Gabriela Signori / Marc Müntz (Hgg.): Das Geschäftsbuch des Konstanzer Goldschmiedes Steffan Maignow (= Konstanzer Geschichts- und Rechtsquellen; XLII), Ostfildern: Thorbecke 2012, XXXII + 123 S., ISBN 978-3-7995-6842-5, EUR 24,90
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Ist die Zahl der edierten spätmittelalterlichen Kaufmannsrechnungen bereits sehr übersichtlich, so liegen kaum Quellen dieser Art für Handwerker vor. In diese Lücke stößt nun die von Gabriela Signori und dem 2011 verstorbenen Marc Müntz vorgelegte Edition des Konstanzer Goldschmieds Steffan Maignow. Das in der Reihe Konstanzer Geschichts- und Rechtsquellen erschienene Werk unterteilt sich dabei in zwei Abschnitte, eine knappe Einführung und eine wortgetreue und gewissenhafte Edition.
Steffan Maignow begann das Rechnungsbuch 1477 und führte es bis zu seinem Tode 1501. Spätere Einträge zeigen, dass seine Witwe Walpurga bis 1520 über Ausstände und offene Rechnungen Buch führte, ohne aber das Geschäft ihres Ehemannes weiterzuführen. Maignows Handelspartner sind sowohl im Konstanzer Stadtadel wie im Landadel zu suchen und auch Konstanzer Bischöfe finden sich in der Liste. Stark profitierte Maignow von der 1484 gegründeten "Gesellschaft zum Fisch und Falken", der viele seiner Käufer angehörten und die sich von ihm "zahlreiche [...] Fische und Falken aus Silber und Gold" fertigen ließen. Daneben beschränkte sich Maignow auf eine "vergleichsweise konventionelle" Produktpalette (XXII) und fertigte in der Regel "in Serie" Gegenstände zur Verzierung, Ringe, Rosenkränze und Ketten und in sehr geringem Umfang liturgisches Gerät. Dabei verarbeitete er eine Reihe unterschiedlicher Edelsteine. Bezahlt wurde er in Münzen oder, besonders von seinen adligen Käufern, in Naturalien wie Wein oder Getreide.
Daneben trat er wiederholt als Geld- und Kreditgeber für andere Goldschmiede auf und stundete Kunden zum Teil mehrere Monate die Bezahlung der gelieferten Stücke. Dabei sind die auch aus anderen Abrechnungsdokumenten bekannten verschränkten Ökonomien erkennbar. Verkäufe von Goldschmiedearbeiten werden mit Geldzahlungen zum Teil beglichen, dann durch neue Arbeitsaufträge wieder erweitert, um durch Naturallieferungen abgetragen zu werden. Dadurch entstehen zum Teil jahrelange Handelskontrakte. Dass dabei auch Kundenbindung betrieben wurde, zeigt sich durch das Gewähren von Rabatten an hochstehende Kunden, wie etwa den Grafen Ulrich V. von Montfort (65).
Anlage und Gebrauch des vorliegenden Rechnungsbuches folgen den bereits bekannten und zum Teil edierten Rechnungsbüchern des Spätmittelalters. Erneut zeigt sich eine weit verbreitete Praxis im oberdeutschen Rechnungsschriftgut, die besonders der Notwendigkeit der Erinnerung ausstehender Zahlungen und Kredite geschuldet ist, weniger moderner Buchführungspraxis.
Den Zugriff auf die Edition erleichtert eine knapp 30-seitige Einführung, die sich verschiedenen Aspekten zuwendet. So wird zunächst knapp das familiäre Umfeld Maignows beleuchtet, ohne jedoch über den Forschungsstand der ersten Bearbeitung von Adolf Nuglisch aus dem Jahr 1907 hinauszugehen. Die dürftige Überlieferungs- und eingeschränkte Forschungslage zur Sozialgeschichte Konstanz' im Spätmittelalter erlauben hier nur wenige Aussagen (XIII). Daran schließt sich eine kurze kursorische Übersicht über die Handelspartner Maignows an. Auch die gängigen Goldschmiedeprodukte werden genannt, wie auch die Zahlungsweisen und Kredittätigkeiten. Einige sehr kurze Hinweise auf die Handschrift und die Editionsrichtlinien beenden mit einer Übersicht über ausgewählte Literatur die Einleitung. Abgeschlossen wird das Buch mit einem Glossar, einem Personen- und einem Ortsregister.
