Ana Botella Diez del Corral: Feedback. Arte que responde a instrucciones, a inputs, o a su entorno. Art responsive to instructions, input, or its environment, Gijón: LABoral Centro de Arte y Creación Industrial 2007, 288 S., ISBN 978-84-611-5881-2
Buch im KVK suchen
Bitte geben Sie beim Zitieren dieser Rezension die exakte URL und das Datum Ihres Besuchs dieser Online-Adresse an.
Diese Rezension erscheint auch in KUNSTFORM.
Rachel Greene: Internet Art, London: Thames & Hudson 2004
Birgit Huemer: Semiotik der digitalen Medienkunst, Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 2014
Jeremy Aynsley / Charlotte Grant (eds.): Imagined Interiors. Representing the Domestic Interior since the Renaissance, London: Victoria & Albert publications 2006
Wie bereits der Titel suggeriert, wird in diesem Ausstellungskatalog Medialität nicht aus der Perspektive des Rezipienten definiert, sondern das Werk (nicht als Objekt, sondern als System) in den Mittelpunkt gestellt, um die verschiedenen Möglichkeiten seiner Verarbeitung von Inputs zu analysieren. Christiane Paul betont in ihrem einführenden Aufsatz ("From object to process and system"), dass es sich bei dieser Herangehensweise um "one possible narrative of the multi-faceted histories of what is now called new media art" (26) handelt. Sie postuliert damit gleich zu Beginn die Heterogenität der unter diesem Begriff gehandelten Kunstformen und der respektiven Interpretationsansätze - berechtigterweise, denn in einer großen Erzählung ist die Medienkunst nicht mehr abzuhandeln. Den Titel Feedback will sie in dreierlei Hinsicht verstanden wissen: als Bezeichnung für Prozesse, die auf verschiedene Formen von Input reagieren, als kuratorischen Ansatz, der die Bedeutung historischer Projekte für neuere Arbeiten herausstellt, und im Sinne einer gegenseitigen Befruchtung einzelner ausgestellter Positionen.
Der erste Teil der insgesamt 38 Positionen umfassenden Ausstellung spannt den Bogen von "instructions to open systems and global connections", von früher Computergrafik und Konzeptkunst über Zeichenmaschinen und generative Kunst bis hin zu vernetzten Datenbankprojekten und telematischen Arbeiten. Es geht darum, die Entwicklung von festen Regelsystemen zur Öffnung derselben für Input - durch den Rezipienten einerseits, aus globalen Netzen andererseits - zu illustrieren. Hierzu werden Medienkunstarbeiten im engeren Sinne mit 'analogen', aber dennoch prozessorientierten Kunstformen wie der Konzeptkunst zusammen gebracht. Historischen Positionen, zum Beispiel von Sol Lewitt, werden die generativen Grafiken von Casey Reas gegenüber gestellt, die die Relevanz der Konzeptkunst für die aktuelle Softwarekunst illustrieren. Hans Haackes geschlossenes System von Verdunstung und Kondensation, der Condensation Cube, wird einem ähnlich geschlossenen, aber digitalen und irreversiblen System zur Seite gestellt, dem Shockbot Corejulio von 5voltcore, ein Computer, der sich durch elektrische Impulse auf seine Grafikkarte langsam selbst zerstört und diesen Prozess auf seinem Bildschirm farbenprächtig dokumentiert. Damit tritt er als moderne Zeichenmaschine gleichzeitig in Relation zu Harold Cohens Malmaschinen und dem Life Writer von Sommerer und Mignonneau. Letzterer, eine Schreibmaschine, die den eingetippten Code in einen durch Insekten repräsentierten genetischen Code umwandelt, verweist einerseits auf die generativen Konzepte zurück, leitet andererseits über zu Arbeiten mit Betrachter-Input. Es sind solche - hier nur beispielhaft darstellbaren - vielfältigen Resonanzen zwischen historischen und aktuellen, digitalen und analogen Arbeiten, die im Fokus des Ausstellungsprojekts stehen.
Ein zweiter Bogen spannt sich von "Optics and Kinetics to Cinematics". Op Art und kinetische Kunst werden durch Arbeiten von Duchamp bis Herwig Weiser, von Moholy Nagy bis Chico McMurtrie repräsentiert. Unter dem Begriff 'Cinematics' schließt dann eine Sektion an, die die Relationen von Bewegtbild und Feedbackprozessen untersucht, von Paiks Participation TV über modifizierte Spiele bis hin zu verschiedenen Projekten, die den Input von Webcams verarbeiten oder Überwachungstechnologien einbeziehen. Es soll der "move from optical effects and kinetic mechanisms that create moving 'images' to more technologised and networked processes of image production" (47) illustriert werden. Die Einbeziehung der frühen kinetischen Kunst in das Konzept des Feedback erscheint weniger schlüssig, handelt es sich doch um bewegte Licht-, Form- und Farbspiele, die keinerlei Rückkopplung verarbeiten.
