Melanie Carina Schmoll: Die Kooperation zwischen Israel und Jordanien. Ein Sicherheitsregime als Weg zur Lösung eines Sicherheitskonflikts? (= Konfrontation und Kooperation in Vorderen Orient; Bd. 12), Münster / Hamburg / Berlin / London: LIT 2008, IX + 358 S., ISBN 978-3-8258-1749-7, EUR 34,90
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Der Nahe Osten wird gerne als "Pulverfass" oder "Krisenregion" bezeichnet. Mit der Teilung Palästinas und der Gründung Israels 1948 begann einer der beständigsten Konflikte nach dem zweiten Weltkrieg. Dieser Konflikt entwickelte sich auf zwei Ebenen, einerseits als Auseinandersetzung zwischen Israelis und Palästinensern und anderseits als internationaler arabisch-israelischer Antagonismus.
Als besonders intensiv und frustrierend perspektivlos erwies sich der Streit zwischen Israelis und Palästinensern. Was als Auseinandersetzung zweier Völker um Land begann, entwickelte sich zu einem vielschichtigen Kampf, in welchem unter anderem konkurrierende Nationalismen, religiöser Fanatismus und das Recht auf Selbstbestimmung eine zentrale Rolle spielen. Während das israelische Militär mit Waffengewalt terroristische Anschläge gegen seine Staatsbürger zu verhindern sucht, streben die Palästinenser nach einem eigenen Staat und leiden unter der israelischen Okkupation und der fortschreitenden Landnahme durch den israelischen Siedlungsbau. Der 1994 aufgenommene Friedensprozess erlitt etliche Rückschläge und hatte trotz vieler neuer Initiativen keinen wirklichen Erfolg.
Auf der arabisch-israelischen Ebene sieht sich Israel seit der Staatsgründung in seinem Existenzrecht bedroht und glaubt, dies gegenüber seinen arabischen Nachbarn offensiv verteidigen zu müssen. Zahlreiche militärische Auseinandersetzungen gingen aus diesem Konflikt hervor und bis heute scheint keine umfassende Lösung in Sicht zu sein. Syrien ist offiziell noch im Krieg mit Israel und fordert seit dem Sechs-Tage-Krieg von 1967 die Rückgabe der Golanhöhen. Auch der Libanon befindet sich seit Jahrzehnten im status belli mit seinem südlichen Nachbarn. Der letzte Krieg ereignete sich im Jahr 2006. Damals beschoss die Ḥizbu'll āh den Norden Israels mit Raketen, woraufhin das israelische Militär in den Süden des Libanon einmarschierte und Luftangriffe gegen Ziele im Süden und Teile Beiruts flog.
Aus dieser Perspektive erscheint der Friedensvertrag zwischen dem haschemitischen Königreich Jordanien und Israel, der zwischen König Ḥussain b. Ṭal āl und dem israelischen Ministerpräsidenten Jitzchak Rabin 1994 geschlossen wurde, als eine kuriose Ausnahme. Doch hat dieses Abkommen seit nunmehr sieben Jahre Bestand und wird von beiden Seiten durch eine ständige Kooperation in Sicherheitsfragen getragen. Wie lässt sich die Robustheit dieser Zusammenarbeit erklären?
Melanie Carina Schmoll geht diesem Sonderfall in ihrer am Institut für Politikwissenschaften der Universität Hamburg abgeschlossenen und von Cord Jakobeit und Volker Matthies betreuten Dissertation "Die Kooperation zwischen Israel und Jordanien. Ein Sicherheitsregime als Weg zur Lösung eines Sicherheitskonflikts?" analytisch und theoriebezogen auf den Grund.
Auch wenn man hinter dem Titel zunächst eine Regionalstudie vermuten mag, zeigt der methodische Ansatz doch ganz deutlich, dass "diese Arbeit in erster Linie theoretische Lücken in der Regimeforschung füllen und erst in einem zweiten, nachfolgenden Schritt als Regionalstudie verstanden werden [will]." (2-3) Die Regimeforschung ist eine Disziplin der internationalen Beziehungen innerhalb der Politikwissenschaft, wobei man unter einem Regime in der Regel "institutionelle Vereinbarungen für die gemeinsame Bewältigung von Problemen und Aufgaben, die mehrere Staaten betreffen", versteht. Die Autorin beschreibt die Spannungen zwischen Israel und Jordanien als einen "Sicherheitskonflikt" und untersucht in ihrer Arbeit, ob die Kooperation beider Staaten in Folge des Friedensvertrages von 1994 daher als ein "Sicherheitsregime" angesehen werden kann, das normalerweise entsteht, um Bedrohungen zwischen Staaten geregelt abzubauen. Damit bewegt sich diese Arbeit im Rahmen der Konflikttheorie, wobei Schmoll in ihrer Untersuchung dem von Otto Czempiel entwickelten Ansatz folgt. Bei der Wirkungsanalyse, dem "Regimeoutput", knüpft die Autorin an Konzepte von Oran R. Young und Marc A. Levy an.