Die Einleitung kann dabei insgesamt nur einen sehr kurzen, allgemeinen Einblick geben. Viele Aspekte werden angesprochen, etwa das Auftragsvolumen des Landadels im Vergleich zu dem des Stadtadels, ohne aber genauere Auswertungen zu präsentieren. Eine wirtschaftshistorische Analyse bleibt an dieser Stelle aus, stand jedoch auch nicht im Fokus der Edition. Liest man jedoch den Klappentext des Bandes, so vermisst man sozialhistorische Zusammenhänge aber doch etwas, wird hier doch auf die Rolle, die "Luxusgüter in der spätmittelalterlichen Lebens- und Vorstellungswelt gespielt haben" und auf Werner Sombart verwiesen. Diese Fragen können jedoch durch die gebotene Einleitung nicht beantwortet werden, sie werden in dem Einleitungstext nicht einmal gestellt.
Auch eine genauere Untersuchung der Verbindung der verschiedenen Käuferkreise wäre sehr zu begrüßen gewesen, angesichts der Tatsache, dass Maignow mit einer großen Zahl von stadt- und landadligen Käufern in Verbindung stand, die Bischöfe Konstanz' zu seinen Kunden zählte und von der "Gesellschaft zum Falken und Fisch" offensichtlich maßgeblich profitierte.
Der Quellentext ist insgesamt jedoch sehr textgetreu wiedergegeben. Die 111 Seiten der Edition sind durch einen ausführlichen Anmerkungsapparat erschlossen, in dem biographische Informationen zu den im Text genannten Personen genannt, die Datumsbezeichnungen aufgelöst und Durchstreichungen und Zusätze zur Handschrift kenntlich gemacht werden. Der Editionstext bemüht sich weitgehend buchstabengetreu die Vorlage wiederzugeben. Dies führt jedoch zu einem recht schlecht lesbaren Text. Da die römischen Zahlen nicht aufgelöst wurden, auch die i/j- und die v/u-Unterscheidung des Originals beibehalten wurde, ist der Zugriff auf den Text nicht ganz einfach. Bestärkt wird dies durch die Vielzahl fortlaufend nummerierter Anmerkungen (905 insgesamt), die in hochgestellten Ziffern, aber mit schließender runder Klammer den Textfluss stören. Hier wäre eine andere Abwägung zugunsten der Les- und Auswertbarkeit wünschenswert gewesen.
Darüber hinaus finden sich manche Worterklärungen in einem Glossar am Ende der Edition, andere sind in eckigen Klammern direkt in den Text eingefügt. Auch in den Anmerkungen sind einige etwas unglückliche Verweise zu finden, wenn etwa bezugnehmend auf den Namen einer Person auf eine mehrere Seiten spätere Anmerkung verwiesen wird. Während die meisten Anmerkungen eine sorgfältige Recherche unter Beweis stellen, sind einige wenige nicht so überzeugend. So dürfte etwa die "durcheinandergeraten[e]" Chronologie in einem Eintrag auf Maignows Anwendung des Weihnachtsstils zurückzuführen sein (64).
Insgesamt kann die Edition aber überzeugen. Sie bildet mit den ausführlichen Erklärungen und Hinweisen eine ausgezeichnete Grundlage für die weitere Auswertung einer wichtigen Rechnungsquelle aus dem Spätmittelalter. Der Blick auf die Ökonomie eines Handwerkers an der Schnittstelle zwischen Hand- und Kunstwerk, als Lieferant des Adels und Kreditgeber anderer Handwerker heben die vorgelegte Edition heraus aus dem Gros der bekannten Kaufmannsrechnungen. Alleine dafür gebührt den Herausgebern Lob.
Matthias Steinbrink