Hendrik Ziegler: Der Sonnenkönig und seine Feinde. Die Bildpropaganda Ludwigs XIV. in der Kritik (= Studien zur internationalen Architektur- und Kunstgeschichte; Bd. 70), Petersberg: Michael Imhof Verlag 2010, 320 S., 26 Farb- und 151 s/w-Abb., ISBN 978-3-86568-470-7, EUR 49,00
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Isabelle Dubois / Alexandre Gady / Hendrik Ziegler: Place des Victoires. Histoire, architecture, société. Préface de Claude Mignot, Paris: Éditions de la Maison des sciences de l'homme 2003
Uwe Fleckner / Maike Steinkamp / Hendrik Ziegler (Hgg.): Der Künstler in der Fremde. Migration - Reise - Exil, Berlin: De Gruyter 2015
Wie kein zweiter Monarch der Frühen Neuzeit verstand Ludwig XIV. die Konstruktion und Distribution von Bildern seiner selbst als Bestandteil politischen Handelns: Der von Maumené und d'Harcourt 1932 zusammengestellte Katalog der Darstellungen des Sonnenkönigs umfasst 265 Seiten. In den vergangenen zwanzig Jahren wuchs mit dem Bewusstsein für die Interdependenz zwischen Macht und Bild auch das Interesse an der "Fabrication of Louis XIV". Es entstanden zahlreiche Untersuchungen über die Konstruktion einer/eines "image" des Königs im Medium der Bauwerke, Gärten, Denkmäler, Medaillen, Druckgrafik, Feste und der Berichterstattung über diese Maßnahmen. Die Erwartungen, mit der man zu Hendrik Zieglers Habilitationsschrift greift, können sich daher nicht auf gänzlich neue Materialien, sondern nur auf weiterführende Fragestellungen richten.
Zieglers Ansatz besteht darin, erstmals ausschließlich die Reaktionen zu betrachten, die die Bilder des Königs vor konkretem historischem Hintergrund in der nationalen und internationalen Öffentlichkeit auslösten. Neben für diese Fragestellungen bereits mehrfach gewinnbringend ausgewerteten Gesandtenberichten (die Ziegler durch bislang unpublizierte Quellen ergänzen kann), zieht der Autor mit Druckgrafik, Spottschriften und -medaillen, sowie (ebenfalls bislang zum Teil unpublizierten) Reiseberichten eine eindrucksvolle Spannbreite an Äußerungsformen heran.
Wie grundlegend die Frage nach den Reaktionen für das Verständnis der Kunstpolitik Ludwigs XIV. ist, ließen schon früh die Einzelstudien von Boislisle, Seelig und Polleroß, aber auch Peter Burkes rezeptionshistorische tour de force ahnen, auf die sich Ziegler im Vorwort beruft. [1] Im Gegensatz zu Burke gilt Zieglers Interesse neben den Reaktionen auf die Bilder des Königs hinaus jedoch auch der Frage, inwieweit diese ihrerseits die nachfolgende ludovizianische Bildproduktion beeinflussten. Für die Standbilder Ludwigs XIV. auf den Places des Victoires und Vendôme ist ein solcher Zusammenhang bereits klar erkannt worden [2], ganz neu ist dieser systemische Ansatz also nicht. Es ist Zieglers Verdienst, dieses Erkenntnisinteresse auch auf das Denkmal in Rom, die Sonne als königliches Sinnbild sowie auf die Grande Galerie in Versailles ausgedehnt zu haben.
