Rezension über:

Michael C. Questier: Catholicism and Community in Early Modern England. Politics, Aristocratic Patronage and Religion, c. 1550 - 1640 (= Cambridge Studies in Early Modern British History), Cambridge: Cambridge University Press 2006, xxii + 559 S., ISBN 978-0-521-86008-6, GBP 45,00
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Rezension von:
Ronald G. Asch
Historisches Seminar, Albert-Ludwigs-Universität, Freiburg/Brsg.
Redaktionelle Betreuung:
Michael Kaiser
Empfohlene Zitierweise:
Ronald G. Asch: Rezension von: Michael C. Questier: Catholicism and Community in Early Modern England. Politics, Aristocratic Patronage and Religion, c. 1550 - 1640, Cambridge: Cambridge University Press 2006, in: sehepunkte 7 (2007), Nr. 6 [15.06.2007], URL: https://www.sehepunkte.de
/2007/06/12605.html


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Michael C. Questier: Catholicism and Community in Early Modern England

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Der englische Katholizismus der späten Tudor- und frühen Stuartzeit hat in der historischen Forschung oft ein gewisses Schattendasein geführt, trotz der durchaus gewichtigen Werke, die ihm Historiker wie John Bossy und Caroline Hibbard gewidmet haben. Die einzige Bedeutung der seit den 1570er Jahren immer kleiner werdenden katholischen Minderheit schien darin zu bestehen, die Folie für den virulenten Antikatholizismus abzugeben, der die Haltung der konfessionellen Mehrheit kennzeichnete. Die Tatsache, dass die Stuarts nach 1620 eine Neigung entwickelten, Katholikinnen zu heiraten oder sich gar selbst dem Katholizismus anzunähern, konnte Vertretern der katholischen Minderheit am Hofe freilich gelegentlich einen Einfluss verschaffen, den sie, wie es schien, in der Gesellschaft insgesamt nicht besaßen. Allerdings haben schon die Forschungen von Christopher Haigh vor vielen Jahren gezeigt, dass der offizielle Protestantismus im 16. Jahrhundert in vielen Regionen wenn schon nicht auf offenen Widerstand, so doch zumindest auf einen starken religiösen Traditionalismus stieß. Auch noch im frühen 17. Jahrhundert zogen viele Menschen es vor, sich konfessionell nicht allzu eindeutig festzulegen.

In dieser konfessionellen Gemengelange fand trotz der staatlichen Verfolgungsmaßnahmen auch die katholische Minderheit ihren, allerdings prekären, Platz. Sie stützte sich vor allem auf den Schutz, den einflussreiche Mitglieder der gentry und peerage Geistlichen und Laien gewährten, denn die Oberschicht konnte sich den Verfolgungsmaßnahmen der Krone leichter entziehen - die Gruppe der Katholiken war hier überproportional groß und umfasste im Falle der hohen Aristokratie 1640 ca. 20 % der lay peers -, neigte allerdings auch oft dazu, den eigenen Katholizismus durch eine gewisse Anpassung an die Staatskirche, die bis zum Besuch protestantischer Gottesdienste gehen konnte, zu kaschieren. Faktisch war das Spektrum des katholischen Widerstandes gegen die Church of England außerordentlich weit; es reichte von den nur selten offen artikulierten Vorbehalten der adligen Church Papists bis zur heroischen Haltung der Priester, die vom Kontinent nach England zurückkehrten mit der bewussten Bereitschaft, einen qualvollen Tod als Märtyrer zu sterben.

