Susanne Helene Betz: Von Innerösterreich in die Toskana. Erzherzogin Maria Magdalena und ihre Heirat mit Cosimo de' Medici (= Beiträge zur Neueren Geschichte Österreichs; Bd. 25), Frankfurt a.M. [u.a.]: Peter Lang 2008, 329 S., ISBN 978-3-631-53406-9, EUR 56,50
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Wer sich mit Biografien hochrangiger Aristokratinnen in der Frühen Neuzeit beschäftigte, sah sich lange auf nur wenige Titel oder romantisierende Literatur verwiesen. Das insbesondere seit den 1980er Jahren seitens der historischen Disziplinen erstarkte Interesse für die höfische Kultur im 'alten' Europa beförderte zwar neue Perspektiven auf dieses System sozialer Ordnung. Dennoch stellten die Fürstinnen weiterhin eine Herausforderung dar, da in der Regel die agnatische, das heißt die durch Ehe und patrilineare Vererbung strukturierte Genealogie der Dynastien, wiedergegeben wird. Daher findet man die jeweiligen 'Damen des Hauses' häufig in den Biografien ihrer Väter, Ehemänner oder Brüder. Dabei gäbe es ein erhebliches, häufig vernachlässigtes Quellenmaterial, um diese Forschungslücken zu schließen, wie es Susanne Helene Betz für ihre Untersuchung über die Heirat der Habsburgerin Maria Magdalena von Österreich (1587-1631) mit Cosimo II. de' Medici (1590-1621) auswertete.
Im Zentrum ihrer Studie stehen zwei Quellen: Der kommentierte Entwurf für den Ehevertrag von 1608 (Haus-, Hof- und Staatsarchiv Wien) sowie ein anonymer Bericht der Brautreise von Graz nach Florenz, einschließlich einer Beschreibung der Hochzeitsfeierlichkeiten (Familienarchiv Harrach, Österreichisches Staatsarchiv). In der Einleitung (19-44) bespricht Betz die grundlegende Forschungsliteratur über den Fürstenhof und nimmt zugleich eine methodologische Einordnung der wichtigsten Positionen vor, die sich in ihrer Gesamtheit vom Pionier auf dem Gebiet - Norbert Elias - abzusetzen hatten. Dafür folgt die Autorin im Wesentlichen der systematischen Übersicht von Volker Bauer [1], ohne sich selbst festzulegen. Erst im Verlauf der Lektüre wird deutlich, dass sie das Methodenspektrum selbstständig zu nutzen weiß. Insgesamt erscheinen Zeremoniell und Festkultur sowie Architektur und Ausstattung der Residenzen als Schwerpunkte der Forschung. Weniger Berücksichtigung fanden die Eheschließungen und der grundlegende Werdegang von Fürstinnen. Im Falle Maria Magdalenas von Österreich liegt zwar eine Biografie vor, doch beruht diese ausschließlich auf den Florentiner Quellen. [2] Über ihre Herkunft und Erziehung erfährt man wenig. Aber auch der Grazer Hof, nach der Teilung der Erblande Residenz der Eltern Karl II. von Innerösterreich und Maria von Bayern, ist bisher nur dürftig bearbeitet. Dies galt ebenso lange Zeit für das Wirken der Frauen am Hofe der Medici, dem nun gleich mehrere Anthologien Abhilfe schaffen. [3]
In Kapitel 3 (45-70) beleuchtet Betz Erziehung und Umfeld der jungen Maria Magdalena in Graz. Dafür stellen die Arbeiten von Friedrich Hurter aus dem 19. Jahrhundert über ihre Eltern sowie ihren Bruder, den späteren Kaiser Ferdinand II., nach wie vor die aussagekräftigsten Quellen zur Verfügung. Klären konnte die Autorin das Geburtsjahr der Erzherzogin - 1587-, das möglicherweise im Zuge der späteren Hochzeitsverhandlungen 'geschönt' wurde. Es wird deutlich, dass nach dem Tod von Karl II. die resolute Maria von Bayern die Geschicke des Hofes lenkte, auch wenn die offizielle Autorität bei einer Vormundschaftsregierung lag. Sie prägte maßgeblich die Erziehung ihrer Kinder zu - im Sinne der katholischen Reform - vorbildlichen Fürstinnen und Fürsten.