Im ersten Hauptteil widmet sich Ziegler, in Anlehnung an Friedrich Polleroß, der Genese und Rezeption der ludovizianischen Sonnenikonografie. Auf kein Bild des Königs scheint die nationale und internationale Öffentlichkeit empfindlicher reagiert zu haben, als auf das der Sonne samt des sie begleitenden Mottos NEC PLURIBUS IMPAR, wie zahlreiche Gegenbilder beweisen. Vor allem zwischen Habsburg und Frankreich entzündete sich an dem (auch von den Habsburgern für sich reklamierten) Sinnbild eine "offizielle Emblemschlacht" (Polleroß), die ihren Höhepunkt während des spanischen Erbfolgestreits erlebte. Seit der Mitte der 1680er-Jahren übte sich der König, so Ziegler in Übereinstimmung mit Burke, jedoch in Zurückhaltung, wenn es um den Einsatz der Sonnenikonografie ging. Ziegler deutet diese vor allem als Reaktion auf die internationale Kritik an dem als provokant empfundenen Bild. Mit den "Grenouilles de Hollande", den Fröschen, die vergeblich versuchten, die Sonne durch das Aufwühlen von Schlamm zu verdunkeln, erwiesen sich die Franzosen dagegen als wenig zimperlich, wenn es um das Verbreiten von Bildern ging, die den Gegner verunglimpften. In Frankreich erlebte die ursprünglich von den Engländern formulierte Metapher während des Holländischen Krieges ihren Höhepunkt. Solche Herabwürdigungen des Gegners durch Bilder blieben in der ludovizianischen Kunstpolitik jedoch die Ausnahme, so Ziegler. [3]
Zieglers zweiter Hauptteil ist drei Denkmälern gewidmet, die Ludwig XIV. zu Lebzeiten errichtet wurden. Hatte der Autor die Frage, ob es sich bei den gewählten Beispielen tatsächlich um "Bildpropaganda Ludwigs XIV." im Sinne seines Untertitels handelt, im Falle der von findigen Verlegern vermutlich außerhalb der königlichen Kontrollsphäre initiierten, produzierten und verbreiteten Darstellung der "Holländischen Frösche" [4] noch nicht gestellt, drängt diese sich bei dem Denkmal auf der Place des Victoires, das 1686 im Auftrag des Herzogs von La Feuillade errichtet wurde, erneut auf. Für Ziegler, der sich hier gegen die These von Andreas Köstler (wie Anm. 2) ausspricht, ist es "offensichtlich, dass die Anlage des Platzes nur mit höchster königlicher Approbation erfolgen konnte, selbst wenn das Projekt nach außen als Privatinitiative des Herzogs erschien" (82). Die öffentliche Debatte, die vor allem die Inschrift VIRO IMMORTALI, die Historiendarstellungen, sowie die als Gegner Frankreichs interpretierbaren Sklaven zu Füßen des Standbildes auslösten, ist gut untersucht (vgl. Anm. 2). Ziegler gelingt es jedoch, den bereits von Boislisle und Seelig zusammengestellten Reaktionen bislang unpublizierte Materialien hinzuzufügen.
Das Bildprogramm des seit 1685 geplanten, aber erst 1699 auf der Place Vendôme errichteten Reiterstandbilds von François Girardon wird seit langem als Reaktion des Königs auf die internationale Kritik am Standbild der Place des Victoires gedeutet. Eine Brüskierung von Alliierten und Gegnern sollte hier vermieden, dem Vorwurf der Eitelkeit entgegengetreten werden. Mehr noch: Gezielt verbreitete die königliche Publizistik jetzt das Image eines Monarchen, der, "par un mouvement de modestie", Denkmälern seiner Person inzwischen kritisch gegenüberstehe.
Wie das Denkmal auf der Place des Victoires geht auch das dritte Standbild, das Ziegler einer Analyse unterzieht, auf die Initiative einer Privatperson zurück: 1699 ließ Guido Vaini in seinem Römischen Standpalast eine Statue des französischen Königs aufstellen, um seiner Dankbarkeit für die Verleihung des Heilig-Geist Ordens Ausdruck zu verleihen. Laut Ziegler muss das Werk jedoch vor allem als der Versuch Frankreichs verstanden werden, vor dem Hintergrund der ungeklärten spanischen Erbfolge auf Innozenz XII. einzuwirken. Erbens Ausführungen (wie Anm. 2) folgend, zeichnet Ziegler nach, dass Vainis Auftrag als Fortsetzung der Rivalität verstanden werden muss, die zwischen Frankreich und Spanien in Rom bereits im 17. Jahrhundert als Konfrontation von Herrscherstandbildern ausgetragen wurde. Das römische Standbild, das ursprünglich einen Lorbeerkranz tragen sollte, zeigt Ludwig XIV. auf einer Weltkugel und einem Löwenfell stehend, also mit Attributen, die traditionellerweise mit dem Kaiser verbunden wurden. Das Löwenfell interpretiert Ziegler als Verweis auf das Wappen des Königreichs Léon und damit als "gezielte Herabsetzung Spaniens" (138) - eine Rückkehr zur diffamierenden Darstellung des Gegners im Denkmal, deren Ende Ziegler mit dem ebenfalls 1699 errichteten Denkmal auf der Place de Vendôme konstatiert hatte?
