Hubert Houben / Georg Vogeler (a cura di): Federico II nel Regno di Sicilia. Realtà locali e aspirazioni universali (= Quaderni del Centro di Studi Normanno-Svevi; 2), Bari: Mario Adda Editore 2008, 287 S., ISBN 978-88-808-2775-7, EUR 25,00
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Kaum einer der mittelalterlichen Herrscher übt eine ähnliche Faszination aus wie der Staufer Friedrich II. Um seine nicht unumstrittene Persönlichkeit, sei es als Herrscher oder als Mensch, hat sich ein Mythos gesponnen, der noch bis heute nachwirkt. [1] Die grundlegende zweibändige Biografie des Stuttgarter Historikers Wolfgang Stürner [2] nähert sich dem Wirken des Staufers jedoch vor allem aus der Perspektive des Herrschers, der ausgehend von seiner sizilischen Königswürde seine Macht um den deutschen Königstitel, das römische Kaisertum und das Königreich Jerusalem erweitern konnte, letztendlich aber mit seiner Auffassung von der Universalität der Kaiserherrschaft am Papsttum scheiterte. Da in der ideologischen Auseinandersetzung mit dem Papsttum neben der universellen Kaiseridee Friedrichs II. auch die Beunruhigung der Päpste über die konkrete Macht des Staufers, die ihm aus seinem deutschen und sizilischen Königreich erwuchs, zum Tragen kam, nahm sich eine vom 19. bis 20. Oktober 2007 in Barletta abgehaltene Tagung zum Anlass, seine Politik vor allem aus der sizilischen Sicht zu untersuchen. In der Konfrontation mit den lokalen Gegebenheiten auf Sizilien sollten die Herrschaftsaspirationen des Kaisers neu beurteilt werden. Die Beiträge dieser Tagung sind im vorliegenden Band zusammengefasst.
Mit der Forderung nach städtischer Autonomie und der Entwicklung der kommunalen Unabhängigkeit beschäftigen sich Giancarlo Andenna (Autonomie cittadine del Mezzogiorno dai Normanni alla morte di Federico II, 35-121) und Daniela Santoro (Federico II e la varietà delle dinamiche cittadine siciliane: alcuni esempi, 123-147). Der Beitrag Andennas, der im Gegensatz zu den anderen Aufsätzen in diesem Band fast monografischen Charakter einnimmt, analysiert die Städtepolitik der normannischen und staufischen Könige bis hin zum Tod Friedrichs II. Dabei distanziert er sich von dem verbreiteten Ansatz, bei dem die norditalienischen mit den süditalienischen Städten verglichen werden und stellt die Alterität der Städte des Mezzogiorno als administratives, politisches und soziales Zentrum in den Mittelpunkt. Insgesamt zielte die normannisch-staufische Politik - mit einigen Ausnahmen in der Zeit Tankreds von Lecce und in den Anfangsjahren Friedrichs II. - darauf ab, die Autonomie der süditalienischen Städte einzuschränken. Doch revidiert Andenna das Bild Friedrichs II. als eines grundsätzlich städtefeindlichen Herrschers. Denn der Staufer war durchaus bereit, die kommunale Unabhängigkeit und bürgerlichen libertates einzelner Städte zu fördern, soweit diese ihr Potenzial der zentralistischen Herrschaftsidee des Kaisers zur Verfügung stellten. Der Beitrag von Santoro greift hingegen die unterschiedliche Dynamik der Stadtentwicklung von Catania, Palermo und Messina heraus. Anhand der Gegenüberstellung der ganz verschiedenen Ausgangssituationen dieser Stadtzentren gelingt es Santoro zu zeigen, dass die kaiserliche Politik von Fall zu Fall mit einer gewissen Elastizität auf die lokalen Gegebenheiten reagierte und wie entscheidend dabei die Loyalität der Städte war. Letztere spielte auch bei der kaiserlichen Stadtgründung und der Besetzung der Erzpriesterwürde von Altamura eine entscheidende Rolle, wie Cristina Andenna ("De mandato Frederici Imperatoris". L'origine e il popolamento di Altamura nel XIII secolo, 149-172) herausarbeitet.
