Rania Abdellatif / Yassir Benhima / Daniel König et. al.: Acteurs des transferts culturels en Méditerranée médiévale (= Ateliers des Deutschen Historischen Instituts Paris; Bd. 9), München: Oldenbourg 2012, 232 S., ISBN 978-3-486-70941-4, EUR 24,80
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Der vorliegende Sammelband vereint die Beiträge der von der Forschungsgruppe FranceMed im Jänner 2010 organisierten Tagung "Les acteurs des transferts culturels en Méditérranée médiévale". [1] Die verschiedenen Artikel sind in drei große Themenfelder gegliedert, "Acteurs en mouvement", "'Hommes de l'entre-deux'" und "Les acteurs et leurs empreintes". Besonders bedeutsam erscheint der zweite Teil, in dem vor allem die Bedeutung der Akteure als Vermittler kulturellen Austauschs im Mittelpunkt steht. Abgeschlossen wird der Sammelband durch zusammenfassende Bemerkungen von Pierre Guichard (206-216), der die Diskussionen berücksichtigt und auch auf diejenigen Beträge eingeht, die keine Aufnahme in den Sammelband fanden. Es ist auf jeden Fall begrüßenswert, dass vielversprechende Forschungstrends, die in den letzten Jahren verstärkt in den Fokus der Frühneuzeitforschung gerückt sind, nun auch vermehrt in der Mediävistik ihre Entsprechung finden. [2]
Hervorzuheben ist zunächst der Beitrag von Sonja Brentjes (135-146), die anhand mittelalterlicher Portolankarten aus Katalonien beziehungsweise Italien die Verflechtungen der sich überlappenden - geteilten - kulturellen Räume darlegt. Polyglossie, die Verbreitung der Seekarten und deren Transformation von Navigationsbehelfen zur visuellen Darstellung fremder Regionen, stehen im Zentrum ihres im spätmittelalterlichen Mittelmeerraum entlang der Grenzen des lateinischen Christentums angesiedelten Beitrags.
Auch der Aufsatz von Juliette Sibon (157-167), der den lebhaften Austausch medizinischer Praktiken beziehungsweise Wissens zwischen jüdischen und christlichen Einwohnern Marseilles im 14. Jahrhundert thematisiert, verdient Beachtung. Anhand des Beispiels des jüdischen Arztes Abraham Bondavin aus Avignon demonstriert Sibon überzeugend, wie medizinische Praktiken und Wissen aus dem islamischen Raum über Personen und deren Aktivitäten - in relativ klar eingegrenzten medizinischen Bereichen - Verbreitung fanden.
Die Beiträge von Yann Dejugnat (84-99) und Regula Forster (180-191) behandeln beide Transmissionsphänomene, die auf den ersten Blick kaum unterschiedlicher sein könnten. Dejugnat präsentiert Leben und Werk des sephardischen Dichters Jehuda ha-Levi im Kontext der Erwartungen seiner Auswanderung und Raumvorstellung. Im Mittelpunkt steht besonders das "Paradoxon" (99) Jehuda ha-Levis, der als erster von der iberischen Halbinsel stammende Dichter die gedankliche Konstruktion des Raumes in sein Oeuvre einfließen ließ.
Forster wiederum präsentiert die lange, verwundene und ereignisreiche Geschichte eines der ersten in Japanisch gedruckten Bücher, die Legende der Heiligen Barlaam und Josaphat, die Ende des 16. Jahrhunderts von der römisch-katholischen Kirche kanonisiert wurden - und deren Geschichte 1591 in Japan von Jesuiten gedruckt wurde. Neben der Diskussion der jüngeren Forschungsliteratur sucht sie Antworten auf die Fragen, wann, wie und wo die Legende des Siddharta Gautama (Buddha) in eine christliche Heiligenerzählung verwandelt wurde. Forster legt dar, dass der Text in einem "sunnitisch-orthodoxen Umfeld" (189) seine Verwandlung erfuhr, aber außerhalb der an Askese interessierten "heterodoxen Milieus" kaum Breitenwirkung entfaltete. Nach der Christianisierung der Legende durch Georgier und deren Transmission nach Lateineuropa (via Byzanz) im 8./9. Jahrhundert wurde die Legende der Heiligen Barlaam und Josaphat allerdings zu einem relativ großen Erfolg an den Höfen des Heiligen Römischen Reiches im Hoch- und Spätmittelalter.
Der letzte an dieser Stelle hervorgehobene Beitrag sei derjenige von Maribel Fierro (73-83), die sich mit der Problematik der Geiselnahme und Gefangenschaft als Phänomen des Kulturkontakts befasst. Angesiedelt im Kontext der Umayyadenherrschaft behandelt Fierro zwei Episoden aus dem 10. Jahrhundert in vergleichender Herangehensweise. Bedeutsam erscheint dieser Beitrag besonders aufgrund der Themenfelder Gefangenschaft beziehungsweise Geiselnahme in der Frühen Neuzeit, die in den letzten Jahren verstärkt das Interesse der Forschung auf sich gezogen haben. [3]
Im vorliegenden Sammelband stehen ebenso viele Individuen - Schmuggler, Ärzte, Seefahrer, Kaufleute, Herrscher und Beherrschte - wie Themenfelder und Forschungsperspektiven im Fokus. Dies erscheint besonders von Bedeutung, da gerade die Frühneuzeitforschung - besonders, aber nicht ausschließlich im mediterranen Kontext - in den letzten Jahren vermehrt die Diffusion kultureller Aspekte, angefangen mit deren Überträgern bis hin zu den einzelnen Gegenständen, verschiedenen Praktiken und Technologien, in den Mittelpunkt des Interesses rückte. [4] Es ist begrüßenswert, dass die in dem vorliegenden Band vereinten Beiträge ähnliche mittelalterliche Themenfelder aufgreifen und für die zukünftige Forschung fruchtbar machen.
Anmerkungen:
[1] Siehe dazu die Verweise in der Einleitung auf S. 9 sowie den Tagungsbericht in: H-Soz-u-Kult, 18.03.2010, http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/tagungsberichte/id=3032 (10. Juni 2013).
[2] Vgl. North, Michael (Hg.): Kultureller Austausch: Bilanz und Perspektiven der Frühneuzeitforschung, Köln/Weimar/Wien 2009; Höfele, Andreas u.a. (eds.): Renaissance Go-Betweens. Cultural Exchange in Early Modern Europe, Berlin 2005 (Spectrum Literaturwissenschaft 2).
[3] U.a. Kaiser, Wolfgang (éd.): Le commerce des captifs: Les intermédiaires dans l'échange et le rachat des prisonniers en Méditerranée, XVe-XVIIIe siècle, Rom 2008; Weiss, Gillian: Captives and Corsairs. France and Slavery in the Early Modern Mediterranean, Stanford 2011.
[4] Zuletzt beispielsweise die Tagung "Barocke Kunst und Kultur im Donauraum", an der unter anderem Kulturtransfer und -austausch zwischen Italien und dem Donauraum in der frühen Neuzeit im Mittelpunkt standen, in: H-Soz-u-Kult, 27.03.2013, http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/termine/id=21495 (10. Juni 2013).
Stephan Sander-Faes