Werner Greve: James Bond 007. Agent des Zeitgeistes, Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 2012, 175 S., ISBN 978-3-525-40439-3, EUR 19,95
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Am Ende war der Druck doch zu groß. Premierminister Anthony Eden hatte lange darauf vertraut, dass seine unrühmliche Rolle beim Suez-Debakel von 1956 allmählich von neuen Ereignissen überdeckt werden würde. Sein Versuch, im Schulterschluss mit Frankreich und Israel den ägyptischen Präsidenten Gamal Abdel Nasser auf Normalmaß zu stutzen, war am Widerstand der Eisenhower-Administration gescheitert. Großbritannien musste klein beigeben, als seine Devisenreserven bedrohlich zusammenschmolzen und die USA den britischen Rückzug von der Sinai-Halbinsel zur Bedingung für Finanzhilfen machten. Im Januar 1957 nahm Eden schließlich seinen Hut, nachdem er zuvor noch in Goldeneye, dem jamaikanischen Feriendomizil Ian Flemings, Erholung gesucht hatte. Fleming konnte auf eine Karriere als Mitarbeiter des britischen Marinegeheimdiensts zurückblicken und war zwischenzeitlich zum Foreign Manager der Sunday Times avanciert. Im Jahr 1953 veröffentlichte er den ersten Roman aus der James-Bond-Reihe, die ihn weit über die Grenzen des Vereinigten Königreichs hinaus berühmt machen sollte. Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, dass die Bond-Saga just in jenem historischen Augenblick ihren Siegeszug antrat, als das Britische Empire vermehrt in Rückzugsgefechte verwickelt wurde, von denen das Suez-Abenteuer Edens sicher das mit der größten Öffentlichkeitswirkung war. [1]
Werner Greve widmet sich vor allem den Verfilmungen der Bond-Romane, die seit "Dr. No" im Jahr 1962 zum Standardrepertoire des Actionkinos gehören. Mittlerweile schreiben die 007-Filme seit einem halben Jahrhundert Kinogeschichte. Im Herbst 2012 kommt mit "Skyfall" der dreiundzwanzigste Bond in die Lichtspielhäuser. Der Psychologe Greve möchte die Bond-Streifen als Sonde nutzen, um den Zeitgeist zu vermessen. Gerade das Unterhaltungskino eigne sich für ein solches Unterfangen vorzüglich, da es die Entwicklung wichtiger Verhaltens- und Denkmuster zuverlässig abbilde. Da die 007-Reihe den "paradigmatische[n] Fall für sozial akzeptiertes Unterhaltungskino" (22) darstelle, liege es nahe, den Spuren des smarten Agenten im Geheimdienst Ihrer Majestät durch die Dekaden zu folgen. Dass Bond längst im globalen Alltag angelangt ist, sehe man allein daran, dass die Metaphorik und Sprache der Filme nicht weiter erläuterungsbedürftig erscheinen und sich daher als probates Versatzstück unterschiedlichster Marketingstrategien einsetzen lassen. Umgekehrt genießt das Product Placement in den Filmen selbst fast schon Kultstatus, den vor allem die Autoindustrie zu nutzen weiß; dies bewog indes böse Zungen vor zehn Jahren dazu, den damals neuen Bond in "Buy Another Day" umzutaufen. Im Übrigen enthalten die Filme eine hohe Zahl an Wiedererkennungseffekten, die einerseits Langweiligkeit geradezu strukturell heraufbeschwören, andererseits jedoch die Varianten der einzelnen Streifen zum geeigneten Untersuchungsobjekt machen.
Als Held, der - ganz altmodisch - seine Pflicht tut und dessen Lizenz zum Töten ihn nicht zu Exzessen hinreißt, begegnet Bond seit fünfzig Jahren dem Bösen in vielerlei Gestalt. Zur Zeit des Kalten Kriegs waren die Opponenten häufig im kommunistischen Lager angesiedelt, wiewohl weder Dr. No noch Rosa Klebb in offizieller Mission ihrer Länder die freie Welt herausforderten. Und als "Prototyp der Entspannung" (71) verkörperte General Gogol ab 1977 für ein Jahrzehnt lang das verlässliche, wenn auch ideologisch anders gepolte Pendant im Geheimdienst der werktätigen Massen. Als Pierce Brosnan erstmals 1995 in "GoldenEye" Martini schütteln ließ, gönnten die Drehbuchautoren dem Film sogar einen Hauch von Selbstkritik: Wenige Jahre nach Ende des Kalten Kriegs musste sich Bond von seinem Widersacher die Frage gefallen lassen, weshalb das Vereinigte Königreich 1945 die Lienzer Kosaken an Stalins Schergen auslieferte. Greve sieht in diesen Verzweigungen des Plots die Bestätigung dafür, dass die Bond-Filme "objektiv sensibel am Puls der Entwicklung" (75) sind. Das Erfolgsrezept der 007-Reihe führt er auf das aus der Alterspsychologie bekannte SOK-Modell zurück. Demzufolge gelingt es den Bond-Produzenten immer wieder aufs Neue, durch sorgfältige Selektion der Drehorte und Schauspieler, fortwährende Optimierung zum Beispiel des Marketings und die zeitgeistaffine Kompensation etwaiger Defizite wie des Chauvinismus die 007-Reihe intergenerationell anschlussfähig zu machen.
Gerade der Umgang Bonds mit Frauen hat viele Pfeile auf sich gezogen. Dabei habe, so Greve mit statistischem Rückhalt, der alerte Agent weniger Frauen gehabt als gemeinhin angenommen. Andererseits dominierte bei den Bond-Girls bis Mitte der siebziger Jahre klischeehaft der anlehnungsbedürftige Typ - oft mit sexuell anzüglichen Namen -, während danach für kurze Zeit professionell wie persönlich ebenbürtige Gegen- oder Mitspielerinnen die Leinwand bevölkerten. Danach muss Greve einen Rückschritt verzeichnen, obwohl 1995 Bonds erster Rapport bei der neuen M, gespielt von Judi Dench, zweifelsohne zu den Sternstunden der Reihe zählt. Das laszive Auftreten der Bond-Girls in den sechziger Jahren betrachtet Greve indes auch als Widerschein einer emanzipatorischen Entwicklung, deren Signum die Pille war, die Frauen eine offensivere Erotik ermöglichte. Ein gefühlskalter Zyniker sei Bond jedenfalls nicht. Beim Thema Homosexualität hingegen wirkten, so Greve, die 007-Streifen bis heute reichlich verklemmt.
Greve lenkt am Schluss den Blick auf eine Forschungsagenda, die sich aus seinen sozialwissenschaftlichen Skizzen ergeben könnte. Eine solche Agenda müsste freilich historisch größeren Tiefgang aufweisen, als dies bei Greves Einlassungen der Fall ist. Denn um Unterhaltungsfilme als präzise Zeitgeistsonden nutzen zu können, bedarf es einer intensiveren Auseinandersetzung mit dem zeitgeschichtlichen Hintergrund, der bei Greve nur punktuell aufblitzt. Die Konjunkturen des Kalten Kriegs spielen dabei ebenso eine Rolle wie die Veränderungen im Konsumverhalten, der globale Terror ebenso wie der Technikdiskurs, die transatlantischen Beziehungen nach dem britischen Abschied vom Empire nicht weniger als das Bild vom exotisch Anderen.
Anmerkung:
[1] Vgl. hierzu David Cannadine: James Bond & the Decline of England, in: Encounter 09/1979, 46-55; James Chapman: Licence to Thrill. A Cultural History of the James Bond Films, London / New York 1999.
Gerhard Altmann