Die Kooperation zwischen Israel und Jordanien dient also als Fallbeispiel für die bilaterale Bewältigung eines Sicherheitskonfliktes. Die theoretisch entwickelten Erkenntnisse sollen überprüft und gleichzeitig eine fundierte empirische Studie zur Sicherheitskooperation beider Länder vorgelegt werden. Als zentrale Dokumente für diese Untersuchung dienen der "Treaty of Peace between the State of Israel and the Hashemite Kingdom of Jordan" vom 26. Oktober 1994 und einige weitere Abkommen, wie das "Agreement on cooperation between Jordan and Israel" vom 25. Oktober 1995, in welchen die Kooperation und der Umgang zwischen den beiden Staaten festgelegt wurden. Es geht den beiden Vertragspartnern vor allem um die Herstellung von Frieden, die Klärung des Grenzverlaufes, die Anerkennung der Sicherheit beider Parteien, die Kooperation in Sicherheitsfragen und um die Aufteilung der Wasserressourcen.
Der Anspruch, in erster Linie einen Beitrag zur Konflikt- und Regimetheorie leisten zu wollen, spiegelt sich auch klar im Aufbau der Arbeit wider. So führt Schmoll den Leser zunächst ausführlich in die entsprechenden Ansätze ein. Einen Konflikt definiert sie nach Czempiel "als Positionsdifferenz über die Zuteilung von Werten in den drei Sachgebieten Sicherheit, Wohlstand und Herrschaft" (S. 30), wobei die Unvereinbarkeit der Positionen im Bereich der Sicherheit einen sogenannten "Sicherheitskonflikt" darstellt. Daraufhin stellt die Autorin die Regimetheorie vor, erläutert unter anderem ihren analytischen Nutzen sowie darauf aufbauend die Entstehung, Funktion und die Struktur von Regimen. Frau Schmoll präsentiert nun zwei unterschiedliche Ansätze der Regimetheorie. Zum einen das interessenbasierte Konzept des neoliberalen Institutionalismus, demnach der rationale Egoismus der Akteure bei der Gründung von Regimen im Vordergrund steht. Nach dieser Theorie werden Regime gebildet, um auf dem Verhandlungsweg die nationalen Interessen möglichst weitgehend durchzusetzen. Zum anderen die Theorie der hegemonialen Stabilität, der zufolge die geltende Macht eines Hegemons ausschlaggebend ist, um auf internationaler Ebene verlässliche Regeln festzulegen und eine Ordnung zu schaffen, die Stabilität, Sicherheit und Frieden garantiert. Regime werden nach diesem Konzept gegründet, um eine solche Ordnung möglichst effektiv umzusetzen.
Nach ihrer detaillierten Einführung kommt Schmoll auf ihr Fallbeispiel, die Kooperation zwischen Israel und Jordanien, zu sprechen. Nach einer knappen historischen Einleitung über den Konflikt in der Region und die israelisch-jordanischen Auseinandersetzungen seit der Gründung des Staates Israels 1948 bis ins Jahr 2006 wird der Blick auf die Zusammenarbeit zwischen beiden Staaten seit 1991 gelenkt. Hierbei wendet die Autorin konsequent die zuvor erarbeiteten theoretischen Hinsichten an. Sie kommt zu dem Schluss, dass die Kooperation beider Staaten als "Sicherheitsregime" zu definieren ist. Beide Seiten fühlen sich von ihrem Gegenüber bedroht und wollen diese Bedrohung auf friedlichem Wege abbauen. Daraufhin betrachtet Schmoll diese kooperative Konfliktbearbeitung im Lichte der vorgestellten Konzepte zur Regimetheorie. Dem Ansatz des neoliberalen Institutionalismus attestiert sie nur einen geringen Nutzen bei der Bewertung der Wirkung und Dauerhaftigkeit dieses Regimes. Die Theorie der hegemonialen Stabilität bietet hingegen einen hilfreichen Zugang, um die Robustheit wenigstens erklären zu können. Eine "objektive Meßbarkeit" (316) lassen jedoch beide Konzepte nicht zu.
In der Schlussbetrachtung unternimmt Schmoll neben der Zusammenfassung der Untersuchungsergebnisse eine abschließende Kritik der angewandten Theorie. Klar arbeitet sie die Theoriedefizite der Regimeforschung bei der Analyse der Außenwirkung von Sicherheitsregimen heraus, zeigt aber auch Perspektiven auf, wie diese Schwäche der "Regimeoutputanalyse" durch weitere Forschungen behoben werden könnte. Eine Einschätzung der Auswirkungen des Friedensvertrages zwischen Israel und Jordanien auf die gesamte Region fällt daher betont kurz aus.
Insgesamt ist diese Arbeit ein gelungener Beitrag zur Regimeforschung, zeigt sie doch die Stärken und Schwächen der vorhandenen Theorien in ihrer praktischen Anwendung. Aber auch für die historische Forschung und für Regionalstudien zu Israel oder Jordanien ist diese Arbeit eine Bereicherung, da sich bisher kaum jemand so intensiv mit den Akteuren, Strukturen und Institutionen, die mit dem Friedensvertrag verbunden sind, auseinandergesetzt hat wie Melanie Carina Schmoll.
Jonas Teichgreeber