Questier, der schon in den vergangenen Jahren durch eine Reihe wichtiger Studien zum englischen Katholizismus hervorgetreten ist, nähert sich dem Thema über die Geschichte einer Familie, der Brownes, Viscounts Montague, die vor allem in Sussex über erheblichen Landbesitz verfügten. Die Brownes gehörten nicht zu den prominentesten katholischen Familien innerhalb der englischen peerage. Aber im Falle der Brownes haben sich Teile des Familienarchivs erhalten, und es sind somit präzisere Aussagen als im Falle der anderen Familien möglich. Questier geht davon aus, dass der Katholizismus in England genauso wenig wie die Staatskirche ein klar umrissenes konfessionelles Profil besaß. Wäre er ein deutscher Historiker, würde man ihn eher zu den Gegnern der Konfessionalisierungsthese rechnen, die Phänomene wie den konfessionellen Synkretismus und die Überformung konfessioneller Vorgaben der geistlichen und weltlichen Obrigkeit durch die oft einer Uminterpretation gleichkommende Rezeption solcher Normen von Seiten der Gläubigen betonen.

Für Questier war der englische Katholizismus nicht "a uniform entity, but a conglomerate of social attitudes, political allegiances, parish frictions, marital links and patronage/clientage connections", und er setzt hinzu, "There was certainly no single social or political or religious structure which we can label exclusively as Catholicism." (66), denn die katholische Minderheit war ebenso stark wie die Church of England durch starke Richtungskämpfe geprägt. Dabei ging es u. a. um das Maß an legitimer Anpassung an die protestantische Obrigkeit und um den Stellenwert der tridentinischen Reform, aber auch um die Rolle der Ordensgeistlichen in der Konkurrenz mit den Weltpriestern. Questier wählt daher auch einen Zugang, der den Katholizismus nicht so sehr als kirchliche Einheit, sondern als ein durch Patronage und Verwandtschaftsstrukturen zusammengehaltenes Netzwerk versteht. Im Zentrum dieses Netzwerkes standen Familien wie die Brownes, deren katholisches Engagement allerdings oft auch dadurch bedingt war, dass sie sich an den religiösen Wertvorstellungen ihrer traditionellen Klienten orientieren mussten, um deren Loyalität nicht zu verlieren.

Indem Questier sich auf die "entourage" der Brownes konzentriert, vermag er auch deutlich zu machen, dass sich hinter der scheinbar oft eher passiven Haltung katholischer peers vor allem nach 1605, dem Jahr der gescheiterten Pulververschwörung, ein oft erhebliches kirchliches und politisches Engagement ihrer Anhänger verbarg. Zwar stand eine komplette Rekatholisierung Englands - anders als in den 1560er und 70er Jahren, spätestens nach 1605 - nicht mehr wirklich zur Debatte, aber Katholiken blieben sich bewusst, dass die Überlebensfähigkeit der Church of England auf einem recht unklaren und widersprüchlichen Formelkompromiss zwischen radikalen Protestanten und kirchlichen Traditionalisten beruhte, die zwar den Primat Roms ablehnten, aber sich doch dem Erbe der mittelalterlichen Frömmigkeit und der alten hierarchischen Kirchenstruktur verbunden wussten. Brachen die Fundamente dieses Kompromisses auseinander, dann stellte auch der Katholizismus potentiell für große Teile der Bevölkerung, namentlich aber für die Elite, wieder eine Alternative dar. So zumindest sah man die Dinge auf katholischer Seite, und diese Perspektive war keineswegs ganz abwegig, wie die Bürgerkriegszeit und die Restauration zeigen sollten.

