Claudia Trummer: Früher Backsteinbau in Sachsen und Südbrandenburg (= Kultur- und Lebensformen in Mittelalter und Neuzeit; Bd. 4), Berlin: scrîpvaz 2011, 448 S., ISBN 978-3-931278-57-1, EUR 45,00
Inhaltsverzeichnis dieses Buches
Buch im KVK suchen
Bitte geben Sie beim Zitieren dieser Rezension die exakte URL und das Datum Ihres Besuchs dieser Online-Adresse an.
Diese Rezension erscheint auch in KUNSTFORM.
Robert Born / Alena Janatková / Adam S. Labuda (Hgg.): Die Kunsthistoriographien in Ostmitteleuropa und der nationale Diskurs, Berlin: Gebr. Mann Verlag 2004
Thomas Biller: Templerburgen, Mainz: Philipp von Zabern 2014
Christian Nille: Mittelalterliche Sakralarchitektur interpretieren. Eine Einführung, Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft 2013
Das nach der Mitte des 12. Jahrhunderts in mehreren Regionen Europas fast gleichzeitig auftretende Phänomen des Backsteinbaus bildet eines der spannendsten Ereignisse der mittelalterlichen Architekturgeschichte und trotz zahlreicher Forschungsarbeiten sind entscheidende Fragen nach der Herkunft, der Verbreitung und den Beweggründen für die Einführung des künstlichen Baumaterials noch nicht befriedigend beantwortet. Eine unverzichtbare Grundlage für die Lösung der anstehenden Fragen muss zunächst die vollständige Erfassung der frühen Backsteinbauten in Europa sein. Die 2007 an der TU Berlin verteidigte Dissertation von Claudia Trummer füllt für den deutschen Bereich eine weitere Lücke in diesem Mosaik, indem sie die bislang nur wenig bekannten kleinräumlichen Verbreitungsgebiete des romanischen Backsteinbaus in Sachsen und Südbrandenburg gründlich und systematisch aufgearbeitet hat. Dies war nicht unbedingt eine dankbare Aufgabe, denn viele der Bauten sind verputzt, stark umgebaut oder teilweise verschwunden, sodass diese Gruppe der Backsteinbauten von der Forschung lange nicht wahrgenommen wurde.
Das künstliche Baumaterial stellt im Untersuchungsgebiet nur eine Randgruppe dar - nur etwa 15 Prozent der erhaltenen romanischen Steinkirchen waren ganz oder teilweise aus Backstein errichtet. Insgesamt handelt es sich um etwa 60 Objekte, die in der zweiten Hälfte des 12. und der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts errichtet wurden. Zu diesen Bauten gehören wenige große Klosterkirchen (Altenburg, Altzella, Dobrilugk, Mühlberg), meist umgeben von Kleinkirchengruppen. Hinzu kommen einige Burgen, bei denen der Backstein hauptsächlich zum Bau von Bergfrieden und Kapellen (so in Altenburg, Eilenburg, Landsberg) verwendet wurde. Die Nutzung des Backsteins beschränkte sich geografisch auf etwa ein halbes Dutzend kleiner Verbreitungsinseln. Da es sich, im Gegensatz zu den Regionen des Ostseeraums, um Gebiete handelte, in denen in weiten Teilen natürliche Steinvorkommen als Baumaterial zur Verfügung standen, ist die geringe Anzahl der Backsteinbauten zu erklären. Andererseits stellt sich die von der Autorin häufig bemühte Frage, warum der Backstein hier überhaupt zu Anwendung kam.