Das Zusammenspiel von lokalen Interessen und universeller Herrschaftskonzeption im Bereich der kirchlichen Institutionen untersuchen Hubert Houben (I vescovi e l'imperatore, 173-188) und Francesco Panarelli (Il mondo monastico e Federico II: il caso di Montevergine, 189-220). Ausgehend von den grundlegenden Forschungen Norbert Kamps kehrt Houben in seinem klar strukturierten Beitrag nun den Blickwinkel um und betrachtet das Verhältnis zwischen den sizilischen Bischöfen und Friedrich II. von "unten", wobei er besonders auf den Fall des Bischofs Alduin von Cefalù eingeht. Insgesamt zieht er das Fazit, dass für die Bischöfe vor allem - abgesehen von einigen Ausnahmen - die lokalen Interessen ihrer Diözesen und nicht der Konflikt des Staufers mit dem Papsttum im Vordergrund stand. Für die Benediktinerabtei S. Maria di Montevergine in Irpinia, die über eine besonders reiche Dokumentation verfügt, kann Panarelli nachweisen, dass die Äbte in geschickter Weise mit dem königlichen Hof interagierten und dadurch ihrem Kloster über Jahrzehnte eine gewisse Handlungsautonomie vor päpstlichen wie kaiserlichen Eingriffen wahren konnten.
Die letzten beiden Beiträge sind dem Verwaltungsapparat des Staufers gewidmet. Christian Friedl, der die "Karrieren" der Amtsträger Friedrichs II. (221-230) analysiert, folgt der Burckhardt'schen These vom "Beamten-Staat" Friedrichs II. für den Bereich des Finanz- und Steuerwesens, da sich dort eine gewisse personelle Kontinuität beim Dynastiewechsel von den Staufern zu den Anjou feststellen lässt. Das effiziente Steuersystem Friedrichs II., das mit seinen direkten und indirekten Steuern sowie den Einnahmen aus den Staatsmonopolen auf normannischem Vorbild beruhte, trug zur Verwirklichung der universellen Kaiseridee des Staufers bei, wie Kristjan Toomaspoeg (231-247) überzeugend darlegt. Aus der lokalen Sichtweise bedeutete dieses rigorose Steuerwesen jedoch, dass die sizilische Bevölkerung nicht nur unter der immensen Steuerlast, sondern auch unter der Korruption der königlichen Steuereintreiber zu leiden hatte und diese Missstände für den Ausbruch der Sizilischen Vesper von 1282 mitverantwortlich waren.
Die Herrschaft Friedrichs II. auf Sizilien wird im vorliegenden Tagungsband aus sehr originellen Blickwinkeln beleuchtet, wie etwa auch der einführende Beitrag von Georg Vogeler (19-33) belegt, der dem Verhältnis von Rechtsinhalt und symbolischer Rezeption der kaiserlichen Urkunden auf die Spur geht. Etwas geschmälert wird der Gesamteindruck jedoch durch einige formale Mängel. Flüchtigkeitsfehler, Ungenauigkeiten oder Fehler bei der Namensschreibung - so beispielsweise im Fall von Riccardo di Acerenza (217f., 271) und Guglielmo Francisio (201f., 270) - sowie uneinheitliche Zitierweisen in den Fußnoten weisen leider auf ein flüchtiges Lektorat hin. Die deutschen Zusammenfassungen der einzelnen Beiträge im Anhang, eine an sich sehr schöne Idee, sind sprachlich nicht immer ganz geglückt. Davon abgesehen gibt diese Publikation der Forschung zu Friedrich II. nicht nur in methodischer Hinsicht wichtige Impulse.
Anmerkungen:
[1] Vgl. dazu jüngst Hubert Houben: Kaiser Friedrich II. (1194-1250). Herrscher, Mensch und Mythos, Stuttgart 2008.
[2] Wolfgang Stürner: Friedrich II., Teil 1: Die Königsherrschaft in Sizilien und Deutschland 1194-1220, Darmstadt 1992, Teil 2: Der Kaiser 1220-1250, Darmstadt 2000.
Julia Becker