Glenn Burgess: British Political Thought 1500-1660. The Politics of the Post-Reformation (= British Studies Series), Basingstoke: Palgrave Macmillan 2009, xiv + 432 S., ISBN 978-0-333-57411-9, GBP 22,99
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Fast schon gegen Ende seines Überblicks über die Geschichte politischer Ideen in Großbritannien zwischen Reformation und englischer Revolution zitiert Glenn Burgess einen Satz aus Hobbes' Leviathan, der als Motto über dem gesamten Werk stehen könnte:
"The most frequent praetext of Sedition, and Civill Warre, in Christian Common-wealths hath a long time proceeded from a difficulty [...] of obeying at once, both God, and Man, then when their Commandments are one contrary to the other." (296)
Die Spannung zwischen dem Loyalitätsanspruch weltlicher Herrscher und dem Gehorsam, der Gottes Geboten geschuldet war, beschäftigte nicht nur Hobbes, sondern zog sich seit der Reformation wie eine Grundkonstante durch die politischen Diskurse Englands und Schottlands. Mit dem Verschwinden kirchlicher Einheit, so Burgess, habe der beanspruchte Vorrang der religiösen vor den weltlichen Gesetzen, wie er bereits im Mittelalter formuliert worden sei, eine ungeahnte Sprengkraft erhalten: "In the post-Reformation situation [...] [it was] easy for groups and individuals to feel that their religious duties might actually lead them into direct or indirect conflict with the state." (65)
Fortan war der Konflikt zwischen Gewissen und säkularer Herrschaft aus den Debatten über die Verfasstheit des Gemeinwesens nicht mehr wegzudenken. Ob die Autoren der Tudor- und Stuart-Zeit die Interaktion von weltlicher und geistlicher Macht beschrieben, das Verhältnis des Einzelnen oder einzelner Gruppierungen zur Obrigkeit diskutierten, oder den Ursprung von Gesellschaft und Herrschaft herleiteten, stets stellte sich die Frage nach dem rechten Verhältnis von Religion und Politik.
Die Antworten, die während des 16. und 17. Jahrhunderts in unterschiedlichsten Kontexten gegeben wurden, präsentiert Burgess in zwei großen, chronologisch geordneten Abschnitten. In einem ersten Teil, der den Zeitraum bis 1640 umfasst, behandelt er nach einer einleitenden Diskussion humanistischer "Commonwealth"-Entwürfe vor allem die theoretische Begründung der "Royal Supremacy" unter Heinrich VIII. und die ausgedehnten Diskussionen über den Charakter und das Ausmaß monarchischer Herrschaft. Widerstandstheorien, wie sie Mitte des 16. Jahrhunderts im Kontext der "Marian Exiles" und von schottischen Calvinisten sowie nach 1558 von englischen Puritanern und Katholiken entwickelt wurden, werden ebenso erörtert wie Versuche zur Legitimierung monarchischer Herrschaft in Form des "divine right of kings" und des Konzepts der "passive obedience". Breiten Raum nehmen auch die Debatten des ausgehenden 16. Jahrhunderts, die sich um die Mischverfassung und eine in ihrer Machtfülle begrenzte Monarchie drehten, sowie die Schriften Jakobs I. zum Gottesgnadentum und ihr Verhältnis zum Common Law ein.
Auf ebenso vielen Seiten wie die ersten 140 Jahre beschreibt Burgess anschließend die zwei Jahrzehnte des Bürgerkriegs und der Republik. Er zeichnet detailliert die Radikalisierung royalistischer wie parlamentarischer Positionen im Laufe der 1640er Jahre nach und gelangt anschließend über eine eingehende Diskussion der Leveller und der Führung der New Model Army zum religiösen Radikalismus der Digger, Millenarians und Quaker. Sein Überblick endet mit den Versuchen Thomas Hobbes' und republikanischer Autoren wie James Harrington, der religiösen Überformung des Gemeinwesens eine politische Begründung staatlicher Gewalt entgegenzusetzen.
All dies ist, wie bei einem Gelehrten vom Rang Burgess' nicht anders zu erwarten, kundig und souverän dargestellt. Die Diskussion der Einzeltexte besticht durch präzise Darlegung komplexer Sachverhalte und erschließt immer wieder interpretatorisches Neuland. Eine ähnlich luzide Zusammenfassung von Hobbes' Leviathan, wie sie in diesem Buch nachzulesen ist, wird man etwa selten finden. Und George Buchanans De Jure Regni gewinnt, um ein weiteres Beispiel zu nennen, in Burgess' Interpretation eine ungeahnte Stringenz und Geschlossenheit.