Im analytischen Teil der Arbeit behandelt die Autorin zunächst allgemeine Aspekte zur Backsteinverwendung (Verbreitung, Auftraggeber, ikonologische Bedeutung) und widmet sich dann recht ausführlich den technischen Fragen (Produktion, Verarbeitung, Detailausbildung). Dabei zeigt sich, dass die romanischen Backsteine des Untersuchungsgebiets vergleichbare Merkmale wie in anderen Regionen zeigen, in denen dieses Material nach der Mitte des 12. Jahrhunderts in Erscheinung trat ('Klosterformat', Riefelung der Oberfläche, wilder Verband, dann Übergang zum 2-Läufer-Verband). Hinsichtlich der dekorativen Friesausbildung gab es bei den sächsischen Beispielen keine große Vielfalt, vielmehr beschränkte man sich auf Rund-, Kreuzbogen- und Sägefries (ausnahmsweise auch Rautenfries). Der nächste Abschnitt beschäftigt sich mit der Backsteinverwendung an den einzelnen Kirchentypen (Klosterkirchen, Burgkapellen, frühe Stadtkirchen, Kleinkirchen) sowie den Profanbauten. Schließlich werden die geografischen Verbreitungsgruppen vorgestellt. Dabei gibt es verschiedene Beziehungsmuster: Einerseits finden sich (um Dobrilugk und Mühlberg) in unmittelbarer Nähe der großen Klosterkirche mehrere Kleinkirchen aus Backstein, die eine direkte Ausstrahlung der beim Initialbau tätigen Werkstatt anzeigen. In der Region um Altenburg lässt sich demgegenüber eine Backsteinverwendung nur bei Klosterkirchen und Burgen, nicht jedoch bei den Kleinkirchen beobachten. Aus dem Rahmen fällt das Zisterzienserkloster Altzella, das bezüglich der Backsteinverwendung in seiner Umgebung ein Unikat geblieben ist und keine Nachfolge gefunden hat. Positiv zu vermerken sind die zahlreichen Hinweise der Autorin auf die Forschungsliteratur, auch zu vergleichbaren Fragstellungen in benachbarten Regionen.
Es folgt ein Katalogteil mit der Beschreibung aller Bauten. Die Katalogartikel sind untergliedert in die Abschnitte Lage, Geschichte, Daten zur Baugeschichte, Forschungsgeschichte, Beschreibung und Fazit. Sie geben einen kompakten Überblick zu den Objekten, wobei sich zeigt, dass der Forschungsstand zu den einzelnen Bauten sehr unterschiedlich und die Datierung häufig noch recht unklar ist. Als inhaltlicher Mangel beim Katalog muss die sehr kurze und ungenügend bebilderte Behandlung der Augustinerchorherrenkirche in Altenburg genannt werden. Dieser Bau wird wiederholt als Initialbau für die Einführung des Backsteins in der Region hervorgehoben und unmittelbar (obwohl dies nicht gesichert ist) mit Friedrich Barbarossa als angeblichem Stifter in Verbindung gebracht. Darauf basiert u.a. auch die Interpretation, das rote Baumaterial hätte 'kaiserlichen' Charakter. Es wäre daher zu erwarten gewesen, dass die Autorin diesen Bau besonders ausführlich beschrieben und die Quellenlage kritisch und detailliert beleuchtet hätte. Stattdessen wird die Kirche auf nur drei Seiten mit wenigen und kaum aussagekräftigen Fotos abgehandelt.
Insgesamt darf man von einer soliden und gründlichen Forschungsleistung sprechen, es müssen jedoch auch einige kritische Anmerkungen gemacht werden, die vor allem auch die historische Interpretation betreffen. Als größtes methodisches Manko ist zunächst das Fehlen von Vergleichsanalysen zwischen den Backsteinbauten und den zeitgleichen Bauten aus Naturstein zu nennen. Gerade für eine Region, in der der Backstein nur vereinzelt vorkommt, wäre es unerlässlich gewesen, diese Bauten in Hinsicht auf Typologie, Dekorsysteme und Dimension mit den entsprechenden Bauten aus Naturstein abzugleichen. Die Frage nach der Besonderheit der Verwendung des künstlichen Baumaterials kann nur dann beantwortet werden, wenn wir wissen, ob und gegebenenfalls wie sich die Kirchen oder Burgen aus Backstein architektonisch von den sie umgebenden Natursteinbauten unterschieden haben. Die ständig wiederholte Aussage, Backsteinbauten wären bedeutender als Natursteinbauten gewesen, eben weil sie aus Backstein errichtet worden sind, führt nur zu Zirkelschlüssen und erweckt den Eindruck einer dogmatischen Vorgehensweise, wenn sie nicht durch vergleichende Analysen untermauert werden kann.
