütze in den Quellen findet. Dem Buch von Th. Petit, Satrapes et satrapies dans l'empire Achéménide de Cyrus le Grand à Xerxes Ier , Paris 1990 hält Klinkott entgegen, "kein vollständiges Bild des Amtes" gegeben zu haben. Vielmehr würdigt Klinkott die Arbeiten von J. Wiesehöfer, Das Antike Persien, Zürich 1994, und P. Briant, Histoire de l'empire Perse, Paris 1996, berücksichtigt dabei aber nicht die ergänzte englische Ausgabe aus dem Jahr 2002.
Klinkott behandelt in Kapitel III des 1. Teils Erklärungen des Titels "Satrap" in antiken Quellen, indem er vor allem Angaben Xenophons über Satrapen diskutiert. Auf Seite 35 erwähnt er eher beiläufig "übergeordnete Inspektoren", die im Auftrag des Königs Satrapen beaufsichtigten. Die für eine schlüssige Beurteilung des Satrapenamtes zentrale Frage nach der Funktion dieser "Inspektoren" wird allerdings nicht näher erörtert. Solche königlichen Aufseher sind bei vielen griechischen Autoren bezeugt, die das Perserreich schildern (siehe etwa Hdt. 1.114; Aisch. Pers. 980; Aristoph. Ach. 92f.; Xen. Kyr. 8.6.16; 8.2.10-12; Oikon. 4.6; Plut. Artox. 12). Sie überwachten die militärischen, wirtschaftlichen und politischen Angelegenheiten in den Satrapien und werden in der Überlieferung meistens als "Auge des Königs" (basileos ophtalmos) bezeichnet (neben diesem Terminus erscheint auch der Titel "Ohren des Königs", der aber wahrscheinlich einen anderen Funktionär bezeichnet).
Im Kapitel "Satrapendynasten und die persische Bestellungspolitik" erwähnt Klinkott Ktesias' Angaben zum persischen Prinz Tanyozarkes und schreibt von "vier Satrapien Baktrien, Choramnien, Parthyien und Karmanien", die er von Kyros anstelle des Thrones erhalten habe (55). Ktesias (F 9, 8, herausgegeben von D. Lenfant, Paris 2004) aber spricht nicht von "Satrapien", sondern besagt, Kyros habe Tanyozarkes zum "Herrn" (despotes) der Baktrier, Choramnier/Chorasmier, Parther und Karmanier bestellt. Ob der von Ktesias benutzte Begriff despotes als Satrap zu interpretieren ist, sollte begründet werden - die in den Quellen gebrauchte Terminologie ist zentral für eine schlüssige Rekonstruktion des achaimenidischen Verwaltungssystems.
Eingehend behandelt Klinkott die Nomoi-Liste und die Heeresliste des Xerxes, die Herodot überliefert (Kapitel VII, 87-109). Klinkott bezweifelt Herodots Glaubwürdigkeit in Bezug auf die achaimenidische Verwaltung. In der Diskussion über den X. Nomos, der Agbataner, Meder, Parikanier und Orthokorybantier umfasste, erwecken manche Behauptungen des Verfassers Bedenken. M.E. ist die gesonderte Nennung der Agbataner neben den Medern nicht verwunderlich, da sie anscheinend als einer der medischen Hauptstämme galten. Eine Lokalisierung der Orthokorybantier (Saka Tigraxauda) in den "tadschikischen Steppen" nördlich des Hindukusch und der Satrapie Baktrien-Sogdien ist fraglich (100). Dabei formuliert Klinkott seine Meinung, ohne näher auf die einschlägigen Quellen und Studien einzugehen. Ähnliches gilt auch für andere Fälle: So etwa hält Klinkott die Kaspier für "kein echtes Ethnikon, sondern eine Gebietszuweisung" und setzt sie mit den Chorasmiern gleich (297, Anm. 65); eine eingehendere Begründung seiner These legt er jedoch nicht vor.
In Kapitel I des 2. Teils setzt sich Klinkott mit der "Infrastruktur der Amtsbereiche" auseinander (397-425). Diese Darstellung ist ein knapper Überblick über die Reichsstraßen, Archive, Paradeisoi, Garnisonen (diese komplexe Problematik wird auf knapp zwei Seiten besprochen) etc. und bietet vor allem eine Bestandsaufnahme der bisherigen Forschung. Kapitel II behandelt "Entstehung und Größe der Satrapien" (426-430). Darüber hinaus wird in Kapitel III des 2. Teils die Frage des achaimenidischen Satrapienbestandes diskutiert (431-499). Allerdings handelt es sich dabei nicht um eine vollständige Bestandsaufnahme. Mitunter zeigt sich auch eine gewisse Inkonsequenz des Verfassers, für die das Beispiel von Baktrien repräsentativ ist (455n.). Das Land ist laut Klinkott "unter Kyros und Kambyses nicht als Verwaltungsbereich innerhalb des Perserreiches bezeugt" (455). Dieser Schluss widerspricht anderen Ausführungen des Verfassers, laut denen Tanyozarkes als persischer Satrap in Baktrien unter Kyros und Kambyses fungiert (so auf 506 mit Anm. 26).
