Katrin Keller: Kurfürstin Anna von Sachsen. 1532-1585, Regensburg: Friedrich Pustet 2010, 240 S., ISBN 978-3-7917-2270-2, EUR 22,00
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Kurfürstin Anna von Sachsen (1532-1585) gilt als eine der bekanntesten und in vielen Bereichen engagiertesten wie bedeutendsten Fürstinnen der Frühen Neuzeit. Als "Mutter Anna" wird sie bis heute im historischen Gedächtnis der Sachsen bewahrt und verehrt. Katrin Keller legt nun die erste moderne Biografie der Fürstin vor und stützt sich dabei in erster Linie auf den umfangreichen überlieferten Briefwechsel. Sie möchte "der Person" (10) nachspüren, also der Fürstin in all ihren Facetten und Funktionen von der Ehefrau und Mutter über die Politikerin bis hin zur "Apothekerin der deutschen Fürsten" (6). Die Biografie verlässt zum Teil den klassischen Weg der Chronologie und folgt stattdessen thematischen Schwerpunkten.
So erfährt der Leser zunächst etwas über die Kindheit und Jugend der Tochter des dänischen Königs Christian und seiner Frau Dorothea von Schleswig und Holstein, ihre Hochzeit und wohl recht glückliche Ehe mit August von Sachsen sowie die Erfüllung ihrer Aufgaben als Ehefrau und "liebende und besorgte", aber auch "strenge Mutter" (37, 39) von insgesamt 15 Kindern, von denen lediglich ein Sohn und drei Töchter das Erwachsenenalter erreichten. Annas Erziehungsmethoden waren anscheinend sehr erfolgreich, und so wurden auch Kinder anderer adliger Familien an den Dresdener Hof geschickt. Katrin Keller gibt des Weiteren Einblicke in die fürstliche Lebenswelt, die Finanzierung des Hofstaats, Orte der Repräsentation und höfische Feste. Sie bescheinigt der Kurfürstin herausragende Gastgeberqualitäten, ein gutes Händchen in der Auswahl ihrer Hoffräulein, zudem ein stilsicheres Auftreten in der Öffentlichkeit - kurzum: Anna war eine erfolgreiche Managerin des fürstlichen Alltags.
In zwei großen Kapiteln widmet sich Katrin Keller dann zum einen der Kurfürstin als Politikerin an der Seite ihres Mannes, zum anderen als "Mater Ecclesiae", als fromme Frau und Verfechterin des "reinen" Luthertums. Dabei wird deutlich, wie geschickt und diplomatisch klug Anna mit ihrer weitreichenden Korrespondenz und den sie oftmals begleitenden kleinen Geschenken sowie ihrer Rolle als Fürbitterin und Vermittlerin - ganz dem Vorbild der mittelalterlichen Königinnen folgend - ein "Netzwerk gegenseitiger Verpflichtungen" (102) aufbaute und erfolgreich auch auf der Ebene der Reichspolitik zu nutzen wusste. Zur Festigung ihrer Reputation trug sicher auch ihr mit absoluter Konsequenz verfolgter Standpunkt in der konfessionellen Frage bei: Sie betrieb eine aktive Konfrontation und Abgrenzung gegen die Calvinisten (148) zugunsten der Verteidigung der reinen lutherischen Lehre, was "langfristige Auswirkungen auf [die] konfessionelle[n] Entwicklungen" (ebenda) im Reich hatte.
Wie einige andere Fürstinnen ihrer Zeit, so zum Beispiel Anna Maria von Württemberg oder Dorothea von Mansfeld, besaß Anna von Sachsen umfassende Kenntnisse der Zusammensetzung und Zubereitung von Arznei- und Heilmitteln wie von Kosmetika des 16. Jahrhunderts und versorgte damit sowohl das "einfache" Volk als auch adlige Kreise. Dem Abschnitt über "die Apothekerin" folgen noch Kapitel zu Krankheit und Tod der Kurfürstin, Annas unglücklichen Töchtern und einer ihrer Nichten sowie zu ihrem Bild als "Landesmutter" in der Geschichtsschreibung.
