Frank Tallett / D. J. B. Trim (eds.): European Warfare, 1350-1750, Cambridge: Cambridge University Press 2010, XXXII + 394 S., ISBN 978-0-521-71389-4, GBP 19,99
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Johannes Erichsen / Katharina Heinemann (Hgg.): Brennpunkt Europas 1704. Die Schlacht von Höchstädt / The Battle of Blenheim. Begleitbuch zur Ausstellung in Schloss Höchstädt an der Donau 1. Juli bis 7. November 2004, Ostfildern: Thorbecke 2004
Jaroslava Hausenblasová / Jiří Mikulec / Martina Thomsen (Hgg.): Religion und Politik im frühneuzeitlichen Böhmen. Der Majestätsbrief Kaiser Rudolfs II. von 1609, Stuttgart: Franz Steiner Verlag 2014
Am Anfang stand die Idee, vormoderne Militärgeschichte mit einem epochenübergreifenden Ansatz zu betreiben und dabei vor allem die Epochengrenze zwischen dem Mittelalter und der Frühen Neuzeit zu überwinden. Aus einer Tagung des Jahres 2007 sind dann 14 Beiträge hervorgegangen, die strukturelle Aspekte des Berichtszeitraums untersuchen. Einem in die Thematik einleitenden Vortrag der Herausgeber (overview) folgen Rahmenaufsätze zum Verhältnis von Kriegführung und Staatlichkeit (Gunn, Asch, auch Glete) und zu den europäischen respektive internationalen Beziehungen (DeVries), weiterhin Beiträge mit regionalem Zuschnitt, die West-, Mittel-, Ostmittel- und Südosteuropa in den Mittelpunkt stellen. Weitere Beiträge widmen sich Organisationsfragen und operativen Aspekten (Nimwegen, Pepper, Rogers). Schließlich werden Einzelfragen erörtert, so zum Kriegsrecht (Bennett), zur Rolle der Religion (Trim) und zum Seekrieg (Sicking).
Es handelt sich dabei nicht um Fallstudien, die sich auf Einzelereignisse konzentrieren, sondern durchweg um Überblicksdarstellungen, die generelle historische Entwicklungen nachzeichnen. Dennoch sind die Aufsätze allesamt sehr anschaulich gehalten, das heißt mit vielen konkreten Beispielen angereichert, die die Argumentation veranschaulichen helfen. Allerdings vermitteln die hier oftmals verkündeten Zahlen über Truppenstärken etc. allenfalls eine relative Sicherheit; denn bekanntermaßen sind überlieferte Zahlen gerade in der Militärgeschichte eine überaus heikle Angelegenheit. Immerhin präsentieren sich die Beiträge auf der Höhe des Forschungsstandes, wenn auch vornehmlich englischsprachige Literatur ausgeschöpft wird.
Einen festen Orientierungspunkt bildet auch für diesen Sammelband noch die These von der Militärischen Revolution. Allerdings verdeutlichen die Herausgeber mit Blick auf die Forschungssituation, wie sehr dieser Ansatz mittlerweile unter Druck geraten ist, ja teilweise ganz in Frage gestellt wird. Sie selbst vermeiden den Begriff der Revolution; stattdessen sprechen sie von Veränderungen (changes) im Bereich des Militärwesens. Damit haftet dem Band insgesamt etwas Relativierendes, auch Dekonstruktivistisches an: Der überkommene Ordnungsbegriff von der Militärischen Revolution wird mit einem deutlichen Fragezeichen versehen, eine neue Leitidee wird jedoch nicht entwickelt. So überrascht auch nicht, dass viele Beiträge erst gar nicht mit einer These aufwarten, sondern eher einen klar abgegrenzten Zeitraum auf einen bestimmten Aspekt hin untersuchen. Dabei relativieren sie frühere Befunde, die auf eine konsequente Progression hindeuteten, und weisen demgegenüber auf gegenläufige Tendenzen hin. Auf diese Weise entsteht am Ende meist ein stark historisierender, vor allem aber ein uneinheitlicher Befund.
Nur selten durchbricht einer der Aufsätze diesen Ansatz, vielleicht abgesehen von DeVries, der für die untersuchte Periode die Internationalisierung als Kennzeichen für eine erfolgreiche Machtpolitik zu erkennen glaubt, die in erster Linie von einer "grand strategy" getragen worden sei. Ob tatsächlich eine aggressive Expansion das Erfolgsmodell der spätmittelalterlichen und frühmodernen Politik darstellte, in der sich auch die militärische Entwicklung am besten ausgezahlt habe, erscheint doch recht kühn.
Mit Blick auf das Kriegsrecht geht Bennett eher von weitgehenden Kontinuitäten als von starken Umbrüchen aus. So seien die Vorstellungen, was im Krieg erlaubt und verboten ist, über die Jahrhunderte weitestgehend konstant geblieben. Allerdings hätte unter dem Einfluss der Kreuzzugsidee der Aspekt des Verrats, sei es gegen Gott (Häresie!) oder gegen eine weltliche Obrigkeit, das Gewaltpotenzial des Krieges seit dem Spätmittelalter signifikant ansteigen lassen. Vielfältige Veränderungen hingegen kann Rogers im Bereich der Taktik aufzeigen; gerade die Zeit vom 14. bis zum 17. Jahrhundert biete ein höchst komplexes Tableau militärtaktischer Neuerungen. Doch frappierenderweise ähnelt das Bild zu Beginn des Untersuchungszeitraums dem, das sich am Ende desselben zeigt: Im hohen Mittelalter wie auch zum Ende des 17. Jahrhunderts wurde die Schlachtentscheidung durch die Kavallerie herbeigeführt, die an den Flanken postiert war.
