Hans-Martin Kaulbach (Hg.): Friedensbilder in Europa 1450-1815. Kunst der Diplomatie - Diplomatie der Kunst, Berlin: Deutscher Kunstverlag 2012, 160 S., 173 Farb-Abb., ISBN 978-3-4220-7160-5, EUR 29,90
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Es ist wohltuend, im Jahr, in dem überall des Ersten Weltkriegs gedacht wird, eine Publikation über den Frieden in die Hand zu nehmen, die sich in ansprechender Form darbietet: schlank und reich bebildert. Dieser Katalog mit sechs kurzen einleitenden Aufsätzen dokumentiert die Ergebnisse des dreijährigen Verbundprojekts "Übersetzungsleistungen von Diplomatie und Medien im vormodernen Friedensprozess. Europa 1450-1789", das 2009-12 vom Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördert wurde. Beteiligt waren die Staatsgalerie Stuttgart, das Leibniz-Institut für Europäische Geschichte in Mainz und das Institut für Europäische Kulturgeschichte der Universität Augsburg. [1] Die Federführung übernahm der Stuttgarter Kunsthistoriker Hans-Martin Kaulbach, der seine langjährigen Forschungen auf dem Gebiet der Friedensikonografie in das Projekt einbrachte. Offenbar für ein breites Publikum intendiert, sind die Texte durchweg allgemein gehalten und der Katalogteil sehr didaktisch konzipiert.
Im eröffnenden Beitrag "Der frühneuzeitliche Friedensprozess" (9-19) gibt Heinz Duchhardt ein Aperçu seiner jahrzehntelangen Beschäftigung mit diesem Themenkomplex, dessen Basis die am Mainzer Institut edierten etwa 1200 Friedensverträge bilden. [2] Duchhardt regt an, diese Verträge typologisch zu untersuchen, skizziert wichtige Aspekte bei Friedenskongressen (Zeremonialkonflikte, Sozialleben der Gesandten etc.) und weist auf die Entwicklung von europazentrischen zu globalen Perspektiven hin. Nur gestreift werden die zahlreichen Idealprojekte zum "Ewigen Frieden" mit Verweis auf Kurt von Raumers diesbezügliche Anthologie (1953). Bei der Verwendung der Bezeichnung "Zeitalter der Extreme" (9) sollte deren Urheber genannt und erklärt werden, warum die Jahre 1914-1945 und nicht die von Eric Hobsbawn so charakterisierte Epoche 1914-1991 gemeint ist.
Die nächsten vier Beiträge unter dem Obertitel "Pax! Den Frieden verhandeln, verbreiten und feiern" (21-42) stammen von der Augsburger Forschergruppe. Hier finden sich Ausführungen zur Redegewandtheit und den Sprachkenntnissen von Diplomaten, zur Einrichtung ständiger Botschaften ab dem 15. Jahrhundert, zum besonderen diplomatischen Geschick der Venezianer und dergleichen. Eine statistische Auswertung belegt die Vielfalt der Sprachen von Friedensverträgen und macht deutlich, dass die Dominanz von Latein erst nach dem Westfälischen Frieden durch Französisch abgelöst wurde. Anhand mehrerer allegorischer Titelkupfer wird das frühneuzeitliche Nachrichten- und Mediensystem erläutert und dabei auch das heute so aktuelle Problem der Spionage gestreift (30). Friedensfeste mit Feuerwerken (seit wann diese Verbindung?) sind auf Kupferstichen vermutlich eindrucksvoller als in Wirklichkeit dargestellt.
