Reuven Amitai: Holy War and Rapprochement. Studies in the Relations between the Mamluk Sultanate and the Mongol Ilkhanate (1260-1335) (= Miroir de l'Orient Musulman; 4), Turnhout: Brepols 2013, 149 S., ISBN 978-2-503-53152-6, EUR 40,00
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Reuven Amitai, der an der Hebrew University in Jerusalem den Eliyahu Elath Lehrstuhl für Muslimische Geschichte innehat, hat sein wissenschaftliches Leben bisher vor allem der Erforschung der mamlukisch-mongolischen Beziehungen von der Mitte des 13. bis zur Mitte des 14. Jahrhunderts gewidmet. Die historischen Eckpunkte bilden dabei einerseits der Sieg der Mamluken gegen die nicht-muslimischen Feinde bei Ayn Jalut 1260 und der Friedensvertrag zwischen beiden Parteien im Jahre 1323 andererseits. Die Mongolen waren in der Zwischenzeit offiziell zum Islam konvertiert. Amitai, der neben seiner wegweisenden Monographie "Mongols and Mamluks: The Mamluk-Ilkhanid War, 1260-1281" (Cambridge 1995) zahlreiche Artikel zu diesem Thema verfasst hat, legt nun eine Art Zwischenfazit vor. Es handelt sich um die Verschriftlichung von vier aufeinander aufbauenden Vorlesungen, die er Anfang 2007 in Paris an der École Pratique des Hautes Études gehalten hat.
Der Verf. liefert ein sehr überzeugendes Bild der vielgestaltigen Beziehungen zwischen den beiden Großreichen. Dabei konzentriert er sich auf vier zentrale Aspekte: (1) die militärische Auseinandersetzung, (2) und (3) die Herrschaftslegitimierung vor und nach dem Übertritt der Mongolen zum muslimischen Glauben sowie (4) das Verhältnis der beiden türkisch-mongolischen Eliten zu ihrem jeweiligen gesellschaftlichen Umfeld.
Vordergründig bestimmte der lange mamlukisch-mongolische Krieg mit den regelmäßigen Feldzügen der Ilkhane nach Syrien (1281, 1299, 1300, 1303 und 1312-13) und den ebenso kontinuierlich durchgeführten Einfällen mamlukischer Truppen in mongolisches Territorium das Geschehen. Hier gilt es, so Amitai, neben der Beschäftigung mit militärischen Angelegenheiten (Logistik, Kampftechnik, Heeresstärke, Zusammensetzung der Streitkräfte) vor allem der Frage nachzugehen, warum die Mamluken in der Regel als Sieger aus den Auseinandersetzungen hervorgingen. Der Autor kommt zu dem plausiblen Schluss, dass für die Mongolen die syrische Front nur eine von vielen Kampfzonen darstellte, wohingegen sich die Mamluken auf diese eine Herausforderung fokussieren konnten.
In dem zweiten Teil seines Buches befasst sich der Verf. mit den auf beiden Seiten im Laufe des Konfliktes bis zum Ende des 13. Jahrhunderts - also vor der Konversion des Mongolenherrschers Ghazan (gest. 1304) - formulierten Ideologien zur gesellschaftlichen Absicherung der eigenen Machtansprüche und zur Diffamierung des Gegners. Letzten Endes beriefen sich die Mongolen weiterhin auf das ihnen auferlegte Mandat des Himmels, sich die Welt untertan zu machen und jeden, der sich ihnen nicht ergab, bis zum gewünschten Erfolg zu bekämpfen. Das galt natürlich auch oder ganz besonders für die unbotmäßigen Mamluken. Amitai schlägt mit guten Argumenten vor, diese Rechtfertigungsstrategie ebenso als "Heiligen Krieg" aufzufassen wie den auf der anderen Seite offiziell proklamierten Dschihad. Die Mamluken sahen sich natürlich als die Verteidiger des Islams und aller Muslime gegen die Armeen von polytheistischen Ungläubigen, die nicht nur Krieg gegen die islamischen Länder führten, sondern vor allem Bagdad erobert und den Kalifen ermordet hatten. Eine zusätzliche Legitimation ihres Handelns gab den mamlukischen Machthabern der Umstand, dass sich ein Nachkomme des letzten Kalifen in Kairo als nominelles Oberhaupt der Sunniten niedergelassen und sich damit eine Art Nachfolgekalifat etabliert hatte. Die Mamlukensultane ließen sich von diesem bei jedem Regierungswechsel in einer offiziellen Zeremonie die weltliche Herrschaft übertragen.