Mit drei höchst unterschiedlichen Aspekten der operativen Kriegführung befasst sich Pepper. Er verweist auf den wachsenden administrativen Aufwand in der Kriegsorganisation, zumal der jeweilige Entscheidungsträger nicht immer persönlich im Feld stand, sondern häufig in einem Kriegskabinett saß. Dass das Aufkommen der Artillerie das Kriegswesen von Grund auf veränderte, ist nichts Neues. Doch Pepper zeigt, wie schwierig es war, eine funktionierende Infrastruktur für diese Waffengattung zu etablieren, die tatsächlich einen effektiven Gebrauch ermöglichte: Veränderungen und Neuerungen gab es also, doch brauchte es Zeit und erheblichen Aufwand, bis sie sich wirklich durchsetzen konnten. Schließlich betont Pepper die Bedeutung des "kleinen Kriegs", der weit vor der Schlacht und der Belagerung die eigentlich dominierende Form der militärischen Operation darstellte und insgesamt als ein Kontinuum für die gesamte untersuchte Epoche zu gelten habe - ein erwägenswerter Gedanke, der allerdings mit der begrifflichen Unschärfe erkauft wird, die den "kleinen Krieg" (small war) mit dem Manöverkrieg vermischt.
Wurde der Prozess der Staatsbildung eher durch eine voranschreitende Verrechtlichung und die Idee der Souveränität befördert - oder profitierte der Staat eher von der Entwicklung des Militärwesens? Dieser klassischen Frage wendet sich Gunn zu und entfaltet ein Panoptikum verschiedenster west- und mitteleuropäischer Befunde, die veranschaulichen, wie wenig geradlinig die Entwicklung verlief: Schon im späteren Mittelalter gab es erste Vorformen von stehenden Heeren, die auf eine hohe staatliche Organisationsleistung hinweisen. Allerdings gingen aus derartigen Ansätzen nie langfristige Strukturen hervor, denn immer wieder kamen alternative Formen der militärischen Organisation auf. Die Schubkraft des Krieges für die Entwicklung des frühmodernen Staates ist evident, doch wie hoch der Anteil des Krieges gegenüber anderen Faktoren zu veranschlagen ist, lässt der Autor offen.
Deutlich prononcierter äußert sich dagegen Glete. Ihm zufolge stand im Zentrum das Bemühen um die Kontrolle und Eindämmung der Gewalt, wobei verschiedene, konkurrierende Institutionen Schutz vor Gewalt feilboten und im Erfolgsfall so etwas wie einen Staat erschufen. Indem er vor allem dem internen Machtkampf um das Gewaltmonopol den entscheidenden Part im Staatswerdungsprozess zuweist, relativiert er zwangsläufig die Bedeutung des nach außen gerichteten Krieges. So überzeugend und in sich plausibel diese Ansicht auch auf den ersten Blick sein mag, so überwiegt nach Lektüre der relativierenden Beiträge in diesem Band doch die Skepsis - es gibt eben zu viele gegenläufige Befunde.
Genau dieser Eindruck wird auch durch die übrigen Aufsätze, die hier nicht alle einzeln vorgestellt werden sollen, bestätigt. Allerdings vermittelt der Band insgesamt keineswegs ein fragmentarisches Bild. Viele Querverweise vernetzen die einzelnen Beiträge und lassen die gegenseitigen Bezüge deutlich werden - ein Indiz für das gemeinsame Anliegen der Autoren. Doch worin besteht dieses eigentlich? Ein neues Forschungsparadigma wird definitiv nicht annonciert. Vielmehr bleibt es bei der Balance zwischen den beobachteten Veränderungen und Kontinuitäten. Wenn gerade für die Kontinuitäten bemerkenswerte Beispiele angeführt werden, etwa dass sich die Anfänge des stehenden Heeres vom 17. bis in das 14. Jahrhundert zurückverfolgen lassen, bestätigt dies vor allem das Anliegen der Herausgeber, die Epochengrenze zwischen Mittelalter und Früher Neuzeit im Hinblick auf die Militärgeschichte einzuebnen. Tatsächlich bemüht praktisch kein Beitrag eine Zäsur um 1500.
Die Neuerungen, die die Militärgeschichte in dem hier zugrunde gelegten Zeitraum beobachtet hat, werden aber auch nicht negiert. Dies gilt nach wie vor für alle militärhistorischen Phänomene, angefangen von der technischen Entwicklung und Organisation der Heere über soziale Hintergründe bis hin zu politischen Rahmenbedingungen und dem eigentlichen Kampfgeschehen. Doch um diese zu beschreiben, bedarf es nicht mehr des Terminus der "Militärischen Revolution"; hier markiert der Band doch einen spürbaren Abschied von diesem Leitbegriff. Nachdem sich unter diesem Stichwort ein halbes Jahrhundert lang ein Interpretament für Entwicklungen in Militärwesen und Kriegführung der Vormoderne anbot, hat es - hier sind Parallelen zur Diskussion um den Begriff des "Absolutismus" unübersehbar - nun den Anschein, als ob den Frühneuzeitlern auch diese Kategorie abhandenkommt.
Michael Kaiser