Dies führt direkt zum zweiten Kritikpunkt. Man hat von Anfang an den Eindruck, dass die Autorin von zwei Prämissen ausgeht, die wie Dogmen immer wieder, manchmal ermüdend häufig gepredigt werden. Das erste Dogma lautet: Der Backstein ist ein bedeutungssteigerndes Material, das den Bau repräsentativer und wichtiger machen sollte. Eine stichhaltige Beweisführung für diese pauschal vorgetragene These findet sich jedoch nicht. Stattdessen verwickelt sich die Autorin immer wieder in Widersprüche. So spricht sie etwa in Bezug auf die Kleinkirchen davon, dass das Baumaterial Backstein "als Indikator für eine besondere Bedeutung der Kirche dienen" könne (131). Im selben Absatz weist sie aber auch darauf hin, dass es innerhalb der Gruppe der Kleinkirchen aus Backstein immense Unterschiede hinsichtlich der Gebäudedimension und der Qualität der Bauausführung gebe, so wie man es auch bei den gleichzeitigen Natursteinkirchen feststellen könne. Daraus kann man eigentlich nur den Schluss ziehen, dass es sowohl bei den Backstein- als auch bei den Natursteinkirchen aufwändige und schlichte, bedeutende und weniger bedeutende Bauten gab. Damit wäre aber die Aussage, die Verwendung des Backsteins könne per se als ein Indikator für die höhere Bedeutung einer Kirche angesehen werden, widerlegt. Etwas zu hoch gegriffen erscheint auch der Anspruch der Autorin, eine ikonologische Analyse der Backsteinarchitektur liefern zu wollen, wobei sie sich im Wesentlichen auf die Erkenntnis beschränkt, dass das rote Backsteinmaterial ein edles und bedeutungstragendes Element ('Machtrepräsentation') gewesen sei. Diese Aussage ist etwas zu dürftig, um den hohen Anforderungen der Ikonologie gerecht werden zu können.
Das zweite Dogma bezieht sich auf die Bauherrschaft, die nach der Auffassung der Autorin ausschließlich in den Händen der Landesherrschaft und des Adels lag. Stadtbürger und freie Dorfgemeinden als Auftraggeber lehnt die Autorin entschieden ab, ohne dies wirklich begründen zu können. Die Tatsache, dass in Sachsen Kleinparochien dominieren (ein Dorf - eine Kirche), kann in einer von der Ostsiedlung geprägten Landschaft als Indiz dafür gedeutet werden, dass die Verantwortung zur Errichtung zumindest eines Teils der Kirchen in den Händen der Dorfbewohner lag. Entsprechende Erkenntnisse der historischen Wissenschaften und aus anderen Regionen des mittelalterlichen Landesausbaus werden kategorisch als nicht zutreffend abgetan, ohne Gegenbeweise zu nennen. Selbstverständlich müssen in jeder Region die spezifischen Umstände der Siedlungsentwicklung und Gesellschaftsstruktur untersucht werden, doch dürfte eine pauschale Verleugnung der Mitwirkung der Gemeinden beim Bau der Pfarrkirchen kaum zu rechtfertigen sein.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die vorliegende Arbeit in Hinsicht auf die Erfassung, bautechnische und typologische Analyse der romanischen Backsteinbauten wichtige Pionierarbeit geleistet hat. In Hinsicht auf die historische Interpretation der Befunde vermag sie jedoch nicht zu überzeugen. Anstelle von Quellenbelegen, stringenter Argumentationsführung und nachvollziehbaren Vergleichsanalysen werden dem Leser dogmatische Geschichtsauffassungen präsentiert, die auch durch ständige Wiederholungen nicht überzeugender wirken.
Christofer Herrmann