Welche Rolle spielten die Brownes nun als Patrone ihrer geistlichen und weltlichen katholischen Klienten? Faktisch förderten sie - und das galt besonders für den zweiten Viscount, Anthony Maria, der 1629 starb - Geistliche, die recht widersprüchliche Ziele verfolgten. Obwohl Anthony Browne eher auf Seiten jener Kleriker stand, die für die Einsetzung eines katholischen Bischofs in England kämpften, um so ein tragfähiges Arrangement mit der Krone zu erreichen und den Einfluss der Jesuiten zurückzudrängen, gehörten doch auch Ordensgeistliche zu seinen Klienten. Dennoch, indem Questier die Frage stellt, ob Brownes Patronage einfach nur ein Art Ruhekissen für unterschiedliche katholische Aktivisten war, verneint er sie zugleich, denn der Viscount verfolgte in Krisensituationen durchaus eine eigene Linie, bei der es letzten Endes natürlich immer zugleich um das soziale und politische Überleben des katholischen Adels und das Prestige seiner Familie ging. War es gerade dieser Umstand, der die katholische Mission in England ihrer Kraft beraubte, indem die nach England zurückkehrenden Seminaristen sich ganz ihren adligen Schutzherren und Patroninnen widmeten und damit die Arbeit in den Gemeinden vernachlässigten? Dies ist oft behauptet worden, wird aber der besonderen Situation einer Untergrundkirche ohne wirklich Gemeindestrukturen nicht gerecht, wie Questier hervorhebt, denn wenn der Katholizismus in England im frühen 17. Jahrhundert auch kulturell ein Faktor von Bedeutung blieb, war dies gerade Männern wie den Brownes zu verdanken.

Im katholischen Lager oder besser in jenem gar nicht so kleinen Teil des katholischen Lagers, das den Jesuiten mit Abneigung, wenn nicht gar mit Hass gegenüberstand, glaubte man im übrigen im Kurswechsel der königlichen Kirchenpolitik, die seit den 1620er Jahren jene protestantischen Geistlichen unterstützte, die die episkopale Autorität iure divino in der Church of England wieder herstellen wollten, eine Parallele zu den eigenen Bemühungen um die Einsetzung eines katholischen Bischofs in England zu erkennen. In der Tat gab es ja gewisse Affinitäten zwischen einem gewissermaßen Gallikanischen Katholizismus und den Zielen eines Erzbischofs Laud, so wie umgekehrt schon Jakob I. versucht hatte, unter Ausgrenzung der Jesuiten und der radikalen Puritaner die loyalen Untertanen jedweder Konfession - also einschließlich der gemäßigten Katholiken - an sich zu binden. Das starke Engagement der Katholiken auf royalistischer Seite im Bürgerkrieg war in soweit durchaus konsequent und zum Teil auch eine Frucht dieser Bemühungen, wie Questier im Schlusskapitel andeutet.

Questiers Studie beeindruckt durch die Leidenschaft für ihren Gegenstand und durch ihre tiefe Gelehrsamkeit. Betrachtet man das Buch nicht in erster Linie als einen Beitrag zur Kirchen- und Konfessionsgeschichte, sondern zur Sozial- und Kulturgeschichte des Adels, hätte man sich vielleicht gelegentlich mehr Informationen über die Lebenswelt und die spezifische Standeskultur des katholischen Adels gewünscht. Wie unterschied sich das Selbstverständnis der Viscounts Browne von dem protestantischer Adliger? Fühlten sie sich der Kultur Italiens oder Frankreichs, vielleicht auch Spaniens stärker verbunden als andere Adlige, wie man es ja vermuten muss? Sahen sie sich als Verteidiger einer traditionellen, durch paternalistische Fürsorge, aber auch etablierte Loyalitäten geprägten Sozialordnung gegen einen radikalen Protestantismus, der all dies aufzulösen drohte? Und schließlich; wie typisch waren die Brownes? Stoßen wir nicht in anderen Regionen wie Wales, wo die (ebenfalls katholischen) Marquessess of Worcester eine starke Machtstellung besaßen, auf andere Strukturen? Darüber erfährt man nicht so sehr viel, dafür ist Questier selber zu sehr fasziniert von den erbitterten Faktionskämpfen innerhalb des so heterogenen Lagers der Katholiken jeder Couleur, und dazu handelt es sich dann doch am Ende trotz des Titels zu sehr um die Geschichte einer einzelnen Familie und ihrer allerdings weit gespannten Netzwerke. Indes schmälert das den Wert und die Bedeutung dieses gewichtigen und beeindruckenden Werkes nicht.

Ronald G. Asch