Nathalie Kruppa / Leszek Zygner (Hgg.): Partikularsynoden im späten Mittelalter (= Veröffentlichungen des Max-Planck-Instituts für Geschichte; Bd. 219), Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 2006, 402 S., 3 Karten, ISBN 978-3-525-35873-3, EUR 56,90
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Nathalie Kruppa / Jürgen Wilke (Bearb.): Das Bistum Hildesheim. Die Hildesheimer Bischöfe von 1221 bis 1398, Berlin: De Gruyter 2006
"Trotz der bedeutenden Rolle der Synode für die Kirche - und auch ihre Reformen - [ist] die Gesamtzahl aller Provinzial- und Diözesansynoden nicht bekannt" (Vorwort, 7), geschweige denn, dass ihr zentraler Quellenbestand, die Synodalstatuten, bislang kritisch aufgearbeitet worden wäre. Die Erforschung der Partikularsynoden befindet sich in der Tat erst an ihrem Beginn, was ganz besonders für die Kirche des Reiches und der angrenzenden Gebiete Mittelosteuropas gilt. Diese Vernachlässigung dürfte wohl auch damit zu tun haben, dass es aufgrund der gegenüber den Kerngebieten der lateinischen Kirche in Süd- und Westeuropa erst relativ spät einsetzenden Christianisierung Nord- und Mittelosteuropas dort deutliche Entwicklungsrückstände im synodalen kirchlichen Leben gegeben hat. Eine verstärkte Beschäftigung mit den Partikularsynoden erscheint jedoch um so dringlicher, als diese eine bedeutende Rolle in der Geschichte der mittelalterlichen Kirche gespielt haben und die Kirche selbst "einer der dominant einheitsstiftenden Faktoren der europäischen Geschichte" im Mittelalter gewesen ist (vgl. Johannes Helmrath, "Partikularsynoden und Synodalstatuten des späteren Mittelalters im europäischen Vergleich", in: Annuarium Historiae Conciliorum 34 (2002), 57-99; vielfach zitiert in dem rezensierten Band).
Einen wichtigen Schritt zur Erforschung des synodalen Lebens will nun der vorliegende Band leisten, dessen Beiträge auf die Tagung "Partikularsynoden im Spätmittelalter. Deutschland, Polen und Tschechien im Vergleich" des Göttinger Max-Planck-Instituts für Geschichte vom Oktober 2004 zurückgehen. Eingeleitet wird der Band mit einem grundlegenden Aufsatz von Peter Johanek ("Synodaltätigkeit im spätmittelalterlichen Reich", 29-53), der sich zunächst dem Begriff der 'Partikularsynoden' zuwendet. Dabei weist er zu Recht auf den fundamentalen Unterschied zwischen einer Provinzial- und einer Diözesansynode in puncto Kollegialität, Beschlussfassung und Rechtsetzung hin. Weiter beleuchtet er die Rolle des IV. Laterankonzils für die Entwicklung des Synodalwesens, welches im Zuge der Vereinheitlichung des kirchlichen Rechts und dessen Durchsetzung in allen Gliedern der Kirche eine zentrale Funktion zugewiesen bekam. Nicht zufällig nahm die Zahl der Partikularsynoden nach 1215 sichtbar zu. Nach diesen Ausführungen fragt der Leser sich indes verwundert, warum Johaneks Habilitationsschrift "Synodalia. Untersuchungen zur Statutengesetzgebung in den Kirchenprovinzen Mainz und Salzburg während des Spätmittelalters" von 1978/79 nicht längst im Druck erschienen ist, wenn doch von ihm und anderen Autoren des Bandes immer wieder darauf verwiesen wird.
Die übrigen Beiträge des Bandes lassen sich grob in vier Gruppen einteilen: Die Mehrzahl beschreibt die Synodaltätigkeit in bestimmten Regionen, in Kirchenprovinzen oder einzelnen Diözesen (Helmut Flachenecker, "Das beständige Bemühen um Reform. Zu Synoden und Synodalstatuten in den fränkischen Bistümern des 14./15. Jahrhunderts", 55-75; Stephan Haering, "Mittelalterliche Partikularsynoden in Baiern. Ein Überblick zum Raum der Bistümer Chiemsee, Freising, Passau und Regensburg", 77-97; Stanislaw Tymosz, "Gnesener Provinzial- und Diözesansynoden im 14. und 15. Jahrhundert", 177-198; Wojciech Mrozowicz, "Breslauer Synoden des Mittelalters und ihre Widerspiegelung in den Quellen", 275-287; Zdenka Hledíková, "Synoden in der Diözese Prag 1280-1417", 307-329; Pavel Krafl, "Middle Age synods and statutes of the Diocese of Olomouc", 351-361). Dabei werden insbesondere auch die vielfältigen Wechselbeziehungen zwischen weltlicher und kirchlicher Macht angesprochen, die mancherorts erst synodale Aktivitäten auf der Ebene der Kirchenprovinzen ermöglichten (oder auch verhinderten), da deren Grenzen sich nur selten mit denen der weltlichen Territorien deckten. Andere Beiträge befassen sich mit Bistümern, die aus dem üblichen Rahmen aufgrund ihrer besonderen rechtlichen Verhältnisse herausfallen (Peter Wiegand, "Synodale Statutengesetzgebung im exemten Bistum. Die Diözesen Kammin und Meißen in der partikularkirchlichen Rechtslandschaft des späten Mittelalters", 121-155; Andrzej Radzimiński, "Synodalstatuen im Deutschordensland Preußen", 157-176). Eine dritte Gruppe von Aufsätzen beschäftigt sich bei veränderter Schwerpunktsetzung mit bestimmten Einzelpersonen, die in ihrer Amtsführung als Bischof der Synodaltätigkeit besonderen Nachdruck verliehen bzw. einen hervorragenden Stellenwert eingeräumt haben (Leszek Zygner, "Die polnischen Bischöfe und Juristen: Peter Wysz, Jakob aus Kurdwanów, Andreas Laskarii und ihre Synodaltätigkeit in den Diözesen Krakau, Płock und Posen", 239-273; Ivan Hlaváček, "Kodikologisch-bibliotheksgeschichtliche Bemerkungen zu den Provinzialstatuten Ernsts von Pardubitz von 1349", 331-350).
