Anne McCauley / Alan Chong / Rosella Mamoli Zorzi / Richard Lingner: Gondola Days: Isabella Stewart Gardner and the Palazzo Barbaro Circle. Katalog zur Ausstellung 'Gondola Days: Isabella Stewart Gardner and the Palazzo Barbaro Circle', Isabella Stewart Gardner Museum, Boston, 21.4.-15.8.2004; Biblioteca Nazionale Marciana, Venice, 7.10.-20.12.2004, Boston: Museum Publishing Partners 2004, XVIII + 297 S., 235 Abb., ISBN 978-0-914660-21-7
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Der Begleitband zur Ausstellung Gondola Days im Isabella Stewart Gardner Museum in Boston hat sich zum Ziel gesetzt einen weiten und umfassenden Blick auf das amerikanische Mäzenatentum im Venedig des ausgehenden 19. Jahrhunderts zu werfen. Alan Chong als Herausgeber und Kurator der Stewart Gardner Sammlung in Boston verspricht in seiner "Romance and art and history" betitelten Einleitung eine "[...] fresh examination of documents, sources and works of art [...]" (xi), um Licht auf die Substanz hinter den Legenden um Isabella Stewart Gardner und ihrer Freunde in Venedig zu werfen.
Neun Aufsätze amerikanischer und italienischer Autoren, in der Mehrzahl Experten in der Erforschung amerikanischen Schaffens in Venedig um 1890, stellen eine Vielzahl bisher unveröffentlichter Schriftquellen vor, um Licht auf den Palazzo Barbaro Circle, seine Künstler, Schriftsteller und Mäzenen zu werfen. Ein gewisser Schwerpunkt auf bildender Kunst erwächst dabei aus der hervorragenden Bebilderung mit Gemälden von John Singer Sargent, James McNeill Whistler, einigen italienischen Renaissencekünstlern sowie einer Fülle von Werken weniger bekannter Künstler und in bislang in Privatsammlungen versteckter Sketche und Zeichnungen. Dies reflektiert zugleich den Sammlungsschwerpunkt des Gardner Museums in Boston.
Während etwa die Hälfte der Aufsätze einen kunsthistorischen Blickwinkel einschlägt, schenken andere dem literarischen Schaffen der amerikanischen Besucher in Venedig besonderes Augenmerk, was zu einer recht positiven Rezeption in Kreisen der Henry James Forschung geführt hat. [1]
Alle Beiträge sind jedoch vereint in ihrer Konzentration auf die bisweilen anekdotische Schilderung des Alltags amerikanischer Mäzene in Venedig. Die Tatsache, dass das Schlusswort der Urenkelin der einstigen Barbarobesitzer Ariana und Daniel Curtis und ihren sentimentalen Erinnerungen "My Barbaro" (203-211) gewährt wurde, ist hierfür symptomatisch.
Das vorliegende Werk besticht durch die hohe Lesbarkeit seiner Aufsätze, die es vermögen, den Leser mit zahlreichen Primärquellen und intimen Schilderungen am amerikanischen Alltag in der Lagunenstadt teilnehmen zu lassen, und eine Stärke des Bandes liegt in dieser Vermischung kunsthistorischer, sozialer und literarischer Materie. In diesem Ansinnen liegt zugleich jedoch die Schwäche des Bandes mit Blick auf seine Nutzbarkeit als wissenschaftliches Werk der Œuvreforschung: Zu sehr liegt der Focus der meisten Beiträge auf den sozialen Aspekten des Barabaro-Treibens, um durchgehend wohl fundierte und neue Erkenntnisse über die Werke der besuchenden Künstler zu gewinnen.
Zudem wird ein Leser aller hier gesammelten Aufsätze eine bisweilen ermüdende Wiederholung weniger Schlüsselzitate aus dem Nachlass der Isabella Stewart Gardner bemängeln. Eine Ausnahme stellen zwei Aufsätze im Herzen des Bandes dar: Alan Chong beleuchtet in "Artistic life in Venice" (87-128) Werke McNeill Whistlers und Sargents als Spiegel ihres sozialen Lebens in Venedig um im weiteren ihren Einfluss auf die Werke weniger bekannter Künstler wie Anders Zorn und Ralph Curtis zu untersuchen. Erica Hirschler hat in ihrem Beitrag "John Singer Sargents Fountain of Youth" (155-176) eine recht detaillierte Studie des Einflusses von Film und Fotografie auf die Blickwinkel Sargents vorgelegt. Beide Aufsätze rezipieren in ihren Ausführungen und Literaturhinweisen die jüngere Whistler- und Sargent-Forschung.
Eine letzte Stärke des Bandes stellt der fast 60 Seiten starke Anhang mit Kurzbiografien aller erwähnter Künstler und einiger Mäzene mit Verbindung zum Palazzo Barbaro dar. Selbst die Manuskriptsammlungen der Gardner finden hier ihre eigene Würdigung, und reiche Bebilderung sowie kurze bibliografische Hinweise erleichtern das tiefere Studium der vorgestellten Werke.
Zusammenfassend kann "Gondola Days" dem interessierten Leser als solide und sehr lesbare Einführung in die Welt des amerikanischen Venedig um 1890 empfohlen werden, und auch Kenner der darin behandelten Künstler werden die erstmalige Veröffentlichung neuer, meist aus dem sozialen Kontext stammender Quellen begrüßen. Der Band wirbt erfolgreich um Interesse an der Isabella Stewart Gardner Sammlung und eröffnet neue Forschungshorizonte mit Blick auf die Integration sozialer Kontexte und der Wechselwirkungen zwischen den Künsten.
Anmerkung:
[1] Siehe die Rezension von Susan M. Griffin: Gondola Days: Isabella Stewart Gardner, in: The Henry James Review (2005), Vol. 26 part 3, 306-308. Eine weitere Kurzrezension erschien 2006: Tom Henry: Raphael, Cellini and a Renaissance Bank, in: Journal of the History of Collections (2006), Vol. 18, 89-90.
Britta Kalkreuter