Rezension über:

Géza Dávid / Pál Foder (eds.): Ransom Slavery Along the Ottoman Borders. Early Fifteenth - Early Eighteenth Centuries (= The Ottoman Empire and its Heritage. Politics, Society and Economy; Vol. 37), Leiden / Boston: Brill 2007, XX + 253 S., ISBN 978-90-04-15704-0, EUR 96,00
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Rezension von:
Elena Smolarz
Bonn
Redaktionelle Betreuung:
Stephan Conermann
Empfohlene Zitierweise:
Elena Smolarz: Rezension von: Géza Dávid / Pál Foder (eds.): Ransom Slavery Along the Ottoman Borders. Early Fifteenth - Early Eighteenth Centuries, Leiden / Boston: Brill 2007, in: sehepunkte 13 (2013), Nr. 11 [15.11.2013], URL: https://www.sehepunkte.de
/2013/11/22879.html


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Diese Rezension ist Teil des Forums "Islamische Welten "Das Osmanische Reich"" in Ausgabe 13 (2013), Nr. 11

Géza Dávid / Pál Foder (eds.): Ransom Slavery Along the Ottoman Borders

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Mit dem vorliegenden Sammelband "Ransom Slavery along the Ottoman Borders" leisten die ungarischen Forscher um die Herausgeber Dávid und Fodor einen Beitrag zur Geschichte des Osmanischen Reichs und zur Erforschung der Sklaverei im eurasischen Kontext in der Neuzeit. Die Autoren beabsichtigten, kein allgemeines, Orientierung bietendes Werk zur Sklaverei im Osmanischen Reich zu liefern, sondern konzentrieren sich auf die vielfältigen Interaktionen bei der Versklavung, beim Ver- und Freikauf der Gefangenen/Sklaven an der osmanischen Grenze im 15.-17. Jahrhundert. "It contains much information on the techniques for taking captives and on the procedures for extracting money and goods from them, their families and their communities." (VIII) In der Einleitung (XI-XX) erörtert Pál Fodor den Unterschied zwischen dem legalen Status eines Sklaven in der Antike und im Islam. Von der theoretischen Ebene erfolgt der Übergang zur Betrachtung der Situation im Osmanischen Reich: Praktiken der Sklavenbeschaffung und Sklavenbezeichnungen. Leider geht der Autor nicht genau auf die terminologischen Unterschiede zwischen Sklaven (slaves) und Gefangenen (captives) ein, so dass im gesamten Band diese Begriffe synonym gebraucht werden. Bei der Auswertung der bereits geleisteten Forschungen zur Sklavenarbeit im Osmanischen Reich stellt der Autor fest, dass die Sklaven meist beim Militär oder im Haushalt (seltener in der Landwirtschaft, im Handel und in der Produktion) eingesetzt wurden. Während die Prozesse der Versklavung und der Sklavenhandel im Mittelmeer- und Schwarzmeerraum verhältnismäßig gut erforscht sind, blieben die Interaktionen an der osmanisch-ungarischen Grenze im 15.-17. Jahrhundert bislang weitgehend unerforscht. Aus diesem Grund analysieren 12 Beiträge des Sammelbandes die Entführungspraktiken, Freikaufstrategien und den Einsatz der Gefangenen/Sklaven aus dem Balkan bzw. aus Zentraleuropa anhand verschiedener Quellen und aus unterschiedlichen Perspektiven.

