Stefan Pfeiffer: Der römische Kaiser und das Land am Nil. Kaiserverehrung und Kaiserkult in Alexandria und Ägypten von Augustus bis Caracalla (30 v. Chr. - 217 n. Chr.) (= Historia. Einzelschriften; Heft 212), Stuttgart: Franz Steiner Verlag 2010, 378 S., ISBN 978-3-515-09650-8, EUR 67,00
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Bei dem hier zu besprechenden Buch handelt es sich um die Trierer Habilitationsschrift des mittlerweile in Halle tätigen Stefan Pfeiffer, die der folgenden Frage nachgeht: Konnte der Kaiserkult als Faktor zur Legitimation der römischen Fremdherrschaft und zur Identitätsstiftung der Bevölkerung dienen? Der Startpunkt Augustus ist selbsterklärend, der Endpunkt Caracalla wird damit begründet, dass sich nach diesem die Quellenlage für die Beziehungen zwischen Ägypten und dem Kaiser deutlich verschlechtere.
Die relativ umfangreiche Einführung (19-40) ist in zwei Teile untergliedert. Deren erster bietet einen Überblick über die Diskussion der Kernprobleme des Kaiserkultes in der Forschung (ontologischer Status des Kaisers, Kern der Definition von Kult). In dem zweiten Teil folgt eine Charakteristik der zahlreichen einzelnen religiösen und ethnischen Gruppen Ägyptens und ihrer gegenseitigen Beziehungen. Als nicht relevant für die Untersuchung werden hier die Christen ausgeklammert, da für diese erst mit der diokletianischen Verfolgung ein verwertbares Ausmaß an Quellen vorliege.
Den Hauptteil des Buches macht das zweite Kapitel (41-216) aus, das die gegenseitigen Beziehungen zwischen Ägypten und den einzelnen Kaisern von Augustus bis Caracalla detailliert analysiert. Auf die zahlreichen wertvollen Einzelergebnisse kann hier nicht eingegangen werden, als wichtigste Erkenntnisse sind festzuhalten: Eine eindeutige Entwicklung in Bezug auf den Kaiserkult ist nicht feststellbar, da selbst anderweitig folgenreiche Ereignisse (Munizipalisierung Ägyptens, Constitutio Antoniniana) in dieser Hinsicht keine nennenswerten Einschnitte bilden. Alle Kaiser waren stets um eine ideelle Rückbindung an Augustus bemüht, was auch für von der Historiographie als schlecht charakterisierte Kaiser gilt, da bei diesen keine abweichende Verehrung festzustellen ist. Besondere Abweichungen finden sich nur bei Nero und bei Hadrian. Bei ersterem ist eine Vergöttlichung in der alexandrinischen Münzprägung festzustellen; bei letzterem handelt es sich um den einzigen Kaiser neben Augustus, dem eigene Tempel geweiht wurden.
Auch bei der Wahrnehmung des Kaisers durch seine Untertanen ist eine Kontinuität festzustellen. Aufgrund der wiederholten Konflikte zwischen den Kaisern und der städtischen Elite Alexandrias ist festzustellen, dass der Kaiserkult nicht als identitätsstiftende Religion angesehen wurde, sondern dass die Alexandriner nach Vergünstigungen im Ausgleich für Loyalitätsbekundungen strebten; dass Ägypten dennoch eine insgesamt ruhige Provinz blieb, war in der Präsenz Roms als Ordnungsmacht begründet. Wandlungen sind lediglich in der Wahrnehmung Ägyptens durch Rom und den Kaiser festzustellen. Nach ersten Änderungen der Propaganda unter Nero, die sich noch auf Ägypten beschränken, setzt sich unter den flavischen Kaisern ein positives Ägyptenbild durch.
Das dritte Kapitel (217-315) untersucht die Strukturen und Institutionen des Kaiserkultes und der Kaiserverehrung in Ägypten. Die zentralen Ergebnisse sind folgende: Der ägyptische Kaiserkult unterscheidet sich von dem der übrigen Provinzen darin, dass der Roma keine Bedeutung zukommt. Dies ist mit der Sonderstellung der Provinz Ägypten zu erklären, da die Verehrung der Roma eng mit dem Senat verbunden ist. Indigenes Brauchtum fehlt dem ägyptischen Kaiserkult, da dieser mit den griechischen Traditionen verbunden ist, in den ägyptischen Tempeln findet dagegen nur Kaiserverehrung statt, also Handlungen für die jeweiligen Götter als Garantie für das Heil des Kaisers. Diese Kaiserverehrung, die auch von Juden praktiziert wurde, weist für den untersuchten Zeitraum eine hohe Kontinuität auf.
Die wichtigsten Ergebnisse werden in klarer und sehr gut lesbarer Form nochmals in einer Zusammenfassung (317-319) präsentiert. Das gründliche Literaturverzeichnis (321-355) erfasst mit nur wenigen Ausnahmen die relevanten Publikationen sowohl zum Kaiserkult als auch zum römischen Ägypten.[1]
Pfeiffers Buch ist nicht einfach nur eine weitere unter den zahlreichen Publikationen zum römischen Ägypten, sondern zeichnet sich durch seine ausgiebige Verwertung einer umfangreichen Bandbreite an Quellenmaterial in den unterschiedlichsten Sprachen aus. Außerdem ist es durch das chronologisch angeordnete umfangreiche zweite Kapitel hervorragend geeignet, einen schnellen Überblick über die Beziehungen eines einzelnen Kaisers zur Provinz Ägypten zu geben. Die gewinnbringende Lektüre dieses kompetenten Werkes sei daher jedem Erforscher des kaiserzeitlichen Ägypten empfohlen.[2]
Anmerkungen:
[1] Zu ergänzen wäre etwa noch Ilse Becher: Augustus und Ägypten. Studien zu Religionspolitik und Propaganda in augusteischer Zeit, Habil.-Schr. Leipzig 1969.
[2] Positive Urteile früherer Rezensenten: Jörg-Dieter Gauger, in: Klio 95/1 (2013), 252-254; Andrea Jördens, in: Historische Zeitschrift 295 (2012), 152-153; Jan Moje, in: Bryn Mawr Classical Review Juli 2011, Nr. 20 (http://bmcr.brynmawr.edu/2011/2011-07-20.html); Michael Peachin, in: Classical World 106 (2012), 145-147; trotz Anerkennung der Leistungen des Buches zu einem kritischeren Urteil gelangt die Besprechung von Peter Herz, in: Theologische Literaturzeitung 137 (2012), 791-792.
Raphael Brendel