Peter Suber: Open Access, Cambridge, Mass.: MIT Press 2012, 256 S., ISBN 978-0-262-51763-8, USD 13,95
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Mancher Leser / manche Leserin wird sich fragen, warum ein Buch über Open Access in einem historischen/ kunsthistorischen Rezensionsjournal besprochen wird. Dazu am Schluss noch ein paar Worte.
Zunächst gilt es, die knappe Einführung in ein Gebiet anzuzeigen, das zu den wichtigsten, umstrittensten und gleichzeitig scheinbar nebensächlichsten des aktuellen Wissenschaftsbetriebes gehört. Der Autor, Peter Suber, gilt als einer der besten Kenner des durchaus komplexen Gegenstandes. Er liefert eine konzise, leicht in einem knappen halben Tag zu lesende Darstellung, die ganz auf den Vergleich Online- gegen Druck-Publikation abstellt. Aber man wird sich keine objektive Präsentation des Gegenstandes erwarten dürfen. Suber ist auch ein Vorkämpfer des Open Access, sein Ziel, wissenschaftliche Ergebnisse öffentlich frei zugänglich zu machen, scheint in jedem einzelnen Absatz durch.
Subers Grunddisposition ist als konziliant zu bezeichnen. Anstatt die blutigen Schlachten erneut zu schlagen, die zwischen Online-Adepten und traditionellen Verlegern seit Jahrzehnten geschlagen werden, betont er die Vermittlungsmöglichkeiten: Online kann neben Druck bestehen und vor allem Druck neben Online. Online muss Druck nicht schaden, im Gegenteil, es kann den Verkauf der gedruckten Bücher sogar befördern. Oder: Traditionelle Verlage erlauben längst in den meisten Fällen, dass ihre Autoren gleichzeitig oder mindestens nach einer Embargo-Frist von 6-12 Monaten ihre Schriften im Internet im "grünen open access" nachveröffentlichen dürfen. Apropos grüner und goldener Weg, also dem sekundären Online-Publizieren von schon einmal in traditionellen Journalen/Büchern Veröffentlichtem (grün) oder originär im Internet Publizierten (gold): Der Autor priorisiert unverkennbar den grünen Weg, und zwar aus dem gleichen Grund, der auch seine Konzilianz verursacht: grün kann den Druck komplementieren, gold würde ihn ersetzten, bzw. nur noch sekundär erlauben. Der Standpunkt ist nachzuvollziehen, auch wenn Enthusiasten der Innovation eher den goldenen Weg favorisieren. Mit dem Kopf durch die Wand ist eben noch niemand gekommen.
Teil von Subers konzilianter Strategie ist es auch, immer wieder das Klischee zu widerlegen, Open Access diene dem Umgehen von Peer Review Prozessen. Auch Online-Zeitschriften bedienten sich nämlich meistens eines Peer Review Verfahrens. Das ist zweifellos richtig, allerdings wird man hier darauf verweisen dürfen, dass Peer Review ein durchaus schillernder Begriff ist, und dass sich im Internet innovative Aspekte des Peer Reviewing bis hin zu offenen Bewertungsverfahren mit Elementen des Web 2.0 finden. An dieser Stelle hält sich der Autor eher zurück, wohl auch, um eine - wenigstens in den Geisteswissenschaften - immer noch weithin konservative Autoren- und Leserschaft nicht allzu sehr zu verschrecken.
Suber konzentriert sich auf Aufsatz-Publikationen und verweist darauf, dass in den Naturwissenschaften die Konversion ins Digitale schon weitgehend abgeschlossen ist. Aber auch in der Monografien-Produktion sieht er die Vorteile des Online-Publizierens, das sich ja im Übrigen auch deswegen weit weniger radikal darstellt, als es scheint, weil Online die sekundäre Herstellung von ganz normalen, gedruckten Büchern gar nicht ausschließt. Die Bretter, die hier zu bohren sind, sind aber dick. Das Renommee, das sich Verlage bei der Betreuung von Büchern seit Jahrzehnten, teilweise Jahrhunderten aufgebaut haben, dürfte für Neugründungen im Online-Bereich nicht so leicht zu erlangen sein. Und da ein im Beck-Verlag veröffentlichtes Buch etwa dem Bewerber / der Bewerberin um eine Professur auch dann schon einen klaren Vorteil erwirkt, wenn der /die Bewertende in dem Buch noch nicht eine Zeile gelesen hat, könnte das Reputationsargument zu dem entscheidenden in der Zukunft der Buchproduktion werden, wohlgemerkt im wissenschaftlichen Bereich. Die Alternative wäre, dass eben diese renommierten Verlage selber eine entschiedenere Open Access Politik betreiben. Danach sieht es aber nicht unbedingt aus. Oder aber Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler nehmen den Prozess selber in die Hand.