Nachdem im Jahre 1299 Ghazan zum Islam übergetreten war, bedurfte es zur weiteren Legitimation der mongolischen Herrschaft in Iran einer neuen Rhetorik. Interessanterweise behielten die Mongolen weitgehend ihre traditionellen Argumentationsmuster bei, nur dass sie ihnen nun ein islamisches Gewand verliehen. Zwar wurde Ghazan als ein muslimischer Vorzeigeherrscher inszeniert und narrativ präsentiert, doch blieb der Anspruch auf Weltherrschaft erhalten. Da Angriffe auf andere muslimische Gebiete stets einer besonderen Begründung bedurften, da der eigentliche Dschihad sich ja in erster Linie gegen nicht-islamische Regionen richtet, stellte man die Mamluken als korrupte und kriminelle Emporkömmlinge von unklarer Herkunft und Abstammung dar, die es zu beseitigen und durch eine wahrhaft islamische Herrschaft zu ersetzen galt. Die Mamluken ihrerseits fochten die Konversion des Mongolenherrschers und seiner Entourage an und unterstellten den Gegnern Opportunismus und unlautere Motive. Eine besondere Rolle in dieser polemischen Auseinandersetzung spielte der bekannte Gelehrte Ibn Taymiyya (gest. 1328), der auf der Basis von Fatwas die verdächtige Natur des mongolischen Islams öffentlich anprangerte. Die Mamluken ergaben sich also nicht kampflos, sondern konnten 1303 bei Marj as-Suffar einen großen militärischen Erfolg feiern. Amitai widmet sich in diesem Abschnitt noch kurz dem folgenden mamlukisch-ilkhanidischen Friedensprozess und den politischen Beziehungen der neuen Partner bis zur Auflösung des Ilkhanates im Jahr 1335.
Die letzte der vier überarbeiteten Vorlesungen hat dann ein anderes Thema zum Gegenstand. Amitai geht der Frage nach, wie die beiden aus Zentralasien stammenden Machteliten ihre Herrschaft nach innen gegenüber der nicht-mongolischen und nicht-mamlukischen Bevölkerung "verkauften". Die Mamluken konnten sich seit ihrer Etablierung in der Mitte des 13. Jahrhunderts natürlich, wie schon erwähnt, als die siegreichen Verteidiger des Islam gegen die mongolischen Horden darstellen. Darüber hinaus arrangierten sie sich mit den Religionsgelehrten, die reichlich von ihrer Patronage und den zahlreichen von ihnen gestifteten Bildungseinrichtungen profitierten. Die Mongolen hingegen taten lange Zeit im Grunde gar nichts, um anerkennende Unterstützung der von ihnen beherrschten Personen und Gruppen zu erhalten. Sie hatten, so scheint es, mehr damit zu tun, sich intern gegenüber den turko-mongolischen Stämmen zu legitimieren. Erst nach dem Wechsel zum Islam begannen sie, sich der iranisch-muslimischen Bevölkerung als idealtypische Herrscher zu präsentieren. Mit dieser Verhaltensweise stehen sie in einer Linie mit ihren Vorgängern, den Seldschuken, die 200 Jahre zuvor eine ähnliche ideologische Kehrtwendung vollzogen hatten.
Reuven Amitai hat alles in allem eine ausgezeichnete Synthese seiner im Laufe von vielen Jahren gewonnenen Expertise zu den mamlukisch-ilkhanidischen Beziehungen vorgelegt, die viele Leser verdient!
Stephan Conermann