Die ersten drei Beiträge konzentrieren sich auf den früheren Zeitraum, und zwar auf das 15. Jahrhundert. Enikö Csukovits' Beitrag "Miraculous Escapes from Ottoman Captivity" (1-18) fokussiert auf die Schilderung der Befreiungsversuche von ungarischen (Kriegs-)Gefangenen aus dem Osmanischen Reich im 15. Jahrhundert. Eine zentrale Rolle in den Selbst- und Fremdenwahrnehmungen ist dem religiösen Faktor beigemessen. Da das gemeine Volk kaum Aussichten auf einen Freikauf hatte, entwickelte es als Erlösungsstrategie das Konzept der transzendenten/göttlichen Beihilfe. Sie äußerte sich in der Verehrung bestimmter Heiligen, Schutzpatronen der Gefangenen, in den Wundergeschichten über gelungene Fluchtversuche, in der Entstehung spezieller Pilgerstätten und schließlich in der Stärkung der christlichen Identität gegenüber der "ungläubigen und barbarischen" Welt der Muslime. Die Sklaverei bzw. Gefangenschaft im Osmanischen Reich wurde damit nicht nur mit der physischen, sondern auch mit der spirituellen Bedrohung und Gefahr verbunden. Zwei weitere Bespiele zeigen die Perspektive der osmanischen Gefangenen. István Tringli analysiert in seinem Beitrag "Litigations for Ottoman Prisoners of War and the Siege of Buszin" (19-26) ungarische und kroatische Gerichtsakten. Er zeigt, dass das Rechtssystem der Königreiche von Kroatien und Ungarn den legalen Status der persönlich abhängigen Arbeitskräfte für die osmanischen Kriegsgefangenen etablierte. Gleichzeitig erfolgte die Institutionalisierung der rechtlichen Prozesse, wie deren Befreiung, Freikauf, Verkauf oder Rechtsstreite mit Beteiligung der Gefangenen/Sklaven. Im nächsten Beitrag "A List of Ransom for Ottoman Captives Imprisoned in Croatian Castles" (27-34) rekonstruiert Árpád Nógrády den Freikauf der osmanischen Kriegsgefangenen. Die Verschriftlichung der Ergebnisse in einer festgelegten Form (Namen, Herkunftsort, Freikaufsumme und Zahlungsmodalitäten) deutet ebenfalls auf einen bereits etablierten Umgang mit Kriegsgefangenen hin. Die Aufbewahrung der Dokumente im Privatarchiv des Burgherrn und die Erwähnung des Namens eines weiteren Besitzers bestätigen die These, dass die Kriegsgefangenen sich im Privatbesitz einzelner hochgestellter Herren der Grenzfestungen befanden. Die Letzteren (nicht der König) profitierten finanziell von den Lösegeldzahlungen.

Die weitere Institutionalisierung der Freikaufaktionen an der osmanisch-ungarischen Grenze erfolgte in 16. und 17. Jahrhunderten. Der Beitrag von Géza Pálffy "Ransom Slavery along the Ottoman-Hungarian Frontier in the Sixteenth and Seventeenth Centuries" (35-83) untersucht die "Herausbildung vom osmanisch-ungarischen Gewohnheitsrecht diesbezüglich in der Grenzregion" (59). Während Methoden der Gefangenenbeschaffung und des Gefangenenvertriebs weitgehende Ähnlichkeiten auf beiden Seiten aufwiesen, erfuhr das Freikaufverfahren weitere Ausdifferenzierung und Spezialisierung (z.B. Festsetzen und Sammeln der Lösegelder, Pfand- und Bürgschaftssysteme sowie Interessenvertretung der Gefangenen). Diese Prozesse veranschaulichen die Institutionalisierung und Kodifizierung des Verfahrens, das anfangs auf dem Gewohnheitsrecht einzelner Reiche fußte. Dabei muss meines Erachtens festgehalten werden, dass die involvierten Akteure weiterhin unterschiedlichen sozialen und politischen Systemen zugehörten und ihre Strategien und Vorgehensweisen weiterhin in regionalen Rechtsnormen verankert waren, was sich in einzelnen regionalen Ausprägungen äußerte.

Weitere Beiträge behandeln eher einzelne Phänomene im Geschäft um Freiheitsberaubung und Befreiung. Klára Hegyis Analyse "Freed slaves as soldiers in the Ottoman fortresses in Hungary" (85-91) befasst sich mit den Registern osmanischer Stützpunkte (in der Provinz von Buda), die Auskunft über die regionale und soziale Herkunft der Soldaten gaben. Die befreiten Gefangenen (durch Übertritt zum Islam oder durch die Zustimmung des Besitzers) aus Süd- und Südosteuropa bildeten im 16. Jahrhundert einen wichtigen Teil der osmanischen Truppen. Die hohe Anzahl der Söldner führte dazu, dass die Militärsklaven in dieser Provinz wenig eingesetzt wurden und meist zum Ver- oder Freikauf verwendet wurden. Einen Sonderfall in der Freikaufpraxis bildete der Fall von Ali Bey von Koppány, den Ferenc Szakály in seinem Beitrag "The ransom of Ali bey of Koppány. The impact of capturing slaves on trage in Ottman Hungary" (93-114) untersucht. Ali Bey wurde für mehrere Überfälle samt Menschenverschleppung in ungarischen Grenzgebieten verantwortlich gemacht. Seine Gefangennahme (1583) und die Verhandlungen bezüglich seines Freikaufs (1583-1591) veranschaulichen die Strategien beider Seiten mit besonderer Berücksichtigung der Einbeziehung von Handelszentren und Händlern ins Bürgschaftssystem. Katholische Missionare stellten eine weitere Gruppe der osmanischen Gefangenen im 16. Jahrhundert dar, deren Berichte István György Tóth in seinem Beitrag "Catholic missionaries as Turkish prisoners. An Ottoman Hungary in the seventeenth century" (115-140) untersucht. Neben den Interaktionen zwischen den Vertretern der christlichen Konfessionen auf dem Balkan und im Osmanischen Reich stehen modifizierte Freikaufprozesse der Geistlichen im Vordergrund. Das Netzwerk der involvierten Akteure erstreckte sich bis zum Vatikan.

