Rezension über:

Markus Bernhardt / Gerhard Henke-Bockschatz / Michael Sauer (Hgg.): Bilder - Wahrnehmungen - Konstruktionen. Reflexionen über Geschichte und historisches Lernen (= Forum Historisches Lernen), Schwalbach: Wochenschau-Verlag 2006, 290 S., ISBN 978-3-89974-155-1, EUR 28,00
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Rezension von:
Heike Kreutzer
Bergisch Gladbach
Redaktionelle Betreuung:
Michael Kaiser
Empfohlene Zitierweise:
Heike Kreutzer: Rezension von: Markus Bernhardt / Gerhard Henke-Bockschatz / Michael Sauer (Hgg.): Bilder - Wahrnehmungen - Konstruktionen. Reflexionen über Geschichte und historisches Lernen, Schwalbach: Wochenschau-Verlag 2006, in: sehepunkte 8 (2008), Nr. 9 [15.09.2008], URL: https://www.sehepunkte.de
/2008/09/12673.html


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Forum:
Diese Rezension ist Teil des Forums "Geschichtsdidaktik" in Ausgabe 8 (2008), Nr. 9

Markus Bernhardt / Gerhard Henke-Bockschatz / Michael Sauer (Hgg.): Bilder - Wahrnehmungen - Konstruktionen

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Die drei Herausgeber Markus Bernhardt, Gerhard Henke-Bockschatz und Michael Sauer haben das Erreichen der Ruhestandsgrenze von Ulrich Mayer zum profanen Anlass genommen, Mayer persönlich und seine Forschungsleistung mit einer Festschrift zu würdigen. Der vorliegende Band bietet in seiner Konzeption einen Überblick über die wissenschaftlichen Forschungsschwerpunkte von Ulrich Mayer. Die insgesamt 18 Beiträge sind in vier Themenkomplexe strukturiert:

- Kulturgeschichte - Geschichtskultur

- Bilderwelten - Vorstellungswelten

- Geschichte in der didaktischen Reflexion

- Geschichte im Unterricht

Den "roten Faden" zwischen den vier Themenbereichen stellt die Geschichtsdidaktik dar und zwar in dem Sinne, wie sie Ulrich Mayer als sein "Credo" formulierte: "Didaktik hat es mit Schülern zu tun; mit Schülern, die im hier und heute leben." (5)

Im ersten Abschnitt, in dem die Themen allgemeiner gefasst sind, kommen die geschichtsdidaktischen Bezüge eher indirekt zum Ausdruck. An Begriff und Konstrukt der 68er "nörgelt" (11) Eike Henning herum. Der etwas launisch daherkommende Beitrag liest sich höchst interessant und räumt mit der Selbststilisierung von Teilen der 68er gründlich auf. Da sich mit Blick auf diese Generation für die Erinnerungs- und Deutungskultur der Bundesrepublik Deutschland wichtige Fragen ergeben, hält es Eike Henning für gefordert, die wirkmächtigen Deutungsmuster zu dekonstruieren, um dem Konstrukt 68 näher zu kommen.

Der Rechtspopulismus ist Thema im Beitrag von Dietfried Krause-Vilmar. Er stellt diesen als Herausforderung für Politik- und Geschichtsdidaktik dar. Heike Wunder geht der Frage nach, "ob einem Weibs-Bild das Studiren wol anstehe". Die Frage stellte 1682 der österreichische Adelige Wolf Helmhard von Hohberg im dritten Buch seiner "Georgica Curiosa Aucta". Sie entwickelt anhand von Textbeispielen anschaulich, dass von Hohberg bei dieser Frage von einem anderen Geschlechterverhältnis ausging, als die Forschung lange Zeit annahm.

Der zweite thematische Komplex umfasst insgesamt fünf Beiträge, die alle gleichsam von unterschiedlichen Fachrichtungen kommend eine spezifische Fragestellung in den Fokus nehmen: Wie können innovative Forschungswege aussehen bei den in der Geschichtsdidaktik lange Zeit vernachlässigten Bildquellen? Die drei Beiträge von Markus Bernhardt, Monika Zolg sowie Peter Gautschi zusammen mit Alexandra Binnenkade lassen sich unter dem Aspekt zusammenfassen, dass das, was wir sehen, zu einem großen Teil davon abhängt, was wir zu sehen erwarten. Die Geschichtsdidaktik ist deshalb gefordert, wie sie mit dem Problem des konstruktivistischen Zusammenhangs von Innen- und Außenwelt umgeht. In den geschichtswissenschaftlichen Beiträgen von Hans-Joachim Bieber und Jens Fleming wird Bild "weniger als Abbild im Sinne der Repräsentation realer Anschauung und empirischen Wissens [...] denn als Konstrukt und Projektion" (62) verwendet. Es wird aufgezeigt, wie das Konstrukt in unterschiedlichen historisch-politischen Kontexten das Geschichtsbewusstsein der jeweiligen Menschen bestimmt. Bieber erläutert dies anhand des widersprüchlichen Indienbildes der Deutschen, Fleming anhand des vergessenen Begriffs "Mitteleuropa".