Die Anzahl der Satrapen Baktriens schwankt bei Klinkott zwischen fünf und neun. Einmal erwähnt Klinkott "fünf sichere, möglicherweise sogar sechs Satrapen" für Baktrien, beginnend mit Ariaramnes unter Dareios I. (455). In dieser Liste fehlt allerdings Dādaršiš, der laut der Dareios-Inschrift von Bisotun "Satrap" von Baktrien im Jahre 522 war; Klinkott berücksichtigt aber Artabazos, Satrap Baktriens unter Alexander. Auch ansonsten wird Dādaršiš keine besondere Aufmerksamkeit gewidmet; beiläufig ist er im Kapitel zur Amtszeit der Satrapen erwähnt (40, Anm. 12). Auf Seite 55 stellt Klinkott fest: "Immerhin sind unter den acht belegten Satrapen Baktriens vier als Königssöhne nachweisbar". Im tabellarischen Verzeichnis der Satrapen (Tab. 15, 483) sind neun Satrapen für Baktrien erwähnt, darunter Tanyozarkes unter Kyros-Kambyses und Dādaršiš unter Dareios I. Genannt ist auch Masistes unter Xerxes. Im Verzeichnis der Einzelbelege identifiziert Klinkott Masistes mit Ariaramnes (507, Anm. 27), aber in Tabelle 15 werden sie gesondert erwähnt; zwischen den beiden begegnet noch ein gewisser Hystaspes II. Die Frage nach der Anzahl der Satrapen Baktriens bleibt somit unklar. Mit Parthien und Hyrkania verhält es sich nicht anders. Barzanes ist unter Verweis auf Arr. 4.7.1 als Satrap in Hyrkania erwähnt (510). Arrian nennt ihn aber Satrap über die Parther. Im Verzeichnis für Parthien begegnet Barzanes nicht (515). Über Sogdien schreibt Klinkott, es gäbe keinen Einzelbeleg, der "von einem Satrapen der Sogder spricht" (456). Dies ist richtig, aber Klinkott folgert daraus: "Demnach gehörte Sogdien in der achaimenidischen Verwaltung weder als Teil einer Doppelsatrapie zu Baktrien, noch bildete es eine eigene Satrapie". Dieser Schluss erscheint mir voreilig, da er einige Indizien ignoriert. Der gegen Alexander den Grossen kämpfende baktrische Satrap Bessos befehligte Truppen sowohl aus Baktrien als auch aus Sogdien (Arr. 3.8.3). Die Verhältnisse unter Alexander, die Klinkott ansonsten durchaus zu Recht oft heranzieht, verweisen darauf, dass Sogdien zur baktrischen Satrapie zählte (in der Diskussion über Baktrien berücksichtigt Klinkott die wichtige Studie von F.H. Holt, Alexander the Great and Bactria, Köln 1988, nicht, obwohl sie in der allgemeinen Bibliographie angeführt ist).
Das rezensierte Buch ist ein wichtiger und nützlicher Beitrag zur Erschließung eines bisher nur unzureichend erforschten Bereichs der persischen Geschichte. Die verschiedenen Ausprägungen des Satrapenamtes werden verdeutlicht und vielen Schlussfolgerungen des Verfassers ist zuzustimmen. Idee und Vorhaben des Autors sind bemerkenswert und zu begrüßen, die Ausführung der Untersuchung und der Umgang mit Quellen weisen m.E. aber an manchen Stellen Schwächen auf. Angesichts der Materialfülle und der nicht immer ganz geglückten Struktur mangelt es dieser mit großem Fleiß erstellten Arbeit verschiedentlich an innerer Kohärenz. Klinkotts These unterschiedlicher Kompetenzen der Satrapen vermag aber auf jeden Fall wertvolle Denkanstöße zu vermitteln und ist ein durchaus sehr beachtenswerter Versuch, die disparaten antiken Zeugnisse in ein verständliches System einzuordnen. Das Buch markiert zugleich deutlich, auf welchen Feldern der Achaimenidenforschung zukünftig weitere Ergebnisse erzielt werden können.
Marek Olbrycht