Karl Brunner: Leopold, der Heilige. Ein Portrait aus dem Frühling des Mittelalters, Wien: Böhlau 2009, 253 S., ISBN 978-3-205-78351-0, EUR 24,90
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Wer war Leopold der Heilige? Diese Frage wird durch einen Blick in das Lexikon des Mittelalters rasch beantwortet: Der Babenberger war von 1095/1096 bis zu seinem Tod 1136 Markgraf von Österreich, hatte sich im Konflikt zwischen Heinrich IV. und Heinrich V. 1105 auf die Seite des aufständischen Kaisersohnes gestellt, das Augustiner-Chorherrenstift Klosterneuburg sowie das Zisterzienserkloster Heiligenkreuz eingerichtet und erwartungsgemäß die herrschaftliche Durchdringung des eigenen, im Entstehen befindlichen Territoriums vorangetrieben. Aus der mit Agnes, Tochter Heinrichs IV. und Witwe Friedrichs von Schwaben, geschlossenen Ehe ging eine beachtliche Kinderschar hervor, unter anderen Konrad und Otto, von denen der eine Erzbischof von Salzburg, der andere Bischof von Freising und Geschichtsschreiber werden sollte, sowie die späteren Herzöge Heinrich und Leopold. Die Habsburger nahmen sich schließlich des in Leopolds Grablege Klosterneuburg entwickelten Bildes vom frommen und gerechten Herrscher an, so dass der Markgraf 1485 heiliggesprochen und 1663 gar Patron von (Nieder-)Österreich wurde.[1]
Die Wirkungsgeschichte des im 12. Jahrhundert von den Klosterneuburger Chorherren entworfenen Leopoldbildes bietet allem Anschein nach mehr Stoff als das tatsächliche und gewissermaßen in unspektakulären Bahnen verlaufene Leben des Markgrafen. Dennoch hat der Wiener Historiker Karl Brunner sich ausdrücklich entschlossen, eine Biographie des Babenbergers vorzulegen, wohlwissend, dass ein derartiges Unternehmen aus den hinreichend bekannten Gründen sehr schnell an seine Grenzen stößt. Brunner hat daher die wenigen bekannten Fakten aus Leopolds Leben zum roten Faden einer übergreifenden Darstellung gemacht, die letztlich in eine Art Österreichpanorama in spätsalisch-frühstaufischer Zeit mündet.
Das Werk ist in drei große Abschnitte gegliedert: "Ein Versuch über die Anfänge" (25-104) und "Das Weiterleben Leopolds, des Heiligen" (193-216) rahmen ein Kapitel, in dem es unter der ebenso originellen wie illustrativen Überschrift "Das zweite Leben des Leopold B." (105-191) um die Jahre des Babenbergers als Markgraf geht. Innerhalb dieser Abschnitte kommen dann ganz unterschiedliche Gegenstände zur Sprache, die sich teils auf die Faktengeschichte, teils auf strukturelle Zusammenhänge und teils auf quellenkundliche, literarhistorische sowie geistesgeschichtliche Gesichtspunkte erstrecken. Stichworte wie Reichtum, Ritterschaft, Kirchenorganisation, Adel, Ministerialität, Wirtschaft, Territorium, Dichtung, Traditionsbücher und Kuenriger umreißen die Spannbreite des ausgebreiteten Stoffes, zu dem noch Bemerkungen zu geistlichen Einrichtungen und zu Otto von Freising, Abaelard sowie Gerhoch von Reichersberg treten. Der "Anhang" (217-251) enthält hauptsächlich ein Quellen- und Literaturverzeichnis, eine Zeittafel und das Register.
Dem Fachmann wird indes nur wenig Neues geboten, und der interessierte Laie mag sich sowohl durch den bisweilen hochgestimmten Ton als auch durch die eine oder andere persönliche Formulierung angesprochen fühlen. In diesem Zusammenhang gelingt es Brunner immerhin, seine Ausführungen gerade durch die oft zitierten (und übersetzten) Autoren und Werke - zu nennen sind neben anderen Walther von der Vogelweide, Chrétien de Troyes, Ruodlieb, König Rother, Wiener Genesis, Ezzolied, Annolied und Frau Ava - recht stimmungsvoll zu begleiten.
Die Anmerkungen beschränken sich hauptsächlich auf die angeführten Quellen, zumal es nach Brunners Worten gerade bei seinem Gegenstand "leicht" sei, weitere Literatur und Quellenausgaben zu ermitteln (219). Brunner scheint jedoch zum Teil ein Opfer der eigenen Nachweispraxis geworden zu sein, denn wenigstens zwei Beiträge, die nicht ganz unwichtigen Einzelfragen gewidmet sind, hätten verarbeitet und daher auch im Literaturverzeichnis nachgewiesen werden müssen: Schon 1995 hat Ludwig Vones wahrscheinlich gemacht, dass Leopold III. bei der Königswahl von 1125 immerhin der Kandidat des Erzbischofs Adalbert von Mainz gewesen sein dürfte, und 2004 hat Tobias Weller gutbegründet herausgestellt, dass der Markgraf vor der Ehe mit der Kaisertochter Agnes gar nicht verheiratet war und der Sohn Adalbert eben dieser Verbindung mit der Salierin entstammt.[2]
Das mit einem Lesebändchen, schönen Abbildungen und Tafeln versehene Werk ziert jedes Bücherregal, führt die Forschung allerdings nicht recht weiter. Das war aber vermutlich auch gar nicht Brunners Absicht, wenngleich er sich über den von ihm angepeilten Leserkreis an keiner Stelle geäußert hat.
Anmerkungen:
[1] H. Dienst: Leopold III., in: Lexikon des Mittelalters 5, München 1991, Sp. 1899.
[2] Ludwig Vones: Der gescheiterte Königsmacher. Erzbischof Adalbert I. von Mainz und die Wahl von 1125, in: HJb 115 (1995), S. 85-124; Tobias Weller: Die Heiratspolitik des deutschen Hochadels im 12. Jahrhundert (Rheinisches Archiv 149), Köln / Weimar / Wien 2004, S. 336-343.
Bernd Schütte