Die Vorteile von Online für die Wissenschaft werden natürlich ausführlich besprochen. Dabei ist das Kostenargument eigentlich noch das nebensächlichste und muss auch mit der Tatsache verrechnet werden, dass natürlich auch Online in der Produktion nicht kostenlos ist. Im Lehralltag ist eine viel leichtere Versorgung mit Lektürestoff zu bewerkstelligen. Der wissenschaftliche Austausch ist entschieden leichter zu organisieren, Wissenschaft als kooperatives Projekt wird befördert. Und besonders wichtig: Online veröffentlichte Forschung wird nachweislich häufiger zitiert als gedruckte.
Auch wenn es bei dem Buch um eine knappe Einführung geht: Das Fehlen von umfassenderen Aspekten des Open Access bleibt zu monieren. Kommen die Chancen des Data Mining immerhin noch zur Sprache, die ohne eine Online-Präsenz naturgemäß ganz unvorstellbar sind, fallen solche der Commons-Kultur völlig weg. Ist es nicht für einen / eine aus öffentlichen Mitteln bezahlten Wissenschaftler / Wissenschaftlerin eine Ehrensache, seine Ergebnisse auch wieder dieser Öffentlichkeit zur Verfügung zu stellen, ohne dass diese noch einmal dafür bezahlt? Und wenn man schon glaubt, dass wissenschaftliche Ergebnisse nur eine wissenschaftliche Öffentlichkeit angehen (was der Rezensent ausdrücklich nicht tut): Ist es nicht genauso eine Ehrensache, den dringenden Appellen von Wissenschaftlern aus Entwicklungsländern, mehr Forschungsmaterial im Internet zur Verfügung zu stellen, weil man dort die teuren Bücher gar nicht bezahlen kann, mehr Gehör zu schenken? Das Argument, man würde dabei auf Einkommen verzichten, fällt auf jeden Fall weitgehend weg. Wissenschaftliche Aufsätzen werden gewöhnlich nicht bezahlt, und bei Büchern dürften sich nennenswerte Verdienstmöglichkeiten im wissenschaftlichen Bereich auf sehr wenige Spitzenautoren beschränken - die diese Verdienste dann im Übrigen weitgehend bei einem interessierten Laienpublikum erzielen, dessen Relevanz sie ansonsten, also bei der eben genannten Forderung, man müsse seine öffentlich finanzierten Forschungen auch kostenlos zur Verfügung stellen, bestreiten.
Und noch ein weiterer Aspekt des Online-Veröffentlichens findet keine Erwähnung, ein sehr aktueller, der auch nach Abklingen der Skandale um führende deutsche Politiker weiterhin virulent bleiben wird. Die nun allseits verwendete Plagiats-Software, so umstritten sie auch als solche schon ist, wird natürlich dann wenig bringen, wenn die plagiierten Texte nicht in elektronischer Form vorliegen. Auch hier wieder das vielfach zu beobachtende Phänomen: Einerseits verführt das Internet zum Plagiieren via Copy-and-paste, andererseits steht es bereit, auf relativ simplem Weg eben dieses Vergehen leicht nachweisen zu lassen.
Aber noch einmal zum Eingangsaspekt, der Frage, warum ein Buch zu diesem Gegenstand hier besprochen wird. Open Access ist als Begriff für den kostenlosen Zugriff auf (wissenschaftliche) Literatur im Internet reserviert. Darüber hinaus aber lassen sich noch weitere Bereiche aufzählen, die eine ähnliche Behandlung verdienten. Diese firmieren gewöhnlich unter dem Begriff "Open Data". Das ändert nichts daran, dass beides eigentlich mehr oder weniger das Gleiche ist. Unter Open Data fallen in der Kunstgeschichte etwa die Kunstwerke, mit denen wir uns beschäftigen. Dass man mit diesen entschieden produktiver und origineller umgehen kann, wenn sie sich ebenfalls als Reproduktionen im Internet befinden, liegt auf der Hand. Museen weltweit haben begonnen, ihre Schätze umfassend online zur Verfügung zu stellen. Insbesondere ist dies in den angelsächsischen Ländern und den Niederlanden zu beobachten. Deutsche Museen und Kulturinstitutionen liegen hier noch etwas zurück, aber sie werden aufholen. Denn auch hier wird sich die Erkenntnis durchsetzen, dass die Präsenz im Internet dem Bildungsauftrag nicht etwa entgegensteht, sondern dass sie ihn befördert. Und insbesondere wird man verstehen, dass Besucher nicht wegbleiben, wenn sie die Werke schon im Internet sehen, sondern dass sie dann gerade kommen werden, wenn sie von ihrer Existenz überhaupt erst einmal erfahren haben.
Hubertus Kohle