Im folgenden vierten Kapitel (71-92) werden die Heiratspolitiken der involvierten Parteien dargestellt: Die innerösterreichischen Habsburger, die durch die Mutter Maria Magdalenas einerseits eng mit dem bayerischen Hof der Wittelsbacher kooperierten, andererseits abhängig von Kaiser Rudolf II. in Prag waren; die spanischen Habsburger, deren König Philipp III. die Schwester Maria Magdalenas Margarete geehelicht hatte, den Großteil der Mitgift stellte und auch über italienische Gebiete herrschte, was wiederum mit der dritten Partei, der Familie Medici, die erst im 16. Jahrhundert unter die regierenden Fürstenhäuser aufgestiegen war, wiederholt zu Konflikten geführt hatte. Betz gelingt es, dieses dichte Geflecht von Interessen auch im nächsten Kapitel 5 (93-126) anschaulich zu vermitteln, wo die bis fast zur letzten Minute andauernden Verhandlungen und die Zeit unmittelbar vor der Hochzeit geschildert werden. Hieraus ergibt sich auch eine Charakterisierung der Braut, die als ebenso heiter, aufgeweckt und mit großer Freude an Lustbarkeiten, zum Beispiel dem Theater, geschildert wird wie als fromm und karitativ tätig (119). Diese schon bei Hurter zu findende Einschätzung steht im starken Gegensatz zu dem von italienischen Historikern geprägten Image als bigott und kulturlos, wozu Betz allerdings nicht explizit Stellung nimmt.
Das Kapitel 6 (127-184) stellt mit der ausführlichen Erläuterung des Ehevertrages das eigentliche Zentrum der Arbeit dar. Zuerst wird der Leser mit Aufbau und Begrifflichkeit eines Ehevertrages in der Frühen Neuzeit bekannt gemacht sowie mit regional bedingten juristischen Unterschieden. Dieser etwas 'trockene' Teil erleichtert erheblich das Verständnis für das in Spanien aufgesetzte und von den österreichischen Gesandten kommentierte Schriftstück. Die bereits 1879 publizierte Endfassung [4] konsultierte Betz nicht, da ihrer Meinung nach der prozessuale Charakter des Dokumentes weitaus mehr über die Interessen der jeweiligen Seite verrät. So nahmen die Medici für ihren Prestigegewinn und die Aussicht auf eine Verbesserung der Beziehungen zu Spanien einen finanziellen Verlust in Kauf. Zugleich suchten sie die Rechte ihres casato zu schützen, also die der erbberechtigten Kinder, die nicht zur mütterlichen Linie gezählt wurden, genauso wie die Habsburger auf eine finanzielle Absicherung im Falle auch einer kinderlosen Witwenschaft Maria Magdalenas pochten. Die Spanier wiederum schuldeten den Medici einen größeren Geldbetrag und waren ebenso den Österreichern verpflichtet. Eine Hochzeit bot also Gelegenheit, sich ohne allzu verbindliche Zusagen diplomatische Vorteile zu sichern. Die Braut übernahm dabei die Funktion eines Tauschobjektes, konnte aber nach der Hochzeit zur wertvollen Agentin unterschiedlichster Interessen werden.