Die übrigen Aufsätze, die sich nur schwer unter einem Leitbegriff zusammenfassen lassen, befassen sich mit verschiedenen Teilaspekten des Synodalwesens. Stefanie Unger ("Der Niederklerus im Spiegel der erzbischöflichen Statutengesetzgebung von Köln und Mainz", 99-120) und Krzysztof Ożóg ("Kleine Pastoralkompendien in den spätmittelalterlichen Synodalstatuten Polens", 215-237) lenken das Augenmerk auf den Niederklerus und zeichnen nach, wie sich Probleme an der Kirchenbasis auch auf die Themenwahl der Synoden und deren Gesetzgebung ausgewirkt haben. Thomas Wünsch ("Partikularsynoden als Normierungsinstanzen am Vorabend der Reformation. Beispiele aus Böhmen-Mähren, Schlesien und Polen", 289-306) untersucht die synodalen Anstrengungen in einer sich abzeichnenden Umbruchsphase, während Blanka Zilynská ("Synoden im utraquistischen Böhmen 1418-1531", 377-386) die gewandelte Funktion synodaler Praxis unter dem Vorzeichen einer neuen Konfession beschreibt und die sich damit stellenden Probleme diskutiert.
Trotz der breiten Palette der Aspekte, die von den einzelnen Beiträgen abgedeckt werden, konnten einige Themen zwangsläufig noch kaum berührt werden. Insbesondere bleiben die päpstlichen Legatensynoden, die für die Vereinheitlichung des kirchlichen Rechts von überaus großer Bedeutung gewesen sind, ausgespart. Der von der Mitherausgeberin Nathalie Kruppa in ihrer "Einführung" (11-27) angesprochene Rahmen der Synoden - bekanntlich waren sie auch liturgische Feiern (ebd. 19f.) - wird nicht weiter aufgegriffen. Ebenso wird der Bedeutung der Synodalpredigten, in denen das Programm der Zusammenkunft entwickelt bzw. vorgegeben wurde, nur in einem einzigen Beitrag nachgegangen (Maria Blahova, "Milíč von Kroměříž und seine Synodalpredigten", 363-376).
Da es sich jedoch bei dem besprochenen Band um einen ersten und vorläufigen Versuch handelt, ein bestehendes Forschungsdesiderat aufzuarbeiten, leuchtet es ein, dass manche Frage vorläufig noch offen bleiben muss, z.B. auch die, warum die Zahl der Synoden im späten 13. Jahrhundert so deutlich abnimmt.
In der Vielfalt ihrer inhaltlichen und methodischen Zugriffe gelingt es den Autoren der hier versammelten Beiträge mehr als nur einen ersten Überblick über die Synodaltätigkeit im spätmittelalterlichen Reich und dessen östlichen Nachbarn zu zeichnen. Sie machen zugleich die Unterschiede in den strukturellen Voraussetzungen synodaler Arbeit zwischen den einzelnen Regionen, Provinzen und Bistümern deutlich, die wiederum Rückschlüsse auf die Art, die Häufigkeit und die Themenstellung der dort stattgefundenen Synoden zulassen. Auch wenn die vielfach bedauerte Erschließung des Quellenbestands zur Zeit noch in den Kinderschuhen steckt, so ermöglichen die Ergebnisse des Bandes bereits einen ersten Vergleich mit der Entwicklung der partikularen Synoden in West- und Südeuropa und lassen damit ein plastischeres Bild der spätmittelalterlichen Kirche entstehen. In den Augen des Rezensenten besteht kein Zweifel daran, dass dieser Band zu einer weiteren Erforschung der Partikularsynoden anregen kann. Man kann ihm nur viele Leser wünschen.
Ansgar Frenken