Andrzej Olechnowicz (ed.): The Monarchy and the British Nation, 1780 to the Present, Cambridge: Cambridge University Press 2007, ix + 327 S., ISBN 978-0-521-60635-6, GBP 19,99
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Aus dem kontinuierlich fließenden Strom von populären und wissenschaftlichen Darstellungen zur Geschichte und Gegenwart der britischen Monarchie ragen die Arbeiten von David Cannadine als besonders einflussreich heraus. Er hat das Thema aus dem vermeintlich trockenen Kontext der Verfassungshistoriographie einerseits und aus dem allzu ansprechenden der Skandalgeschichten der königlichen Familie andererseits befreit. Mit der Untersuchung von Ritualen und Zeremonien eröffnen Cannadines Werke besonders für die Geschichtsschreibung der Frühen Neuzeit im europäischen Sinn neue Wege, die nun auch für die Erforschung des 19. und 20. Jahrhunderts verstärkte Wirkung entfalten. Der von Andrzej Olechnowicz herausgegebene Sammelband ist in ausgezeichneter Weise geeignet, seine Leserschaft mit den aktuellen Themen und Trends der Monarchieforschung in Großbritannien - die freilich ausschließlich die britische Monarchie im Blick hat und die skandinavischen und westeuropäischen Monarchien wohl für unvergleichbar hält - vertraut zu machen. Insgesamt handelt es sich um einen vorzüglich recherchierten und mit ausführlichen Nachweisen versehenen Band, der nicht zuletzt selber Beleg für die trotz vieler Skandale anhaltende Akzeptanz der Monarchie ist. Offensichtlich ist es der Monarchie als Verfassungsinstitution und der königlichen Familie auch persönlich gelungen, weiterhin die britische Identität zu verkörpern und eine integrierende Funktion für eine heterogene Gesellschaft wahrzunehmen.
Das Themenspektrum reicht von der Verbindung zwischen der Whig-Politik und -Geschichtsschreibung (Jonathan Parry) über das Verhältnis zwischen der Monarchie und Irland (James Loughlin) bis zur Darstellung der Monarchie im Film seit 1900 (Jeffrey Richards). Im Gegensatz zu der in der Forschung allgemein verbreiteten Betonung der zeremoniellen Funktion der Monarchie hebt Parry ihre genuin politische Funktion hervor: Die Monarchie diente als Rechtfertigung der Parlamentsherrschaft. In Irland genoss die Krone im 19. Jahrhundert durchaus Sympathie auch bei Katholiken und erschien zeitweise sogar als Gegenmodell zum Unabhängigkeitsnationalismus. Das Medium Film eignet sich besonders, die Rolle der Monarchie für das Empire hervorzuheben. Vor allem die Reisen der Monarchen dienten zur Inszenierung der Vielfalt der Völker, die sich in der Loyalität gegenüber der Krone in idealer Weise vereinigten. Zeitlich behandelt die Mehrzahl der Aufsätze entweder das 19. Jahrhundert oder das 20. Jahrhundert. Eine Ausnahme macht Antony Taylor, der die Kontinuitäten des Republikanismus in Großbritannien von 1830 bis 1940 verfolgt und auf die enge Verbindung von Monarchie und Aristokratie im monarchiekritischen Diskurs hinweist. Ohne diese Periodisierungen überbewerten zu wollen, ist doch bemerkenswert, dass die deutlichste Kontinuität offenbar im republikanischen Denken und Argumentieren gesehen wird, also in den Ansichten einer Minderheit der Briten, die eine Abschaffung der Monarchie zumindest in Erwägung gezogen haben.
Clarissa Cambell-Orr spricht für das 19. Jahrhundert von einer Feminisierung der Monarchie. Während männliche Rollenvorstellungen, z.B. der König als Feldherr, an Bedeutung verloren, verkörperte Victoria Herrschertum und ein weibliches Mittelklassenideal. Für das 19. Jahrhundert stellt sich vor allem die Frage nach Macht und Einfluss der Monarchen. David M. Craig weist auf ein grundsätzliches Missverständnis in der Rezeption des berühmten Verfassungsjuristen Walter Bagehot hin. Bagehot votierte in Craigs Sichtweise keineswegs für ein Zusammenwirken von Monarch, Lords und Commons, sondern für ein parlamentarisches Regierungssystem, dem die Monarchie als Legitimitätsstifter dienen sollte. Demgegenüber beschäftigt sich Michael Bentley mit dem Hof als Machtzentrum. Seine Analyse vor allem der privaten Korrespondenz der Politiker und des höfischen Adels belegt eindrücklich den großen politischen Einfluss Victorias und - mit Abstrichen - auch ihres Sohnes Edward VII. Die Königin verlangte und erhielt durch die Minister ständig Informationen über sämtliche innen- wie außenpolitische Angelegenheiten. Für die Außenpolitik und die Beziehungen zu anderen monarchischen Staaten auf dem Kontinent fühlte sich die Queen in besonderer Weise zuständig. Und vor allem bei den Stellenbesetzungen der anglikanischen Kirche lässt sich ihre Rolle kaum überschätzen.
Im 20. Jahrhundert - so Philip Williamson - begann der Monarch öffentlich zu sprechen. Als Redenschreiber traten Sekretäre, aber auch Bischöfe und Politiker auf, die den Monarchen an jeweils aktuelle öffentliche Werte banden. In der Zwischenkriegszeit konnte das britische Königtum damit zum Symbol für eine demokratische und freiheitliche Verfassung werden, die sich grundsätzlich von den autoritären und diktatorischen Regimes auf dem Kontinent unterschied.
Insgesamt bestätigen die Beiträge eine Sichtweise, die Begriffe wie Familie, Empire, öffentliche Wohlfahrt und Zeremoniell in den Mittelpunkt der historischen wie der gegenwärtigen Rolle der Monarchie stellen. Für die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts lässt sich möglicherweise von einer "Rearistokratisierung" der Monarchie sprechen, in der die königliche Familie als Teil eines nichterwerbstätigen, auf dem Land lebenden hohen Adels gesehen wird. Phasen eher "bürgerlicher" Kontextualisierung (Queen Victoria als trauernde Witwe oder der Einsatz der Königlichen Familie in den beiden Weltkriegen) gingen allerdings voraus, und der Trend scheint kaum eindeutig. Die Bilanz des Herausgebers am Schluss des Bandes prognostiziert ein Weiterleben der britischen Monarchie trotz nachlassender Popularität, eine Tendenz, die sich in den Meinungsumfragen der letzten Jahre deutlich erkennen lässt. Wer den Gründen für diese Entwicklung in historischer Perspektive nachgehen will, sollte diesen Band lesen.
Monika Wienfort