Rainer Wiegels: Kleine Schriften zur Epigraphik und Militargeschichte der germanischen Provinzen. Hgg. von Krešimir Matijević / Wolfgang Spickermann, Stuttgart: Franz Steiner Verlag 2010, 643 S., ISBN 978-3-515-09732-1, EUR 82,00
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Festschriften haben oft das Problem, dass sie eine Reihe von lose bis gar nicht miteinander verknüpften Aufsätzen enthalten, die dann mit wenig aussagekräftigen Titeln wie "Studien zur griechischen und römischen Geschichte" publiziert werden. Um dies zu vermeiden, besteht neben der selten praktizierten Möglichkeit einer festgelegten eingegrenzten Thematik der Festschrift (etwa die Festschrift für Gerhard Wirth zu Alexander dem Großen) auch die häufiger angewandte Option einer Sammlung älterer Aufsätze des Geehrten.
Diese letztgenannte Option wurde im Fall des bis 2008 an der Universität Osnabrück tätigen Althistorikers und Epigraphikers Rainer Wiegels umgesetzt. Dieser hier zu besprechende Band, bei dem es sich um die Festschrift zum 70. Geburtstag des Autors handelt, enthält in der Reihenfolge ihres Erscheinens dreißig Aufsätze (alle in deutscher Sprache), die in den Jahren 1973 bis 2007 publiziert wurden. Änderungen wurden mit Ausnahme der Korrektur offensichtlicher Fehler (9) nicht vorgenommen.
Für einen Lebenslauf und ein Schriftenverzeichnis von Wiegels wird lediglich auf dessen Festschrift zum 65. Geburtstag verwiesen (9), obwohl zumindest ein Verzeichnis der Publikationen für die Jahre von 2005 bis 2010 wünschenswert gewesen wäre. Denn dass Wiegels in dieser Zeit nicht untätig gewesen ist, zeigt - von einer entsprechenden Feststellung im Vorwort (9) abgesehen - bereits die Tatsache, dass immerhin drei der abgedruckten Aufsätze aus diesem Zeitraum stammen.
Die meisten der in dem Band enthaltenen Aufsätze untersuchen speziell ein einzelnes inschriftliches Zeugnis. Grundlage vieler Schriften ist daher die Rekonstruktion der manchmal zuvor noch nicht publizierten oder oft bislang nicht in zufriedenstellendem Maße rekonstruierten einzelnen Inschrift, um überhaupt eine sichere Textgrundlage zu gewinnen. Daraufhin werden die somit nutzbaren einzelnen Zeugnisse daraufhin ausgewertet, welche weiterführende Schlussfolgerungen für den größeren Kontext sie ermöglichen.
Zur Veranschaulichung sei dies an einigen Aufsätzen demonstriert. "Inschriften des Septimius Severus in den gallisch-germanischen Provinzen" (449-463) geht von zwei Inschriften aus Lopodunum/Ladenburg am Neckar zu Ehren von Septimius Severus aus, deren Lesungen einer erneuten Prüfung unterzogen werden. Dann wird auf Basis des vorhandenen inschriftlichen Materials die Ballung von ehrenden Zeugnissen für Septimius Severus und seine Familie im gallisch-germanischen Raum ab dem Jahr 197 auf die Verfolgung der Anhänger des Clodius Albinus zurückgeführt (siehe dazu allerdings auch die Einwände in der Rezension von Speidel [1]).
Fast schon kriminalistischen Charakter hat der Aufsatz "Römische Grabinschrift aus Mainz, verschollen oder unterschlagen?" (367-372). Bei diesem handelt es sich um die Rekonstruktion einer Inschrift nach Fotografien, deren Original nicht zu begutachten war, da weder Fund- noch Verwahrort des Steines bekannt sind. Allerdings ist hier der Titel irreführend und daher etwas ungünstig gewählt, da sich der Aufsatz mit der Ergänzung und Sicherung des Textes der Inschrift befasst. Auf die im Titel gestellte Frage wird dagegen außerhalb einiger kurzer Bemerkungen nicht näher eingegangen.
"Ulpius: Zu den kaiserlichen nomina gentilia im Inschriftenbestand des römischen Germanien und angrenzender Gebiete" (395-430) bietet neben der eigentlichen Analyse zudem eine ausgesprochen nützliche Prosopographie der fast achtzig nachweisbaren Träger des Gentilnomens Ulpius in den gallisch-germanischen Provinzen.
Der Band stellt somit trotz kleinerer Kritikpunkte einen erfreulichen Forschungsbeitrag dar. Sein Verdienst besteht darin, eine Vielzahl von Schriften, die nicht selten an abgelegener Stelle publiziert wurden, nun sowohl durch die Neupublikation an sich als auch durch die umfangreichen beigefügten Indices (die insbesondere für die epigraphischen Quellenbelege von unschätzbarem Wert sind) erheblich leichter zugänglich zu machen. Dem Erforscher des römischen Germanien ist damit ein nützliches und willkommenes Arbeitsinstrument gegeben.[1]
Anmerkung:
[1] Siehe auch die positiven Beurteilungen durch die früheren Rezensenten: Yann Le Bohec, in: Revue des études latines 88 (2010), 432-433; Frank Daubner, in: Orbis Terrarum 10 (2008-11), 256-257; Patrice Faure, in: Bonner Jahrbücher 212 (2012), 477-479; Michel Reddé, in: Revue des études anciennes 113 (2011), 288-290; Oliver Schipp, in: Göttinger Forum für Altertumswissenschaft 16 (2013), 1037-1040 (http://gfa.gbv.de/dr,gfa,016,2013,r,08.pdf); Michael Sommer, in: Zeitschrift für Geschichtswissenschaft 59 (2011), 279-280; Michael Alexander Speidel, in: Tyche 27 (2012), 276-278; Oliver Stoll, in: Historische Zeitschrift 293 (2011), 470-471.
Raphael Brendel