Jürgen Müller (Bearb.): Der Deutsche Bund in der nationalen Herausforderung 1859-1862 (= Quellen zur Geschichte des Deutschen Bundes. Abteilung III: 1850-1866; Bd. 3), München: Oldenbourg 2012, LXII + 920 S., ISBN 978-3-486-70927-8, EUR 184,00
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Jürgen Müller: Der Deutsche Bund 1815-1866, München: Oldenbourg 2006
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Jürgen Müller, der bereits die ersten beiden, 1996 und 1998 erschienenen Bände zur Entwicklung des Deutschen Bundes nach der Revolution von 1848/49 bis zu seinem Untergang im preußisch-österreichischen Krieg gewidmeten Reihe bearbeitet hat [1], hat nun den dritten und vorletzten Band dieser Unterabteilung des Editionsprojekts der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften vorgelegt. Während der chronologische Zuschnitt der ersten beiden Bände nach klaren inhaltlichen Zäsuren erfolgte - dem Abschluss der Reorganisation des Deutschen Bundes 1851 und dem Ausklang der nachrevolutionären nationalpolitischen Ruhephase im Jahr 1858 -, bricht der anzuzeigende Band, um ihn "nicht über Gebühr anschwellen zu lassen" (XXXIX), mit dem Jahresende 1862 ab, als die durch den italienischen Krieg 1859 angestoßenen bundespolitischen Debatten noch keineswegs abgeschlossen waren, sondern vielmehr auf einen neuen Höhepunkt zusteuerten. Müller, der mit seiner Habilitationsschrift als der wohl beste Kenner der Bundespolitik dieser Epoche ausgewiesen ist [2], versucht auch in seiner knappen, aber sehr instruktiven Einleitung (XI-XXXVIII) gar nicht, hier eine Zäsur zu konstruieren, sondern hebt stattdessen einige markante Entwicklungsfaktoren hervor, die auch über das Jahr 1862 hinaus wirksam blieben und sich später teilweise sogar noch erheblich verstärkten: die Verklammerung von innenpolitischer Reform und außenpolitischer Machtstellung Deutschlands, die zentrale Rolle der Öffentlichkeit, die nationalpolitische Parteibildung sowie die Legitimierung des parlamentarischen Prinzips auf Bundesebene.
Der Band präsentiert 157 Dokumente, von denen mehr zwei Drittel diplomatische Aktenstücke sind. Diese wiederum illustrieren überwiegend nicht die Positionen der preußischen und der österreichischen Regierung, sondern sind in den Mittel- und Kleinstaaten entstanden, die sich in den fraglichen Jahren in stärkerem Maße als die beiden Großmächte an den Diskussionen über die Entwicklung des Deutschen Bundes beteiligten; außerdem liegen für Preußen und Österreich einschlägige Quelleneditionen vor, so dass Müller, der möglichst viel bisher nicht publiziertes beziehungsweise schwer zugängliches Material abdrucken wollte, hier einsparen konnte. Ein besonderes Anliegen des Bandes ist es - auch in bewusster Absetzung von älteren Unternehmungen zu diesem Thema -, die "nicht-gouvernementalen Segmente der politischen Öffentlichkeit einzubeziehen und eine möglichst breite Dokumentenauswahl zu präsentieren". Hier auszuwählen, war in Anbetracht der großen Masse geeigneten Materials eine schwierige Aufgabe, die Müller zu lösen versuchte mit der Konzentration auf "wichtige, von der Öffentlichkeit wie den Regierungen wahrgenommene und beachtete Stimmen [...], die geeignet sind, das Bild des Deutschen Bundes als einer abgehobenen und im Prozeß der nationalen Einigung irrelevanten politische Institution zu relativieren" (XLI).
Die Dokumente sind in dem Band in chronologischer Folge abgedruckt, aber auch durch eine Übersicht zu erschließen, die sie nach ihrer Provenienz verzeichnet - wenig hilfreich ist dabei allerdings die Übersicht für die Großgruppe der diplomatischen Korrespondenzen und Ministerialakten, da sie ebenfalls chronologisch gereiht ist und so eine rasche Orientierung über die regionale Herkunft der Dokumente nicht ermöglicht. Die nicht-gouvernementalen Quellen sind nach vier Kategorien sortiert: Landtagsverhandlungen mit fünf Anträgen beziehungsweise Debattenausschnitten aus den Kammern von Bayern, Coburg und Gotha, Sachsen sowie Württemberg (zwei Mal); Zeitungsartikel mit 17 Texten aus verschiedenen, vornehmlich Frankfurter Blättern; Broschüren mit acht Texten, darunter Schriften so bekannter Autoren wie Julius Fröbel und Constantin Frantz, aber auch einige anonym publizierte Broschüren; schließlich Statuten, Aufrufe und Reden der nationalen Bewegung mit sieben Texten, die in etwa gleichgewichtig die Positionen des Deutschen Nationalvereins und des großdeutschen Reformvereins illustrieren. Dass sich über die Textauswahl im Einzelnen diskutieren ließe, ist bei einem thematisch so breit angelegten Editionsprojekt kaum der Rede wert; insgesamt überzeugt die Auswahl der 157 jeweils mit einer kurzen Inhaltsangabe eingeleiteten und sparsam, aber kundig annotierten Dokumenten jedoch vollauf.
Anmerkungen:
[1] Die Dresdner Konferenzen und die Wiederherstellung des Deutschen Bundes 1850/51, München 1996; Der Deutsche Bund zwischen Reaktion und Reform 1851-1858, München 1998.
[2] Deutscher Bund und deutsche Nation 1848-1866, Göttingen 2003.
Frank Engehausen