Dessen ungeachtet wird man natürlich nicht allen Wertungen kritiklos zustimmen, zumal Burgess Lesarten der britischen Geschichte vertritt, die bereits in der Vergangenheit (im Zusammenhang mit den Debatten um die Ursachen der englischen Revolution) heftig angegriffen worden sind. So findet sich seine umstrittene These von einem ideologischen Grundkonsens, der die politische Elite Englands im frühen 17. Jahrhundert ungeachtet aller Konflikte zusammengehalten habe, auch in diesem Band wieder (142-170).
Ohne Frage gelungen ist Burgess dagegen, was er eingangs als eines seiner Ziele benennt, nämlich der Religion den zentralen Platz innerhalb der Geschichte politischer Ideen zuzuweisen, der ihr in der Vergangenheit von einer im Banne säkularer Konzepte stehenden Ideengeschichte angelsächsischer Prägung oftmals vorenthalten wurde. Unabweisbar legt Burgess dar, welche tiefen Spuren die Aporie der nach-reformatorischen Welt in den Schriften seiner Protagonisten hinterlassen hat.
Dabei darf freilich nicht unerwähnt bleiben, dass Burgess' Ansatz überraschend konventionell ist. Im Zentrum seines Buches stehen die großen Werke der "canonical writers" (xii), eines Thomas More, John Knox, George Buchanan, Richard Hooker, Jakob I., Thomas Hobbes oder James Harrington. Um sie herum gruppieren sich die Traktate weniger berühmter, dem Kenner der britischen Geschichte aber wohl bekannter politischer Publizisten, Staatstheoretiker und Theologen (von Thomas Starkey über Henry Parker zu Gerrard Winstanley, um nur einige Beispiele zu nennen). Literarische Texte, Flugschriften oder anderes Alltagsschrifttum sucht man dagegen (bis auf wenige Ausnahmen im zweiten Teil) vergeblich.
Auch die textimmanente Herangehensweise wirkt reichlich traditionell. In der Regel arbeitet Burgess ausführlich die wichtigsten Aussagen und Argumentationslinien einer Schrift heraus und schreitet dann zum nächsten Werk fort, um dieses in gleicher Weise zu analysieren, ohne dabei näher auf Fragen nach Publikationsbedingungen, Verbreitung oder Diskurspartnern einzugehen. Zusammenhänge zwischen den Texten werden allenfalls innerhalb einzelner Kapitel und selbst dann nicht immer hergestellt. Die Aufgabe, größere Entwicklungslinien zu ziehen, überlässt Burgess vor allem im ersten Teil seinen Lesern. Im Endeffekt präsentiert sich der Band deshalb über weite Strecken als eine Folge in sich abgeschlossener und locker aneinander gefügter Essays zu einzelnen politischen "Denkern".
In der Konsequenz dieses selbstgenügsamen Ansatzes liegt es wohl auch, dass Burgess europäische Zusammenhänge weitgehend ausblendet. Punktuell geht er zwar auf kontinentale Quellen seiner Texte, wie etwa Bodin oder die lutherische Widerstandstheorie (58-60), ein, aber dies sind seltene und kaum ausgeführte Beispiele. Dagegen fehlt jeder Hinweis auf die Monarchomachen, die internationale Dimension der Oath of Allegiance-Debatte (148ff.) oder die Einflüsse kontinentaleuropäischer Widerstandstheorien im Großbritannien der 1640er Jahre. [1] Dies ist umso bedauerlicher, als Burgess selbst vor kurzem einen wichtigen Sammelband zu einer europäischen Geschichte politischer Ideen mit herausgegeben hat. [2] Hier wurde eine Chance verschenkt, einer souveränen und auf stupender Kenntnis ihres Textcorpus beruhenden Darstellung eine weitere Dimension hinzuzufügen.
Anmerkungen:
[1] Vgl. zu letzterem Aspekt zusammenfassend Regina Pörtner: "The highest of time": Verfassungskrise und politische Theorie in England 1640-1660, Berlin 2009, 46-56.
[2] Howell A. Lloyd / Glenn Burgess / Simon Hodson (eds.): European Political Thought, 1450-1700. Religion, Law and Philosophy, New Haven / London 2007.
Michael Schaich