Spätestens hier wird deutlich, dass das Titel gebende Konzept nur streckenweise im engeren Sinne technisch vermittelter Rückkopplung Stand hält, während es sich in anderen Bereichen auf die erwähnte Idee der Resonanzen zwischen Entwicklungslinien und Exponaten beschränkt.
Dennoch verdient die gewählte Begrifflichkeit nähere Aufmerksamkeit, scheint doch die Publikation den Terminus 'interaktive Kunst' bewusst zu vermeiden - trotz der offensichtlichen Nähe vieler gezeigter Projekte zu Prozessen, die gemeinhin als interaktiv bezeichnet werden. Grund hierfür wird kaum eine größere Präzision des Begriffs des Feedback sein (bereits die drei von den Autorinnen und Autoren herangezogenen Definitionen unterscheiden sich erheblich), sondern die durch ihn ermöglichte Perspektivverschiebung vom Rezipienten zum System, die sowohl die Auswahl der einzelnen Werke als auch das übergreifende Ausstellungskonzept bestimmt. Gleichzeitig betonen die Kuratorinnen hiermit die historische Bedeutung des systemischen Ansatzes für die Genese der von ihnen verfolgten Entwicklungslinien - mit der mehrfachen Referenz auf Jack Burnham als Vater der Systemästhetik. Burnham identifiziere das Kunstwerk als "information trigger for mobilizing the information cycle", wobei Paul in der digitalen Kunst den Informationskreislauf auch innerhalb des Kunstwerks selbst lokalisiert "which can be reconfigurable, participatory, generative and generates discourses on the network" (34). Sie betont, dass die moderne Systemtheorie verstärkt technologische Entwicklungen wie das Internet thematisiere - was entsprechende Kunstprojekte in der Ausstellung exemplifizieren.
Jemima Rellie zitiert Burnhams These vom Wandel von einer objektorientierten zu einer systemorientierten Kultur und konstatiert: "By extension, art which is reliant on input and is therefore explicitly processual is more interesting in 2007 than art that is confined to unique, isolated objects" (51). Hier stutzt man zunächst, erscheint eine Bewertung allein auf der Basis einer spezifischen Medialität doch dem wissenschaftlichen Anspruch der Publikation nicht angemessen. Der Kontext relativiert die Aussage jedoch: Schon Rellies Titel "Feedback / Feedforward" suggeriert, dass ihr Part darin liegt, Visionen zu formulieren, die die gemeinsam kuratierte Schau für die Zukunft anbietet. Auch wenn ihre Ausführungen streckenweise als altbekanntes Lamento über mangelnde Rezeption der Medienkunst missverstanden werden könnten, geht es ihr prinzipiell um Folgendes: "Contemporary art in 2007, in all its varied formats, is now imbued with qualities brought to prominence through our daily exposure to technology. Frequently interdisciplinary, art today is regularly performative, interactive, participatory, collaborative, non-linear and/or networked based." Und diese Eigenschaften lokalisiert sie gerade nicht nur in der elektronischen Kunst.
Charlie Gere ("Art as Feedback") zeigt, dass jedes noch so vielfältig anschluss- und reibungsfähige System künstlerischer Äußerungen vor dem Hintergrund konkreter historischer Entwicklungen, geografischer Zentren, Institutionen und personellen Verbindungen zu sehen ist. Er behandelt - teils bekannte, teils weniger bekannte - Brennpunkte der Medienkunstszene zwischen 1960 und 1980 und macht damit beispielhaft deutlich, wie viele weitere Erzählungen der einen, hier im Zentrum stehenden noch hinzugefügt werden könnten, um das komplexe System prozessorientierter Kunst abzubilden.
Berücksichtigt man, dass ein gewisser Spagat zwischen konzeptueller Präzision und publikumstauglicher Breite in der Auswahl von Werken und Texten bei einem Ausstellungsprojekt kaum vermeidbar ist, so dokumentiert der Katalog ein überzeugendes und zu weiteren Forschungen anregendes Projekt: Der Fokus auf die vielfältigen Resonanzen zwischen historischen und aktuellen, digitalen und analogen Positionen, sowie deren theoretische und historische Verankerung in systemtheoretischen Perspektiven eröffnet viel versprechende neue Ansätze der kunsthistorischen Kontextualisierung von Medienkunst.
Katja Kwastek