Stefan Berger / Norman LaPorte: Friendly Enemies. Britain and the GDR, 1949-1990, New York / Oxford: Berghahn Books 2010, XIV + 386 S., mit vier Tabellen, ISBN 978-1-84545-697-9, USD 95,00
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Die westeuropäischen Staaten und die DDR unterhielten zwar vielfältige Beziehungen, aber diese waren weder für Ost-Berlin noch für die Westeuropäer von herausgehobener Bedeutung. Das gilt auch für das ostdeutsch-britische Verhältnis. Dennoch sind seit 1990 zahlreiche Monographien und Sammelbände zu diesem Thema erschienen. Das Buch von Stefan Berger und Norman LaPorte knüpft an diese Veröffentlichungen an, geht aber in zweierlei Hinsicht über sie hinaus: zum einen, indem es erstmals den gesamten Zeitraum der beiderseitigen Beziehungen umfasst, und zum anderen, indem es die ganze Breite der ostdeutsch-britischen Kontakte berücksichtigt. Letzteres geht auf Kosten der politisch-diplomatischen Beziehungen und deren Vorläufer vor 1973. Da Henning Hoff die Diplomatie auf Umwegen in den ostdeutsch-britischen Beziehungen vor der Anerkennung bereits umfassend untersucht hat [1], ist dies für die ersten zwei Jahrzehnte kein großer Verlust; für die Zeit danach hätte man sich jedoch eine intensivere Auseinandersetzung mit den politischen Beziehungen, unter anderem aufgrund der Akten der beiden Außenministerien gewünscht, die bei Abschluss des Manuskripts immerhin bis 1979 verfügbar waren. Ansonsten haben die Autoren jedoch auf eine Fülle amtlicher Archivalien und privater Papiere aus Großbritannien und Deutschland zurückgegriffen.
Das Buch ist chronologisch gegliedert, so dass die einzelnen Phasen in den Beziehungen klar voneinander zu unterscheiden sind. Bis 1955 spielte die DDR für Großbritannien kaum eine Rolle; die Versuche Ost-Berlins, das eigene Erscheinungsbild als das "bessere Deutschland" aufzupolieren, erlitten mit der Niederschlagung des Volksaufstands vom 17. Juni 1953 einen erheblichen Rückschlag. Obwohl London den Alleinvertretungsanspruch des westdeutschen Verbündeten offiziell stets unterstützte, mehrten sich nach 1955 die britischen Stimmen, die sich für eine "De-facto-Anerkennung" einsetzten. Der Mauerbau und die Niederschlagung des Prager Frühlings kosteten die DDR zwar einige der mühsam errungenen Sympathien in Großbritannien; dennoch wurden die Forderungen nach einer DDR-Anerkennung bzw. nach Fortsetzung der Entspannungspolitik verstärkt. Zwischen 1955 und 1972 war die DDR, Berger und LaPorte zufolge, "more successful in discrediting the FRG than in promoting itself" (166).
Nach der Aufnahme diplomatischer Beziehungen 1973 verlor Großbritannien sein Interesse an der DDR vor allem deshalb, weil die Berlin-Frage inzwischen geregelt und hier der Ausbruch einer erneuten Krise unwahrscheinlich geworden war. London machte sich freilich zunächst noch Illusionen im Hinblick auf einen Boom in den beiderseitigen Wirtschaftsbeziehungen; das Foreign Office bezeichnete die DDR im Dezember 1973 als "dull but successful" und prognostizierte, dass diese im Begriff sei, hinsichtlich des Lebensstandards die Lücke zur Bundesrepublik zu schließen (175). Dass die Labour Party und die Führung des Trade Union Congress (TUC) in den 1970er Jahren deutlich nach links rückten, stimmte Ost-Berlin optimistisch: Insgesamt, so das zutreffende Urteil der Autoren, waren die Jahre unmittelbar nach der Anerkennung "the heyday of East German diplomacy and foreign policy vis-à-vis the West" und damit auch gegenüber Großbritannien (172). Dennoch bedeutete die Normalisierung der Beziehungen nicht deren Intensivierung.
Einen letzten Einschnitt sehen Berger und LaPorte im Jahr 1979 - nicht so sehr wegen des Regierungswechsels zu den Konservativen unter Margaret Thatcher, die gegenüber der DDR "business as usual" praktizierte, sondern wegen des Ausbruchs des Zweiten Kalten Krieges. Infolge der Ausrufung des Kriegsrechts in Polen, das nur von der äußerst linken Bergarbeitergewerkschaft sowie dem Schottischen Gewerkschaftsbund unterstützt wurde, brach der TUC seine Beziehungen zum FDGB wegen dessen Haltung zu Solidarność ab. Im letzten Jahrzehnt ihrer Existenz stagnierten die Beziehungen der DDR zu Großbritannien: Honecker wurde nicht zu dem von ihm angestrebten Staatsbesuch nach London eingeladen, und der Wirtschaftsaustausch ging zurück. Als 1989/90 die DDR unterging und in Großbritannien Schreckensvisionen eines "Vierten Reichs" kursierten, konnte die DDR, die seit 1985 im Vergleich zur Sowjetunion unter Gorbatschow nicht nur in Großbritannien als "increasingly ossified and authoritarian" (296) wahrgenommen wurde, nicht mehr davon profitieren.