Im dritten Hauptteil beschäftigt sich Ziegler mit der Wahrnehmung Versailles im Allgemeinen und der dortigen Grande Galerie (Galerie des Glaces) im Besonderen. Zunächst schildert Ziegler die zahlreichen Reiseberichten zu entnehmenden, zum Teil durchaus kritischen Eindrücke von Touristen, um anschließend die Frage zu stellen, inwieweit sich den Besuchern die 1680 und 1684 von Le Brun ausgeführten Darstellungen der militärischen sowie innen- und außenpolitischen Erfolge Ludwigs XIV. an der Decke der Galerie inhaltlich erschlossen. Nach den vehementen Reaktionen auf die Denkmäler für Ludwig XIV. überrascht die Auswertung: Von den neun zitierten Besuchern interessierten sich fünf so gut wie nicht für den Inhalt der Darstellung, zwei äußern sich ausschließlich zur zeremoniellen Funktion des Raumes, einer empfindet die bildliche Allgegenwart des Bauherren im Schloss als anstößig - und nur einer deutet die politischen Bezüge und intendierten Machtansprüche relativ präzise. Von Rückwirkungen der Kritik auf die spätere Bildproduktion im Sinne der Fragestellung der Studie erfährt man im Falle der Versailles-Rezeption allerdings nichts.
Die Kunstpolitik Ludwig XIV., so bestätigt Zieglers Studie, war nicht "absolutus" von der öffentlichen Meinung. Die Kunstgeschichte steuert damit einen weiteren Beleg zur Dekonstruktion des Absolutismusbegriffs bei, die sich in der Geschichtswissenschaft schon seit den 80er-Jahren als opinio communis durchgesetzt hat. Dennoch blieb Kunst für den Sonnenkönig ein Mittel zur Artikulation und zur Durchsetzung konkreter politischer Interessen, so Ziegler. Von der Macht der Bilder und der Macht der Meinung vermitteln die hier versammelten Beispiele auf jeden Fall einen anschaulichen Eindruck.
Anmerkungen:
[1] Arthur-Michel de Boislisle: La Place des Victoires et la Place de Vendôme. Notices historiques sur les monuments éléves à la gloire de Louis XIV, in: Mémoires de la Société de l'Histoire de Paris et de l'Ille-de-France 15 (1888), 1-272; Lorenz Seelig: Studien zu Martin van den Bogaert, gen. Desjardins (1637-1694), Altendorf 1980; Friedrich Polleroß: Sonnenkönig und österreichische Sonne. Kunst und Wissenschaft als Fortsetzung des Krieges mit anderen Mitteln, in: Wiener Jahrbuch für Kunstgeschichte 40 (1987), 239-256; Peter Burke: The Fabrication of Louis XIV, New Haven / London 1992, Kap. 10-11.
[2] Seelig (wie Anm. 1), 74, 108 und 202f.; Seeligs Deutung folgen Rochelle N. Ziskin: The Place de Nos Conquêtes and the Unraveling of the Myth of Louis XIV, in: Art Bulletin 76 (1994), 147-162, v.a. 160; Richard L. Cleary: The Place Royale and Urban Design in the Ancien Régime, Cambridge 1999, v.a. 74; Andreas Köstler: Place Royale. Metamorphosen einer kritischen Form des Absolutismus, München 2003, 115. Zum Standbild Ludwigs XIV. in Rom und seiner diplomatischen Vorgeschichte vgl. Dietrich Erben: Paris und Rom. Die staatlich gelenkten Kunstbeziehungen unter Ludwig XIV., Berlin 2004 (Studien aus dem Warburg-Haus, Bd. 9), 222- 237 und 246-251.
[3] Zum Zusammenhang zwischen dieser Abstinenz und der französischen Kunsttheorie siehe Ausst.-Kat. Krieg der Bilder. Druckgraphik als Medium politischer Auseinandersetzung im Europa des Absolutismus, hg. von Wolfgang Cilleßen, Berlin 1997, 253.
[4] Cilleßen (wie Anm. 3), 106f. und 114f.
Michaela Völkel