Rezension über:

Cordula Bischoff / Anne Hennings (Hgg.): Goldener Drache - Weißer Adler. Kunst im Dienste der Macht am Kaiserhof von China und am sächsisch-polnischen Hof (1644-1795), München: Hirmer 2008, 611 S., ISBN 978-3-7774-4505-2, EUR 49,90
Inhaltsverzeichnis dieses Buches
Buch im KVK suchen

Rezension von:
Susan Richter
Exzellenzcluster "Europe and Asia", Ruprecht-Karls-Universität, Heidelberg
Redaktionelle Betreuung:
Julia A. Schmidt-Funke
Empfohlene Zitierweise:
Susan Richter: Rezension von: Cordula Bischoff / Anne Hennings (Hgg.): Goldener Drache - Weißer Adler. Kunst im Dienste der Macht am Kaiserhof von China und am sächsisch-polnischen Hof (1644-1795), München: Hirmer 2008, in: sehepunkte 9 (2009), Nr. 11 [15.11.2009], URL: https://www.sehepunkte.de
/2009/11/14860.html


Bitte geben Sie beim Zitieren dieser Rezension die exakte URL und das Datum Ihres Besuchs dieser Online-Adresse an.

Andere Journale:

Diese Rezension erscheint auch in KUNSTFORM.

Cordula Bischoff / Anne Hennings (Hgg.): Goldener Drache - Weißer Adler

Textgröße: A A A

Europa hat nach Wolfgang Reinhard den Staat erfunden und damit auch den Weg seiner Entstehung bzw. die dazugehörigen Strukturen von Herrschaftsausübung analysiert. Teil dieses europäischen Forschungskonzepts sind die beanspruchte personenzentrierte Herrschaftsausübung und die damit verbundenen Mittel der Repräsentation durch den Einsatz von Kunst und Architektur, der Förderung von Wissenschaft, der Finanzierung von aufwendigen Festen und der herrscherlichen Selbstdarstellung durch Zeremonielle oder religiöse Rituale. Diese Formen der Repräsentation stellen die Herausgeberinnen mit Sachsen und ihrem erfolgreichen Kurfürsten und polnischem König August dem Starken im ausgehenden 17. und 18. Jahrhundert in den Mittelpunkt der Ausstellung und des Begleitbandes "Goldener Drache - Weißer Adler".

Daneben steht die Hofkultur der Qing-Kaiser im selben Zeitraum in Peking. Ohne theoretische und methodische Reflexion der Übertragbarkeit des europäischen Konzepts auf das chinesische Kaisertum wird es in Katalog und Ausstellung dennoch einfach übertragen und von einem offenbar universalen Muster monarchischer Machtkonfiguration und Repräsentation ausgegangen. Im Ergebnis liegt ein Katalog mit einem vollkommen untypischen, spannenden aber hinsichtlich der genannten pauschalen Übertragbarkeit politischer Begriffe und repräsentativer Normen auch gewagten bzw. ambivalenten Konzept zugrunde: Ein Handbuch, das alphabetisch geordnet, Lemmata aus Regierung und Hofhaltung aus der europäischen, insbesondere sächsisch-polnischen und der chinesischen Perspektive nebeneinanderstellt, jedoch nicht miteinander vergleicht.

Dabei finden sich Begriffe mit einer jeweiligen Entsprechung, andere bleiben singulär. Deutlich wird dies am Terminus des "Absolutismus" (12-13), ein in der Forschung der letzten Jahre stark umstrittenes europäisches Konzept, für das es offenbar kein chinesisches Pendant gibt. Dies bemerkt der Leser aber nur dadurch, dass dieser Begriff ausschließlich im europäischen Kontext vorgestellt wird, für die chinesische Seite jedoch eine Leerstelle bleibt. Was also steht dem Absolutismus in Sachsen für ein Herrschaftssystem im Reich der Mitte gegenüber? Es gibt keine Antwort. Sie hätte wohl in einer Analyse der europäischen Vorstellung von "despotisme éclairé" und "orientalischer Despotie" in China im 17. und 18. Jahrhundert mit dem tatsächlichen zeitgenössischen Staatskonzept der Chinesen und in einem Vergleich zu den wesentlichen Strukturen des europäischen Absolutismus bestehen können.

Das Handbuch zielt darauf, seinen Lesern zu vermitteln, dass es sich in China um eine Monarchie handelte, die ebenso wie die europäischen Herrscher auf symbolische Formen der Herrschaftsausübung und -darstellung Wert legten. So standen dem sächsischen Kurfürsten und polnischen König ebenso wie dem chinesischen Kaiser ein Thron zur Verfügung, der als erhöhtes Sitzmöbel in beiden Kulturen den Rang und die Macht des Monarchen betonte. Der Begriff des "Throns" und seine Bedeutung für die juristische und sakrale Autorität des Herrschers werden aus beiden kulturellen Perspektiven vorgestellt (512-517). Ein wirklicher Vergleich oder Querverweise fehlen jedoch erneut. Doch wirft gerade die Gegenüberstellung des Katalogs die Frage nach der Kompatibilität von Methoden und Inhalten der "neuen Kulturgeschichte des Politischen" (Barbara Stollberg-Rilinger) zu außereuropäischen Konzepten ritualisierter Souveränität auf und regt möglicherweise damit weiterführende Forschungen an. Ein wichtiges Ergebnis des Handbuches ist ohne Zweifel: Gerade wegen der fehlenden theoretischen Reflexionen und der eurozentristischen Zusammenstellung ist das Handbuch eine Aufforderung, sich künftig stärker mit der interkulturellen Übertragbarkeit von Begriffen und Konzepten hinsichtlich von politischen Verfahren (Johannes Kunisch) und symbolischen Praktiken der Herrschaftsausübung auseinanderzusetzen.

Wenn auch in dem Handbuch die Ergebnisse der Asien- und Europawissenschaften nebeneinander stehen, so liegt dennoch ein fundiertes Werk vor, das dem Leser anhand der Schlagworte oder Lemmata ermöglicht, schnell und gezielt erste Informationen zur asiatischen und europäischen monarchischen Herrschaftsausübung sowie zur zeitgenössischen Kenntnis der Chinesen und Europäer über die jeweilige andere Kultur zu erlangen. Die Ausstellungskuratorinnen und Herausgeberinnen Cordula Bischoff und Anne Hennings haben ein nutzerfreundliches Buch konzipiert, das erstmals zwei Hofkulturen unterschiedlicher Kontinente mit einzigartigen Exponaten und einer sachkundigen Beschreibung einander gegenüberstellt und gerade deshalb von Laien ebenso wie von der Forschung noch lange Beachtung finden wird.

Susan Richter