Im abschließenden Aufsatz (43-65) zeigt Cornelia Manegold, wie sich die Bildproduktion im Zusammenhang mit der Friedensdiplomatie von den Anfängen im 16. Jahrhundert im Laufe des späten 17. und im 18. Jahrhundert weiterentwickelte. Wesentliche Faktoren sind dabei die Massenproduktion von Gesandtenporträts seit dem Westfälischen Frieden und das Anlegen von Sammlungen illustrierter Flugblätter mit dem Ziel einer möglichst lückenlosen Darstellung der Geschichte. Zu ergänzen wäre, dass manche Bilder ihre Bedeutung erst durch ihre Rezeption erlangten. So spielte Gerard Ter Borchs berühmtes Gemälde "Die Beeidung der Ratifikation des Spanisch-Niederländischen Friedens im Rathaussaal zu Münster am 15. Mai 1648" für dieses Ereignis selbst keine Rolle, sondern kommt als Dokument zur Geschichte der Niederlande erst heute voll zur Geltung: Im Jahr 2000 übergab es die Londoner National Gallery, in die es durch Zufall gelangt war, dem Rijskmuseum in Amsterdam als Leihgabe (hier ist die Autorin nicht up to date). Sollte diese niederländische "Ikone" nicht bei passender Gelegenheit - etwa einem Staatsbesuch der Queen - als diplomatisches Geschenk übereignet werden?
Der Katalogteil (66-150) umfasst 112 Nummern, größtenteils grafische Blätter aus dem 17. und 18. Jahrhundert, daneben einige antike Münzen und neuzeitliche Medaillen. Die Darstellungen werden systematisch in neun Kapiteln behandelt: zunächst die Friedenspersonifikationen und ihre Attribute allgemein, dann ihre verschiedenen Erscheinungsformen und Funktionen, ferner spezielle Bildtypen mit Janustempeln oder Triumphwagen, schließlich Herrscher als Friedensstifter und die Kunst der Diplomatie. Den Schluss bilden elf Beispiele aus der Zeit von der Französischen Revolution bis zum Wiener Kongress, davon sechs Karikaturen, die den Eindruck erwecken, diese Epoche sei hauptsächlich "ein Witz" gewesen.
Während die Legenden der Abbildungen und die technischen Angaben zu den Katalognummern vorbildlich konzis sind, bieten die Katalogtexte oft kaum mehr Informationen als auf den "didactic labels" der Exponate bei der Ausstellung in Stuttgart im letzten Jahr zu lesen waren. Das erscheint gelegentlich als zu dürftig, etwa bei der "Friedens-Fortuna" von Gustav Georg Endner nach Johann Heinrich Lips, die als Frontispiz des "Historischen Taschenbuchs für Damen für das Jahr 1791" dient und als Verheißung einer "glückliche[n] Zukunft - vor dem Beginn der Kriege zwischen dem revolutionären Frankreich und den Monarchien 1792" interpretiert wird (Kat. 15). Es ist eine Variante der Allegorie im "Historischen Calender für Damen für das Jahr 1791", dem Vorspann zum "Historischen Taschenbuch für Damen", der 1791-93 von Friedrich Schiller herausgegeben wurde. Auch die anderen Jahrgänge weisen Frontispize mit eigentümlichen Friedensallegorien auf: 1792 "Mars bricht den Ölzweig" von Geyser nach Ramberg und 1793 "Friedliche Tauben werden von Amor gefüttert" von Meyer nach Lips. Wie sind diese Friedensallegorien im Hinblick auf die in den drei Bänden abgedruckte "Geschichte des Dreißigjährigen Krieges" von Schiller zu verstehen? Bilden sie für die Leserinnen einen Anreiz zur Lektüre dieses unfriedlichen Sujets oder verweisen sie auf dessen glückliches Ende, den Westfälischen Frieden, den Schiller im letzten Abschnitt über die Maßen hervorhebt, aber nicht behandelt? Der letzte der zwölf Stiche im "Calender" von 1792 zeigt übrigens die Szene "Schönheit und Jugend bringen Wrangeln den Oehlzweig und den Lorbeerkranz" von der Friedensfeier in Nürnberg 1650, die - soweit ich sehe - in der Sekundärliteratur unbeachtet blieb. [3] Wie mit diesem Beispiel angedeutet, laden auch andere Katalognummern zu kulturgeschichtlichen Erkundungen ein.
Anmerkungen:
[1] Siehe die Homepage http://www.uebersetzungsleistungen.de/mitarbeiter.html (Stand 12.7.2014).
[2] http://www.ieg-friedensvertraege.de/ (Stand 12.7.2014).
[3] Der "Historische Calender für Damen" 1790-93 ist von der Sächsischen Landesbibliothek online gestellt: http://digital.slub-dresden.de/werkansicht/dlf/72274/1/0/ (Stand 17.7.2014).
Jörg Martin Merz