Annika Michalski / Frank Zöllner: Tübke Stiftung Leipzig. Bestandskatalog der Gemälde, Leipzig: Plöttner Verlag 2008, 103 S., ISBN 978-3-938442-46-3, EUR 17,90
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Eduard Beaucamp / Annika Michalski / Frank Zöllner: Tübke Stiftung Leipzig. Bestandskatalog der Zeichnungen und Aquarelle, Leipzig: Plöttner Verlag 2009, 151 S., ISBN 978-3-938442-73-9, EUR 17,90
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Diese Rezension erscheint auch in KUNSTFORM.
Annika Michalski: "Ich spiele mich, wie ich bin". Die Selbstdarstellungen Werner Tübkes von 1940 bis 2004, Köln / Weimar / Wien: Böhlau 2014
Frank Zöllner: Sandro Botticelli, München: Prestel 2005
Frank Zöllner: Michelangelos Fresken in der Sixtinischen Kapelle. Gesehen von Giorgio Vasari und Ascanio Condivi, Freiburg/Brsg.: Rombach 2002
Zwei Jahre nach ihrer Gründung legte die Tübke Stiftung Leipzig 2008 einen ersten Bestandskatalog vor, der die Gemälde in ihrem Besitz verzeichnet. Im Jahr darauf, pünktlich zum 80. Geburtstag des Künstlers Werner Tübke, folgte ein Bestandskatalog der Zeichnungen und Aquarelle. Beide Bände zusammen führen als erste Veröffentlichungen der Stiftung deren Relevanz vor Augen, die nun, "nach dem Panorama Museum [...] Bad Frankenhausen [...] einen zweiten wichtigen Stützpunkt für die Kunst dieses Malers" (9) bildet.
Die Tübke Stiftung Leipzig geht zurück auf eine Idee des Malers selbst, dessen Wunsch es war, dass "die Arbeiten aus seinem Nachlass [...] in der Stadt Leipzig verbleiben sollten" (7), wie Brigitte Tübke-Schellenberger im Grußwort des ersten Bandes bemerkt. Die Stiftung, die das Wohnhaus des Künstlers in Leizpig als Standort wählte, beherbergt nun den reichen Bestand von 19 Gemälden, 16 Aquarellen, 67 Zeichnungen und Einzelblättern sämtlicher Druckgrafiken. [1] Das Besondere ist dabei, dass der Gesamtbestand sich über den Zeitraum von 1936 bis 2004 erstreckt, also von den ersten Versuchen des Malers bis hin zu seinen letzten Arbeiten. Damit wird ein umfassender Blick auf das Werk Tübkes ermöglicht. Im Bestand der Gemälde zeigt sich dabei vor allem ein eher "private[r] Charakter" (13); über die Zeichnungen und Aquarelle, oftmals Vorstudien und Skizzen, ist es darüber hinaus möglich, sich auch in die großformatigen Werke des Künstlers, die sich in anderen Sammlungen befinden, einzusehen.
Der Katalog der Gemälde folgt dem Bestand chronologisch. Die Texte zu den einzelnen Gemälden wurden von den Herausgebern zusammen mit Studenten des kunstgeschichtlichen Instituts der Universität Leipzig verfasst. Jedem Werk wurde dabei eine individuelle Betrachtung gewidmet, ein "Novum" (17) des Katalogs, wie Annika Michalski und Frank Zöllner im einleitenden Text vermerken, wobei die Novität weniger in der Erstveröffentlichung eines Bildes als vielmehr in den sorgfältigen Einzelanalysen und der dafür herangezogenen, "bisher unzugänglichen Quellen aus dem Nachlass Werner Tübkes" (17) liegt. Die Entscheidung für klassische Katalogtexte hat einerseits zur Folge, dass die Texte bei durchgehender Lektüre in ihrem ähnlichen Aufbau etwas seriell wirken. Andererseits sorgen die Ausführlichkeit und das Einbeziehen der neuen Quellen für interessante und informative Texte.
Die Beiträge beginnen zumeist mit einer genauen Beschreibung des Gezeigten, gefolgt von einer Einordnung in kunsthistorische Zusammenhänge. Dies gelingt nicht an allen Stellen gleich gut. Oft werden mehr oder weniger einleuchtende kunsthistorische Bezüge in bloßer Aufzählung hergestellt, etwa bei der Beschreibung des Bildes "Gesellschaft im Freien (Urlaub auf Rügen)" (36-39), in dem lediglich auf die Ähnlichkeit in Motiv und Titel zu Manets "Frühstück im Freien" hingewiesen wird. Inwieweit solche Einzelbeobachtungen die Bilder in ihrer Argumentation unterstützen oder aber wie sie sich in den "Kosmos" des Künstlers fügen, wird schwer greifbar. Deutlicher werden die Texte innerhalb einer Einordnung in private und geschichtliche Zusammenhänge. So wird etwa das Bild "Versuch II" (32-35) in den Kontext der Unruhen und Demonstrationen des Jahres 1956 eingebettet. Eine etwas stringentere Beweisführung auch anhand des Bildes, das mit entsprechenden Bildtopoi arbeitet, die aufgrund ihrer christlichen Provenienz die These unterstützen, hätte die Argumentation verfestigt. Nichtsdestotrotz gelingt es den einzelnen Bildtexten, einen interessanten und aufschlussreichen Einblick in die Bildwelten Werner Tübkes zu geben.