Die großen Verdienste von Berger und LaPorte liegen darin, die unterschiedlichsten ostdeutsch-britischen Kontakte geradezu minutiös ausgeleuchtet zu haben. Dabei stellen sie einleitend einerseits zutreffend fest, dass die ostdeutsch-britischen Beziehungen "were perhaps surprisingly diverse and manifold" (24), verdeutlichen andererseits aber, dass letztlich nur eine kleine Minderheit in Großbritannien ein Interesse an der DDR zeigte. In den einzelnen Abschnitten wird daher auf die Parlamentarierkontakte, das Verhältnis der SED zur Communist Party of Great Britain (CPGB) und zur Labour Party, die Beziehungen zwischen ostdeutschen und britischen Gewerkschaften sowie zwischen FDGB und TUC, den Friedensorganisationen, den Kirchen, den Freundschaftsgesellschaften, auf Städtepartnerschaften und Kontakte im Bildungswesen eingegangen.
Die Analyse der Kontakte zwischen SED, CPGB und Labour sowie zwischen den ostdeutschen und britischen Gewerkschaften hat die überraschendsten Ergebnisse hervorgebracht: So war das Verhältnis zum CPGB spätestens ab 1956 mehr von Spannungen als von Einvernehmen geprägt, und die SED suchte aufgrund der randständigen Bedeutung der britischen Kommunisten von Anfang an eher nach Sympathisanten unter der Labour Party, was zum Teil auch gelang. Die Gewerkschaftsbeziehungen wiederum entziehen sich einer eindeutigen Kennzeichnung: Während bis 1973 der antikommunistische TUC Kontakte zum FDGB ablehnte, verbesserten sich die Beziehungen unter dem damals gewählten Generalsekretär Len Murray, bevor sie sich zu Beginn der 1980er Jahre wieder verschlechterten. Sehr gut war hingegen das Verhältnis zwischen einzelnen Gewerkschaften, etwa zwischen denen der Bergarbeiter, was dazu führte, dass die ostdeutschen (und osteuropäischen) Gewerkschaften der britischen National Union of Miners 1984/85 schätzungsweise 1,4 Mio. Pfund überwiesen, um diese in ihrem großen Streik zu unterstützen.
Bei den Kirchenbeziehungen fällt eine Besonderheit ins Auge, die sich auch auf andere gesellschaftliche Bereiche übertragen lässt: Der DDR war zwar an prestigeträchtigen Besuchen hoher Würdenträger, wie etwa des Erzbischofs von Canterbury, gelegen, wollte aber die Kontakte unter einfachen Geistlichen und Gemeinden möglichst unterbinden. An einem echten Austausch war die DDR folglich nicht interessiert; trotz aller Auslandskontakte sollte die eigene Gesellschaft vor fremden Einflüssen abgeschirmt werden.
Auf britischer Seite wollten insbesondere religiöse Sozialisten wie der Dean von Coventry, Paul Oestreicher, vornehmlich aufgrund ihres Interesses an Entspannung und Frieden Verbindungen in die DDR knüpfen. Das Friedensthema wiederum wurde von DDR-Seite instrumentalisiert, um an die auch in Großbritannien tätigen Friedensorganisationen CND (Campaign for Nuclear Disarmament) und END (European Nuclear Disarmament) heranzutreten und diese insbesondere in ihre Kampagne gegen den NATO-Doppelbeschluss einzubinden. Beim CND war der ostdeutsche politisch gesteuerte Friedensrat zwar teilweise erfolgreich: In einem CND-Bericht von 1987 hieß es etwa, dass die SED "Glasnost with a German face" anstrebe. (274) END unterhielt jedoch auch Beziehungen zu den westdeutschen Grünen und ostdeutschen Friedensgruppen, die keineswegs im Sinne der SED waren. 1983 kam es mit der Verhaftung der END-Aktivistin Barbara Einhorn auf ihrem Rückweg von einem Treffen mit einer Reihe von ostdeutschen friedensengagierten Frauen zu einem Eklat, der mit deren raschen Freilassung endete.
Die Motive der beiden Seiten, Kontakte zur jeweils anderen zu knüpfen und zu halten, liegen für die DDR auf der Hand: Hier ging es vor allem um Anerkennung und Prestigegewinn. Was die britische Seite betrifft, so machen die Autoren bei den unterschiedlichen Personen und Gruppierungen eine Vielzahl von Beweggründen aus: ideologische Sympathien auf der Linken, die Hoffnung, damit der Entspannung und dem Frieden zu dienen, die Ablehnung kruder antikommunistischer Stereotypisierung, Sympathie für den deutschen "underdog" sowie den Glauben an die ostdeutsche Wirtschaftskraft. Angesichts dieser wohltuend differenzierten Analyse ist man etwas erstaunt, wenn es an anderer Stelle etwas unvermittelt heißt: "one should not underestimate to what extent the GDR was perceived as a good place, in particular for workers, with good social security, guaranteed employment, high standards of living and low crime rates." (261) In Anbetracht des ebenfalls hervorgehobenen Umstands, dass die vorherrschende Haltung zur DDR in Großbritannien Desinteresse war, lässt sich eine solch weitreichende Aussage wohl kaum belegen. Insgesamt handelt es sich bei Friendly Enemies jedoch um eine grundlegende Arbeit, an der niemand, der sich künftig mit den ostdeutsch-britischen Beziehungen beschäftigt, vorbeikommen wird.
Anmerkung:
[1] Henning Hoff: Großbritannien und die DDR 1955-1973. Diplomatie auf Umwegen, München 2003.
Hermann Wentker