Zsuzsann Újváry überprüft in ihrem Beitrag "A Muslim captive's vicissitudes in Ottoman Hungary (mid-seventeenth century)" (141-167) anhand des Schriftverkehrs und der Aufzeichnungen der Betroffenen die Umsetzung von normativen Bestimmungen zum Gefangenenaustausch und -freikauf (Vertrag von Zsitvatorok und Wien von 1606). Die Auswertung ausgewählter Fälle ergab, dass der Freikauf von noblen und wohlhabenden Osmanen ein florierendes Geschäft im 17. Jahrhundert darstellte. Die Modalitäten und die Praxis ließen einen breiten Gestaltungs- und Betrugsraum zu (Schätzung der Lösegeldhöhe, Bürgschaftsverfahren und Eintreiben der Lösegelder). Einen weiteren Fall liefert János J. Varga in seinem Beitrag "Ransoming Ottoman slaves from Munich (1688)" (169-181). Der Freikaufprozess von osmanischen Kriegsgefangenen aus München veranschaulichte die Instabilität der vertraglich festgelegten Transaktionen: Fluchtversuche und Missachtung der vereinbarten Bestimmungen rechtfertigten die Einsetzung der Handelsstädte als Bürgen. Géza Dávid rekonstruiert in "Manumitted male slaves at Galata and Istanbul around 1700" (183-191) anhand der osmanischen Freilassungsurkunden (mühimme defteri) die Umsetzung des Friedensvertrags von 1699 am Beispiel der Befreiung europäischer Gefangener aus Istanbul. Die vereinbarten Maßnahmen beinhalteten die Suche nach Gefangenen und ihren Aufenthaltsorten (durch Habsburger Gesandte), die Zusammenstellung der Listen der Gefangenen und die Dokumentation des Freilassungsverfahrens, wie die Zustimmung des Besitzers, evtl. Konversion zum Islam, Zahlen des Lösegeldes, notarielle Beglaubigung durch ein Gericht oder kadi, und die Ausstellung einer Befreiungsurkunde. In diesem Fall erfolgte die Freilassung der Gefangenen auf Grund eines staatlichen Abkommens aus der Hauptstadt, im Unterschied zu häufigeren Privataktionen in der Grenzregion.

Zwei weitere Beiträge liefern eine komplexere Untersuchung der außenpolitischen Konfigurationen, die in den Sklavenhandel involviert waren. Der lesenswerte Beitrag von Mária Ivanics "Enslavement, slave labour and treatment of captives on the Crimean Khanate" (193-219) bringt einen neuen Akteur auf der politischen Ebene ins Spiel, und zwar das Chanat der Krim. Der Nachfolgestaat der Goldenen Horde stand im Patronageverhältnis zum Osmanischen Reich, durfte aber weitgehend eigene Interessen beim Überfall auf benachbarte Regionen verfolgen. Durch die Auswertung der Gerichtsbücher stellte die Autorin fest, dass die Verfahren der Gefangennahme und des Freikaufs im Chanat der Krim weitgehend denen im Osmanischen Reich ähnelten: Erstellung der Listen durch die Gesandten, Zustimmung des Besitzers zum Freikauf, Beteiligung der Mittler, Mediatoren und Bürgen. Sie unterscheidet zwei Kategorien des Profitgewinns bei der Gefangennahme: Freikauf der Reicheren und Versklavung der Ärmeren. Da die Profite aus dem Frei- oder Verkauf der Gefangenen unter anderem für den Erhalt/die Bestätigung des Chantitels durch das Osmanische Reich benutzt wurde, sieht Ivanics wirtschaftliche und auch politische Aspekte in diesen Prozessen. Ebenfalls eine komplexere Untersuchung der Mittelmeerpiraterie und der Beteiligung der französischen Botschafter beim Freikauf der osmanischen Gefangenen bei maltesischen Piraten lieferte der Herausgeber des Bandes Pál Fodor in "Maltese pirates, Ottoman captives and French traders in the early seventeenth-century Mediterranean" (221-237). Seine überzeugende Darstellung beschränkt sich nicht nur auf die maltesischen Netzwerke, Praktiken der Gefangennahme und des Vertriebs der Gefangenen. Vielmehr geht es auf der osmanischen Seite um die Etablierung - beim Fehlen einer offiziellen staatlichen Institution zum Freikauf der Gefangenen - einer neuen Vorgehensweise zu diesem Zweck. Durch die Vermittlung der maltesischen Kaufleute oder französischen Botschafter bekamen breitere Kreise der Gesellschaft eine Möglichkeit sich selbst oder Familienangehörige freizukaufen. Die Prozesse der Verhandlungen, der notarielle Ablauf und die Konditionen des Freikaufs wurden in den Unterlagen von osmanischen Kadis und von französischen Botschaftern festgehalten. Auch in diesem Fall gibt es Interdependenzen zwischen wirtschaftlichen Aktionen (wie Freikauf) und politischen Interessenvertretungen (Stärkung der französischen Position im Osmanischen Reich durch die vertrauensvollen Beziehungen zu osmanischen Würdenträgern).