Unterstützt wird diese Wirkung durch das fotografische Material. Die ganzseitigen Abbildungen eint eine hohe Qualität und die Entscheidung, alle Gemälde mit Rahmen abzubilden, ist absolut begrüßenswert. Dass dies keinem Selbstzweck dient, sondern evident für Tübkes Werk ist, wird im einführenden Beitrag von Michalski und Zöllner (15f.) erläutert und an einigen prägnanten Beispielen in den Texten ausgeführt, etwa bei "Eine Auffindung (T. für T.)" (64-67). Hinzu kommt ein großzügiger Einsatz von Detailaufnahmen, gerade bei den kleinfigurigen und detailreichen Werken des Malers hilfreich für das Nachvollziehen einzelner Argumentationen. Die Abbildungen ausgewählter Rückseiten, auch wenn diese nicht bemalt sind, komplettieren das Bild.
Auch der Bestandskatalog der Zeichnungen und Aquarelle legt Wert auf großzügige und qualitätvolle Abbildungen. Anders als bei seinem Vorgänger gliedert sich die Aufarbeitung des Bestandes hier in acht thematisch zusammengefasste Gruppen. Der einleitende Text von Michalski und Zöllner (9ff.) geht auf die Bedeutung des Zeichnens für Werner Tübke im Allgemeinen ein und gibt einen kurzen Überblick über die zu besprechenden Themenkreise. Die Herausstellung des Zeichnens als "elementares Bedürfnis" (9) Tübkes ist der Resonanzboden, der die folgenden Kapitel zusammenhält.
Das erste Kapitel widmet sich den frühen Zeichnungen der Kinder- und Jugendzeit Tübkes (14-30). Hier werden die ersten Schritte eines Künstlers aufgezeigt. Der Text konzentriert sich dabei nachvollziehbar auf biografische Details, die für das spätere Werk bedeutend sind und unterfüttert ihre Relevanz mit Quellenmaterial und Aussagen der Witwe des Künstlers. Die Notwendigkeit des Zeichnens, Tübkes Wertschätzung des Mediums und der "Reichtum und die Feinnervigkeit der Tübkeschen Zeichenkunst" (34) wird im Kapitel "Der Alltag des Zeichners" (31-55) vorgeführt. Wie auch der folgende Beitrag zur Porträtkunst (56-60) widmet sich dieser Teil der Ausführungen eher der privaten Künstlerpersönlichkeit bevor in den Kapiteln zu "Zeitgeschichtlichen Interventionen" (61-69) und den Auftragswerken (70-113) das offiziellere Wirken des Künstlers in den Focus genommen wird. Der Katalog kehrt mit Beiträgen über die Reisebilder (114-135) und das Spätwerk (136-141) zum privateren Kosmos des Künstlers zurück.
Beide Bände stellen die Werke Tübkes als solche in den Mittelpunkt. Die sorgfältigen Bildbeschreibungen und die (kunst-)historische Kontextualisierung lassen einen ausführlichen Blick auf den Künstler Werner Tübke, auf Entwicklung, Einflüsse und Wirken zu. Die Ambivalenzen des Kunstsystems in der DDR jedoch, in dem sich Werner Tübke dabei bewegte, werden zwar angerissen, doch fehlt der Platz, sie auszuführen. Die Fragen, die sich gerade angesichts der Auftragswerke und der Werke offizielleren Charakters im Zusammenhang mit ihrer Entstehungszeit und dem Kontext der DDR stellen, können die Bestandskataloge trotz ihrer Ausführlichkeit in den Einzelbesprechungen nur teilweise (er-)klären. Zu viele unterschiedliche Aspekte müssen hier behandelt werden. Doch tut dieses dem Charakter des Bestandskataloges geschuldete Fehlen einiger Antworten den vorgestellten Werken keinen Abbruch. Vielmehr macht die vorrangige Darstellung der verschiedenen Facetten künstlerischer Aspekte der besprochenen Bilder aus dem Bestand der Tübke-Stiftung Lust auf mehr.
Anmerkung:
[1] Die Druckgrafiken wurden bereits veröffentlicht und werden daher in den vorliegenden Publikationen nicht berücksichtigt. Vgl. dazu: Brigitte Tübke-Schellenberger (Hg.): Werner Tübke. Das Graphische Werk, Bd. 1. 1950-1990, Düsseldorf 1991 und Dies.: Werner Tübke. Das Graphische Werk, Bd. 2. 1991-2002, Düsseldorf 2002.
Simone Fleischer