Der dritte Themenkomplex ist wiederum inhaltlich breit angelegt und befasst sich mit neueren geschichtsdidaktischen Fragestellungen, wobei für die Themen Empirie, Darstellungsprobleme, Handlungs- und Schülerorientierung sowie curriculare Perspektiven zum Teil innovative Wege aufgezeigt werden. Der Beitrag von Bärbel Völkel stellt dar, wie durch konstruktivistische Herangehensweisen an Unterrichtsthemen der häufig beobachtete fehlende Bezug von Geschichte zur Lebenswelt von Schülerinnen und Schülern überwunden werden kann.

Die Unterrichtspraxis steht im Zentrum des vierten Abschnitts. Gerhard Henke-Bockschatz zeigt am Beispiel eines DVD-Projekts Grenzen und Möglichkeiten des Einsatzes einer DVD gegenüber gängigen Unterrichtsmedien auf. Vor- und Nachteile werden explizit herausgearbeitet. Damit betritt Bockschatz Neuland in der geschichtsdidaktischen Literatur. Zu ihm gesellen sich die weiteren Autoren. Klaus-Dieter Weber skizziert ein Verfahrensmodell für die Anfertigung einer Facharbeit. Michael Sauer widmet sich der Zeitung als Quelle. Er schreibt der Zeitung ein erhebliches Lernpotenzial zu und entwickelt unterrichtspraktische Wege zur Analyse des Mediums. Björn Onken und Pauline Puppel liefern einen Beitrag zur Personengeschichte, indem sie ein methodisches Konzept entwickeln, wie die Briefe Lieselottes von der Pfalz als Quellen genutzt werden können.

Ohne über den Wert oder Unwert des Festschriften(un)wesens polemisieren zu wollen, sei an dieser Stelle die Frage gerechtfertigt, woran man eine gelungene Festschrift erkennt. Die hier aufgestellten Kategorien erheben keinen Anspruch auf Vollständigkeit und sind situativ entstanden: Umfang, Lesbarkeit, Kosten, Adressatenorientierung, angemessene Würdigung der Person des Jubilars und seiner Forschungsleistung.

Der Umfang von 284 Seiten ist sehr benutzerfreundlich und regt dazu an, den Band auch tatsächlich zum Lesen in die Hand zu nehmen. Die Lesbarkeit ist trotz der unterschiedlichen Autoren durchweg gut. Die erfreulich gute Lektoratsarbeit trägt wesentlich zur flüssigen Lesbarkeit bei. Mit 28,- Euro ist die Festschrift erschwinglich geblieben, was wohl auch auf das Bemühen der Herausgeber zurückzuführen ist, die Druckkostenzuschüsse eingeworben haben.

Die potenziellen Leser werden sich in dem erweiterten Kreis der Autoren finden: Studenten, Freunde, Kollegen und andere Weggefährten. Da für jeden etwas dabei ist, kommt die Leserschaft auf ihre Kosten. Der Band ist adressatenorientiert konzipiert. Die Konzeption in thematischer Hinsicht ist ebenfalls als gelungen zu bezeichnen, da tatsächlich ein Überblick über die Forschungsschwerpunkte von Ulrich Mayer gegeben wird. Die Herausgeber werden der Person Ulrich Mayer darüber hinaus auf vielfältige Weise gerecht.

Hervorzuheben ist, dass in den Beiträgen nicht jeder Autor versucht sich selbst zu beweihräuchern. Vielmehr wird der Jubilar auch auf einer persönlichen und emotionalen Schiene gewürdigt. So führt Monika Zolg in einer vorgeschalteten Anmerkung zu ihrem Beitrag aus: "Die Zusammenarbeit mit Ulrich Mayer ist für mich ein großer persönlicher und fachlicher Gewinn. [...] Aber wer hat ihn im überfüllten Hörsaal vor 200 Studierenden Das arme Dorfschulmeisterlein singen gehört? Wer hat ihn als geheimnisvollen Mönch im finsteren Wald erlebt? Ja, ich gehöre zu den Glücklichen!" (132) Etwas rationaler, aber nicht weniger intensiv, hört sich der Dank Bärbel Völkels an, die ihren Beitrag Ulrich Mayer widmet, "der mir in wichtigen Abschnitten meines beruflichen Lebens ein konstruktiv kritischer Begleiter war und der mir immer wieder Mut zum Handeln gemacht hat." (214)

Die Würdigung des Historikers, (Volksschul-)Lehrers und Didaktikers Ulrich Mayer wird seinem Leben gerecht. Denn Didaktik ist für ihn keine bloße Theorie. Es gibt für ihn kein historisches Lernen ohne Beteiligung des ganzen Menschen. Die Aufnahme der Festschrift in die von Mayer mit herausgegebene Reihe "Forum Historisches Lernen" unterstützt dies eindrucksvoll. Ich habe beim Lesen vielfältige Anregungen erhalten, die in meine Arbeit einfließen werden, das heißt der Diskurs ist eröffnet. Ich kann nur jeden einladen, ganz nach seinen persönlichen Interessen einmal in dieser gelungenen Festschrift zu schmökern und sich vom Geist Ulrich Mayers inspirieren zu lassen.

Heike Kreutzer