Die Freikaufprozesse werden im vorliegenden Sammelband unter Berücksichtigung verschiedener Perspektiven analysiert. Auf der politischen Ebene geht es hauptsächlich um Interaktionen zwischen dem Osmanischen Reich und dem Habsburger Reich. In einzelnen Beiträgen kommen die Verhältnisse zu weiteren Mächten zur Sprache (vgl. Varga, Ivanics und Fodor). Die Netzwerkebene ermöglicht die Rekonstruktion von Akteuren, die in Versklavungs-, Verkaufs- und Freikaufprozessen involviert waren, sowie von ihren Intentionen und Strategien. Auf der Mikroebene lassen sich Empfindungen und Befreiungsstrategien der Betroffenen herausarbeiten (vgl. Csukovits). Die meisten Beiträge fokussieren sich auf die Etablierung neuer Rechtsnormen und -praktiken an der osmanisch-ungarischen Grenze (vgl. Tringli, Nógrády, Pálffy, Újváry, Varga und Dávid). Der Freikauf der Gefangenen stellte nicht nur einen wichtigen wirtschaftlichen Faktor dar, sondern hatte Auswirkungen auf Militärsysteme, Handel, religiöse Identitäten und außenpolitische Beziehungen zu anderen Mächten.

Zu den Vorzügen des vorliegenden Bandes zählt die Bandbreite der ausgewerteten Quellen, die bisher in der Sklavenforschung wenig Beachtung fanden: Osmanische Gerichtsakten und Verwaltungsdokumentationen (Register) geben Auskunft über Sklavenmärkte, Preise, Einsatzbereiche der Sklaven, legale Befreiungsformen, Behandlung von geflohenen Sklaven etc. Die angekündigte Multiperspektivität spiegelt sich in der Betrachtung der Freikaufprozesse aus der osmanischen, tatarischen, maltesischen und schließlich ungarischen Gefangenschaft wider, wobei die ungarnzentrierte Position deutlich zu spüren ist. Der Sammelband enthält neben komplexen Untersuchungen der Freikaufprozesse (z.B. Pálffy, Ivanics, Fodor) viele Fallstudien zur Veranschaulichung einzelner regionaler Aspekte. Leider fehlt ein abschließendes Kapitel, das die vielfältigen Transaktionen an der ungarisch-osmanischen Grenze und die allmähliche Institutionalisierung der Freikaufabläufe systematisiert. Damit liegt der Wert des Sammelbandes in der Darstellung einzelner Aspekte und Phänomene, und nicht in der Entwicklung eines neuen Konzeptes, was wünschenswert wäre. Ebenso wünschenswert wären Informationen zu den einzelnen Autoren, die zu einer besseren Einordnung der Beiträge in den wissenschaftlichen Diskurs beitragen könnten. Alles in allem leisteten die Herausgeber, Géza Dávid und Pál Fodor, mit diesem Sammelband einen sehr lesenswerten Beitrag sowohl zur Erforschung der Sklaverei als auch zur Geschichte der osmanisch-ungarischen Beziehungen.

Elena Smolarz