Rezension über:

Ditlev Tamm (Hg.): Repertorium der Policeyordnungen der Frühen Neuzeit. Band 9: Danmark og Slesvig-Holsten. Dänemark und Schleswig-Holstein (= Studien zur europäischen Rechtsgeschichte; Bd. 239), Frankfurt/M.: Vittorio Klostermann 2008, 2 Bde., XV + 1271 S., ISBN 978-3-465-04063-7, EUR 199,00
Buch im KVK suchen

Rezension von:
Sebastian Olden-Jørgensen
Saxo-Instituttet, Københavns Universitet, Kopenhagen
Redaktionelle Betreuung:
Julia A. Schmidt-Funke
Empfohlene Zitierweise:
Sebastian Olden-Jørgensen: Rezension von: Ditlev Tamm (Hg.): Repertorium der Policeyordnungen der Frühen Neuzeit. Band 9: Danmark og Slesvig-Holsten. Dänemark und Schleswig-Holstein, Frankfurt/M.: Vittorio Klostermann 2008, in: sehepunkte 9 (2009), Nr. 9 [15.09.2009], URL: https://www.sehepunkte.de
/2009/09/15306.html


Bitte geben Sie beim Zitieren dieser Rezension die exakte URL und das Datum Ihres Besuchs dieser Online-Adresse an.

Ditlev Tamm (Hg.): Repertorium der Policeyordnungen der Frühen Neuzeit

Textgröße: A A A

Über die geschichtliche Bedeutung der frühneuzeitlichen Policeyordnungen, über das interdisziplinäre Interesse an ihnen sowie über den Nutzen von umfassenden, systematisch gleichartig gegliederten Repertorien dieses fast überwältigenden Stoffes lässt sich wohl kaum streiten. Frühere Bände dieser Reihe haben denn auch positive Rezensionen gefunden. [1] Da die Konzeption der Ausgabe also schon zweimal vorgestellt ist, wird hier auf eine nochmalige Präsentation verzichtet. Stattdessen sollen einige Probleme besonders des dänischen Teils angesprochen werden.

Vorangestellt seien aber ein paar konkrete Auskünfte: Das Repertorium umfasst in zwei Halbbänden auf insgesamt 1271 Seiten die Policeygesetze Dänemarks, insgesamt 3297 Stück aus den Jahren 1536 (der Reformation) bis 1801 (dem Eintritt in die Revolutionskriege), die Policeygesetze Schleswig-Holsteins, insgesamt 2758 Stück aus den Jahren 1470-1806, die Policeygesetze Holstein-Gottorfs 1544-1773, insgesamt 517 Stück, und die Policeygesetze Holstein-Sonderburg-Plöns 1729-1761, insgesamt 84 Stück. Das Vorwort des ganzen Bandes wurde auf Dänisch und Deutsch erstellt, während die besondere Einleitung zum dänischen Teil nur dänisch und die Einleitung zum schleswig-holsteinischen Teil nur auf Deutsch dargeboten wird. Das systematische Sachregister ist dänisch-deutsch und umfasst den gesamten Band, während das alphabetische Stichwortregister geteilt ist: auf Dänisch für die das Königreich Dänemark umfassenden Gesetze, auf Deutsch für die Schleswig-Holstein betreffenden Gesetze.

Bezüglich der verantwortlichen Herausgeber des dänischen Teils besteht etwas Unklarheit. Im Inhaltsverzeichnis erscheinen die Namen Ditlev Tamm und Arne Sode-Pedersen. DDr. Ditlev Tamm ist Ordinarius für Rechtsgeschichte an der Universität Kopenhagen, aber einen Herrn Arne Sode-Pedersen gibt es (in der akademischen Welt) einfach nicht. Im Vorwort wird er abwechselnd auch Anders Sode Petersen genannt. Die Wahrheit liegt in der Mitte, denn der Archivar am dänischen Reicharchiv, der 1996-97 als studentischer Mitarbeiter die Arbeit leistete, heißt Anders Sode-Pedersen. Der Eindruck einer gewissen Eile bei der Fertigstellung des dänischen Teils verfestigt sich auch beim Lesen des dänischen Vorwortes. Es ist ziemlich kurz und knapp und lässt mehrere Fragen offen. Warum werden z.B. dänische Policeygesetze vor der Reformation (1536) nicht berücksichtigt? Sie sind größtenteils vorbildlich ediert (in den beiden Bänden Den danske rigslovgivning 1397-1513, Kopenhagen 1989, und Den danske rigslovgivning 1513-23, Kopenhagen 1991, der dritte Band bis 1536 steht noch aus, aber ältere Ausgaben schließen die Lücke). Ein anderes Problem betrifft den Zeitraum 1660-1801, wo man ständig auf den Quellennachweis "FS" stößt. Aus dem Quellen- und Literaturverzeichnis lässt sich schließen, dass es sich um eine nach Jahren geordnete Sammlung von gedruckten Verordnungen handeln muss, die sich anscheinend im Reichsarchiv und in der Königlichen Bibliothek Kopenhagen befindet. Das Archiv und die Bibliothek liegen in der Kopenhagener Innenstadt zwar nur 100 Meter auseinander, einen Hinweis auf den genauen Standort der (einen?) Sammlung sowie eine Signatur wären aber essentiell nützlich gewesen. Für Leute, die sich schon im Quellenmaterial und in der Literatur auskennen, wird dies zwar wahrscheinlich wenig bedeuten, aber Editionen und Repertorien werden ja auch deshalb gemacht, um nicht-Profis den Einstieg zu erleichtern.

