Rezension über:

Hans Bots / Eugénie Bots-Estourgie (eds.): Lettres de Madame de Maintenon. Volume III. 1698-1706 (= Bibliothèque des Correspondances, Mémoires et Journaux; 61), Paris: Editions Honoré Champion 2011, 915 S., ISBN 978-2-7453-2106-0, CHF 153,75
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Rezension von:
Annett Volmer
Börßum
Redaktionelle Betreuung:
Sebastian Becker / Matthias Schnettger
Empfohlene Zitierweise:
Annett Volmer: Rezension von: Hans Bots / Eugénie Bots-Estourgie (eds.): Lettres de Madame de Maintenon. Volume III. 1698-1706, Paris: Editions Honoré Champion 2011, in: sehepunkte 13 (2013), Nr. 3 [15.03.2013], URL: https://www.sehepunkte.de
/2013/03/20199.html


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Hans Bots / Eugénie Bots-Estourgie (eds.): Lettres de Madame de Maintenon

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Der dritte von insgesamt sieben geplanten Bänden der Briefe der Madame de Maintenon wurde von dem renommierten niederländischen Wissenschaftler Hans Bots gemeinsam mit Eugénie Bots-Estourgie herausgegeben. Bots steht für die Herausgabe einer Vielzahl wichtiger und grundlegender Korrespondenzen des 18. Jahrhunderts und damit in gewissem Sinne für die Rekonstruktion der République des Lettres.

Françoise d'Aubigné, Marquise de Maintenon (1635-1719) war die Tochter eines der sprachmächtigsten französischen Literaten des Barock, Théodore Agrippa d'Aubigné, und sie war die letzte Mätresse Ludwigs XIV. Als Erzieherin der Kinder von Madame de Montespan war sie an den Hof des Königs gekommen, der mit ihr nach dem Tod der Königin Maria Theresia im Oktober 1683 insgeheim eine Ehe zur linken Hand einging. Bis zu seinem Tod (1715) lebte er mit ihr zusammen. Die edierten Briefe umfassen acht Jahre, von 1698 bis 1706. Drei inhaltliche Schwerpunkte, von denen im Folgenden nur die letzten beiden näher thematisiert werden sollen, kann man in dem Korpus von insgesamt 817 Briefen von 108 unterschiedlichen Korrespondenten ausmachen: 1) die Erziehung der Mädchen in dem Internat von Saint-Cyr; 2) die Quietismus-Debatte um Fénélon sowie 3) den Spanischen Erbfolgekrieg.

Fénélon war 1689 der geistliche Berater Madame de Maintenons geworden, und dank ihrer Protektion erlangte er als Fürstenerzieher eine einflussreiche Position am königlichen Hof. Mit seiner dem Quietismus verpflichteten Schrift LExplication des Maximes des Saints provozierte er nicht nur die Ablehnung des Königs, sondern auch eine Verurteilung von päpstlicher Seite. Ludwig XIV. hatte sogar direkt bei Papst Innozenz XII. interveniert, um die Verurteilung des Werks zu beschleunigen. Fénélon akzeptierte den päpstlichen Erlass sofort und verfasste umgehend einen Widerruf. Dieser Gehorsam beeindruckte den Heiligen Stuhl sehr, nichtsdestotrotz konnte Fénélon seine Stellung am Hof nicht halten. Er verlor seine Anstellung als Prinzenerzieher und zog sich nach Cambrai zurück. Madame de Maintenon zeigte in dieser Affäre ihre gnadenlose Seite, denn eine Versöhnung war für sie unmöglich.

Dass die Auseinandersetzungen innerhalb der religiösen Strömungen bzw. bereits der Verdacht, einer vom König abgelehnten Glaubenslehre anzugehören, zu schwerwiegenden Irritationen führen konnte, zeigt die Entwicklung der Beziehung zwischen Madame de Maintenon und Louis-Antoine de Noailles. Der Erzbischof von Noailles war seit 1698 der enge Vertraute Madame de Maintenons. Ihm gegenüber äußerte sie sich offen über ihre Sorgen und Wünsche. In dieser Zeit fiel auf Noailles der Verdacht, er würde mit dem Jansenismus sympathisieren, eine Irrlehre, die der Papst bereits 1642 verurteilt hatte. Da es Noailles in den folgenden Jahren nicht gelang, die Zweifel an seiner Rechtgläubigkeit zu zerstreuen, litt zunehmend auch seine Vertrauensposition bei Madame de Maintenon. Es kam zwar noch nicht zu einem Bruch, doch kündigte sich dieser bereits an. Diese Beziehung macht deutlich, dass Madame de Maintenon ihre Handlungsweisen unbedingt nach den Reaktionen des Königs kalkulierte. Sie handelte keineswegs unabhängig oder eigenständig, immer blieb das Wort des Königs für sie in ihren eigenen Aktivitäten richtungsweisend. Insbesondere aber galt das für die Religion, die sich als ein sehr sensibles Terrain für den Auf- bzw. Abstieg der verschiedenen Akteure am königlichen Hof erwies.

Den dritten inhaltlichen Schwerpunkt der Edition bilden die Briefe aus der Zeit des Spanischen Erbfolgekriegs. Mit dem Tod Karls II. von Spanien entstand ein Machtvakuum in Europa, dessen Mächtegleichgewicht nun neu ausgehandelt werden musste. Der verstorbene König hatte testamentarisch verfügt, dass Philipp von Anjou, ein Enkel Ludwigs XIV., an der Spitze der spanischen Monarchie stehen solle. Die Annahme der spanischen Krone durch Ludwig XIV. für seinen Enkel führte zum Spanischen Erbfolgekrieg, der bis 1714 andauerte und den Beginn des 18. Jahrhunderts nachhaltig prägte. In den Briefen Madame de Maintenons ist dieser Krieg omnipräsent. Die edierten Briefe mit Bezug zum Krieg sind insbesondere hinsichtlich des Blicks Madame de Maintenons auf die Ereignisse interessant. Bezogen auf die politischen Vorgänge ist dieser Blick oft naiv, bezogen auf das menschliche Leid stets besonders mitfühlend.

Die Edition der Briefe der Madame de Maintenon ist als ein Beitrag zur Grundlagenforschung und zur weiteren Auseinandersetzung mit wesentlichen Positionen der Frühaufklärung zu betrachten. Die größte Anzahl ihrer Briefe richtet sich an die Damen von Saint-Louis (281 Briefe), gefolgt von Briefen an den Erzbischof und Kardinal Noailles (106 Briefe). Vor allem die Briefe, die Madame de Maintenon mit einer Vielzahl von adligen Frauen wechselt, geben Einblicke in den Lebensalltag, die Erziehungsfragen und die Bildung dieser Oberschicht. So entwickelt sich ein interessanter Briefwechsel mit Madame de Caylus (61 Briefe). Die meisten der edierten Briefe sind Kopien, doch konnten die Herausgeber für die Briefwechsel mit Noailles und Madame de Caylus auf Autographen zurückgreifen. Die häufig verstreuten Briefe werden in dieser mehrbändigen Ausgabe endlich zusammengeführt und in einer ansprechenden Edition der Forschung zugänglich gemacht. Seien es Fragen der Religiosität, der Mädchenerziehung oder der Kommunikationsformen - die Forschung wird in diesen Briefen viele weitere Ansatzpunkte für die Interpretation des Materials finden.

Annett Volmer