Nach der Schilderung der bei überregionalen Eheschließungen üblichen Hochzeit per procuratorem in Graz (Kapitel 7, 185-188) folgen die Beschreibungen des Brautzuges nach Florenz (Kapitel 8, 189-222) sowie der Hochzeitsfeierlichkeiten (Kapitel 9, 223-248) mittels der anonymen und erstmals edierten Reisebeschreibung. Auch hier bietet Betz eine ausführliche Einführung in die Gattung des Reiseberichts in der Frühen Neuzeit, zeigt Möglichkeit und Grenzen interkultureller Fragestellungen für solche Quellen auf (201-209). Es sei zwar auch zu "Fremderfahrung" gekommen, so die Autorin, aber standarisierte Vorkenntnisse einerseits und eine überterritorial vernetzte Adelsöffentlichkeit andererseits prägten in starkem Maße die Rezeption. Für die Italienforschung von großem Interesse sind die Beobachtungen der Florentiner Hochzeitsfeierlichkeiten, die bisher nur durch lokale Quellen bekannt waren. Es ist Betz beizupflichten, dass die Hochzeit von 1608 mit dem triumphalen Einzug der Braut, den Festen und Theateraufführungen eine eigene Arbeit erfordert (16). Trotzdem unterbleibt auch hier nicht eine sorgfältige Reflexion über die Gattung der Festbeschreibung sowie frühneuzeitliche dynastische Hochzeitszeremonien.
Die Arbeit von Susanne Helene Betz verdeutlicht am Beispiel von Jugend und Heirat Maria Magdalenas von Österreich Werdegang und Stellung einer Fürstentochter innerhalb des transnationalen Netzwerkes der Dynastien im Europa der Frühen Neuzeit. Ferner bietet die Untersuchung einen guten Überblick über die aktuelle Hofforschung sowie eine kundige Auseinandersetzung mit den juristischen und sozialen Voraussetzungen und Implikationen von Heiratspraktiken. Auf einer untergeordneten Ebene vergrößert Betz das Wissen um die prestigereiche Herkunft der Habsburgerin, welche die Florentiner Historiografie allzu einseitig dargestellt hatte. Erst in jüngster Zeit konnte diese Einschätzung korrigiert werden. [5] Monografien, wie Betz sie vorgelegt hat, verdichten die Kenntnis auch über die Interaktion von Frauen im politischen Leben der Vormoderne und ermöglichen es, sie als 'Agentinnen' einer Histoire croisée zu betrachten.
Anmerkungen:
[1] Volker Bauer: Die höfische Gesellschaft in Deutschland von der Mitte des 17. bis zum Ausgang des 18. Jahrhunderts, Tübingen 1993.
[2] Estella Galasso Calderara: Un'ammazzone tedesca nella Firenze medicea del '600. La Granduchessa Maria Maddalena D'Austria, Genua 1985.
[3] Le Donne Medici nel sistema europeo della corti: XVI-XVIII secolo. Akten der internationalen Tagung Florenz, San Domenico in Fiesole, 6.-8. Oktober 2005, hrsg. von Giulia Calvi und Riccardo Spinelli, Florenz 2008; Die Kunst des Regierens. Politik und Mäzenat der Frauen des Hauses Medici (1512-1743), hrsg. von Christina Strunck (im Druck).
[4] Sunto de'Capitoli fatti e resoluti in Madrid fra li Signori D. Cosimo Principe di Toscana, et l'Arciduchessa Maria Maddalena, sorella della Regina di Spagna. In: Mescolanze Letterarie. Scritti o rari raccolti ed illustrati da Pietro Fanfani, Firenze presso la direzione delle Letture di Famiglia 1879 (XXX, Bd. 1), 107-110.
[5] S. die Beiträge in Calvi / Spinelli 2008 sowie meinen Beitrag in: Lebensentwürfe in Kunst und Literatur, hrsg. von Anne-Marie Bonnet und Barbara Schellewald, Köln / Weimar / Wien 2004, 213-234 sowie meine sich noch im Druck befindliche Dissertation: Die Räume der Regentin. Zu Form, Funktion und Ausstattung der Villa Poggio Imperiale bei Florenz 1625, Berlin 2004.
Ilaria Hoppe