Zu den entsprechenden holsteinischen Teilen des Repertoriums von Wolfgang Wagner (nach dessen Tod 2002 von Karl Härter abgeschlossen) lässt sich nur sagen, dass die Einleitung allen Anforderungen genüge tut.

Es ist sehr zu begrüßen, dass die gemeinsame Edition der dänischen und schleswig-holsteinischen Policeygesetze einen Vergleich nahe legt. Ein Blick ins systematische Register wirft aber viele Fragen auf, die hier nur angedeutet, nicht gelöst werden können. In der Gruppe 2.4 "Policey der Verwaltung und Justiz", Abteilung "Amtsführung/Amtsmissbrauch" befinden sich ganze fünf dänische Gesetze, während sich die entsprechende Zahl der schleswig-holsteinischen Gesetze auf mehreren Hundert beläuft. Entsprechendes gilt für die Abteilungen "Gerichtsorganisation" (überhaupt keine dänischen Gesetze, aber 81 schleswig-holsteinische), "Forderungsvollstreckung", "Behördenzug", "Verfahren", "Zuständigkeiten" und "Strafvollstreckung". Daraus zu schließen, dass Ämtermissbrauch und Korruption erst an der (damaligen) Grenze zu Schleswig-Holstein begannen, wäre für einen dänischen Rezensenten vielleicht naheliegend, aber gewiss vorschnell. Stattdessen muss man annehmen, dass die Sichtung des dänischen Materials nicht auf allen Gebieten nach den gemeinsamen Maßstäben erfolgt ist. Dies wird auch durch eine kleine Stichprobe bestätigt: Am 18. Januar 1660 erging ein Befehl an Bischof Hans Svane von Seeland, dass der 11. Februar hiernach jährlich als Feiertag anlässlich des glücklich überstandenen schwedischen Sturmes auf Kopenhagen am 11. Februar 1659 gefeiert werden sollte. Dieser Befehl ist auf Seite 121 erfasst, doch weder die Wiederholung und Einschärfung des Befehls im folgenden Jahr (9. Januar 1661, Befehl an alle Bischöfe des Landes) noch die Abschaffung des Festes am 17. Oktober 1766 sind aufgenommen. Der Benutzer des Repertoriums muss also mit einer gewissen 'Dunkelziffer' rechnen und in allen Fällen auch auf die bewährten, gedruckten Sammlungen des 18. und 19. Jahrhunderts zurückgreifen. Der Schleswig und Holstein umfassende Teil des Repertoriums scheint nicht im selben Ausmaß ergänzungsbedürftig zu sein.

Abschließend lässt sich sagen, dass man trotz der angeführten Schwächen dankbar sein muss für diese groß angelegte Repertorien-Reihe, nicht nur weil sie einen schnellen, wenn auch unvollkommenen Überblick ermöglicht, sondern auch weil sich beim Benutzen der Bände geradezu von selbst ein besseres Verständnis für die Breite, das Wachstum und die regionalen Unterschiede policeylicher Normsetzung einstellt.


Anmerkung:

[1] So z.B. in früheren Ausgaben der sehepunkte. Vgl. Peter Oestmann: Rezension von: Karl Härter / Michael Stolleis (Hgg.): Repertorium der Policeyordnungen der Frühen Neuzeit. Band 4: Baden und Württemberg, hrsg. v. Achim Landwehr / Thomas Simon, Frankfurt /M.: Vittorio Klostermann 2001, in: sehepunkte 2 (2002), Nr. 9 [15.09.2002], URL: http://www.sehepunkte.de/2002/09/3573.html; Josef Pauser: Die 'gute' Policey in der Frühen Neuzeit (Rezension), in: sehepunkte 4 (2004), Nr. 12 [15.12.2004], URL: http://www.sehepunkte.de/2004/12/7472.html

Sebastian Olden-Jørgensen