Katrin Keller stützt sich auf die beiden älteren Biografien der Kurfürstin von Karl von Weber (1865) und Konrad Sturmhoefel (1905), dazu auf zahlreiche Einzelstudien zu Anna von Sachsen, insbesondere die bis zum Erscheinen des Buches noch unveröffentlichte Arbeit von Pernille Arenfeldt zur Rolle der Kurfürstin in der Politik. Inwieweit die Autorin sich mit diesen Studien auseinandergesetzt hat, ihren Ergebnissen gefolgt ist oder sie widerlegt hat, muss offen bleiben, da die wenigen Endnoten - im Übrigen etwas leserunfreundlich ans Ende des Buches gesetzt - überwiegend die Quellenzitate belegen. Dies gilt gleichsam für die Rezeption der Arbeiten von Heide Wunder, Claudia Opitz, Olwen Hufton, Anja V. Hartmann oder Amalie Fößel zur Herrschaft beziehungsweise politischen Betätigungen von Frauen im Mittelalter und der Frühen Neuzeit, die zwar im Literaturverzeichnis aufgeführt sind, aber keinerlei Erwähnung im Text finden. Berücksichtigt wurde wohl auch die Dissertation von Andrea Lilienthal zu den welfischen Herzoginnen des 16. Jahrhunderts (2007), allerdings setzt sich Keller weder methodisch mit den Begrifflichkeiten "doing Fürstin" und "beeing Fürstin", die Lilienthal als Ordnungsschemata verwendet, auseinander, noch positioniert sie sich innerhalb des weiten Feldes der historischen Biografik. Ein theoretischer 'Über- oder Unterbau' beziehungsweise ein theoretisches Gerüst scheint also nicht gewollt zu sein. Die Autorin belässt es mit ihrer Biografie vielmehr bei einer konventionellen - aber natürlich substantiellen - Arbeitsmethode, der Auswertung der historischen Quellen, in diesem Fall der umfangreichen Korrespondenz. Hierin liegen sicher auch die Stärken der Arbeit: Katrin Keller präsentiert auf der Grundlage der Briefe Annas und den daraus gewonnenen persönlichen, ja beinahe schon intimen Einsichten in das Leben und Wirken ein Bild der Kurfürstin, das sich aus politischen Akten freilich kaum ergeben kann.
Unklar ist jedoch, warum Keller nur zum Teil der Chronologie folgt. Sie schreibt in der Einleitung, das Leben der Fürstin lasse sich in die zwei großen Abschnitte Kindheit / Jugend und Ehe aufteilen - da sie vor ihrem Mann gestorben ist, blieb ihr die Witwenzeit erspart -, weshalb sich als Strukturierung ihres Lebens und Wirkens eher thematische Schwerpunkte anböten, doch ist das keine zwingende Begründung für die von der Autorin gewählte Vorgehensweise. Aufgrund der oben angemerkten unklaren Auseinandersetzung mit der Forschungsliteratur und mangelnden Hinweisen im Text lässt sich leider auch nicht beurteilen, welche Erkenntnisse neu sind und welche bislang unbekannten Facetten der Kurfürstin Katrin Keller aufdecken konnte. Kritisch anmerken muss man noch die etwas unmotivierte Platzierung der Abbildungen, die schwarz-weiß sind und im Buch sinnvoll hätten verteilt werden können (sie befinden sich als Block in der Mitte des Buches). So wird zum Beispiel in der Einleitung ein Wandgemälde in der Meißner Albrechtsburg aus dem Jahr 1878 beschrieben, das sich beim weiteren Blättern als Abbildung 1 entpuppt. Hier wäre entweder ein Verweis auf den Abbildungsteil sinnvoll gewesen oder gleich die Platzierung des Bildes an Ort und Stelle. Zumeist fehlt im Text der Bezug auf die Bilder ganz, der sich oftmals angeboten hätte. So 'verpuffen' die Wirkung und Aussagekraft der bildlichen Zeugnisse auf einer rein illustrativen Ebene. Die spärlichen Endnoten, die nicht vorhandene Forschungsdiskussion sowie die Platzierung der Abbildungen sind allerdings wohl eher dem vom Verlag vorgegebenen Format des Buches geschuldet und weniger der Autorin anzulasten. Fraglich ist allerdings, ob die Arbeit damit ihre durchaus verdiente Rezeption im wissenschaftlichen Diskurs findet.
Katrin Keller präsentiert mit ihrer Arbeit die erste moderne Biografie der Kurfürstin Anna von Sachsen, die sowohl neue Quellen als auch Ergebnisse zahlreicher Einzeluntersuchungen zusammenführt. Sie blickt "hinter die Fassade" (10) der bis heute als "Mutter Anna" verehrten Regentin und reiht sich damit in die Riege der Historikerinnen und Historiker ein, die Anna von Sachsen in den letzten Jahren nicht nur wieder, sondern "geradezu neu entdeckt" (11) haben.
Simone Buckreus