Michael Müller-Wille: Zwischen Starigard/Oldenburg und Novgorod. Beiträge zur Archäologie west- und ostslawischer Gebiete im frühen Mittelalter (= Studien zur Siedlungsgeschichte und Archäologie der Ostseegebiete; Bd. 10), Neumünster: Wachholtz Verlag 2011, 312 S., ISBN 978-3-529-01399-7, EUR 50,00
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Diese Rezension erscheint auch in der Zeitschrift für Ostmitteleuropa-Forschung.
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Der Band versammelt 17 zwischen 1989 und 2010, teils im Erstdruck an etwas entlegener Stelle erschienene Arbeiten. Diese sind im Kontext einer Befassung mit dem Gegenstand erwachsen, die sich dem Autor durch das vor der Haustür seines (von 1981 bis 2003 bekleideten) Kieler Lehrstuhls gelegene, 1953 bis 1986 umfassend ergrabene ostholsteinisch-slawische Starigard/Oldenburg geradezu aufgedrängt hat. Seit den 1980er Jahren hat sich Michael Müller-Wille denn auch - zusätzlich zu seinen anderen Forschungsschwerpunkten und ausgehend von dem obodritischen Herrschaftszentrum - aus archäologischen, onomastischen und paläobotanischen Perspektiven immer wieder auch mit Fragen der slawischen Siedlungsgeschichte im südlichen und östlichen Ostseebereich befasst - nicht zuletzt im Rahmen eines von ihm geleitetem, von 1994 bis 2006 von der DFG und der Mainzer Akademie der Wissenschaften geförderten internationalen Langzeitprojekts, das in seinem geografischen Zugriff bis nach Novgorod und in die ostslawisch-finnougrischen Grenzregionen ausgegriffen und sehr erfolgreich neueste archäologisch-naturwissenschaftliche Methoden zur Anwendung gebracht hat.
Der mit persönlichen Erinnerungen an den 2010 tragisch verunglückten Warschauer Kollegen Marek Dulinicz - dessen fundamentale Studie zur westslawischen Frühgeschichte dank der Initiative des Verfassers auch auf Deutsch [1] vorliegt; vergleiche meine Rezension in ZfO 56 (2007), 429-430 - und einem kurzen Vorwort eröffnete Band kann als eine Art allgemeines Resüme zu diesen Forschungen gelesen werden. Denn Müller-Wille gelingt es hervorragend, die in den zahlreichen Spezialstudien, die im Rahmen seines Langzeitprojektes (nicht zuletzt als von ihm betreute akademische Qualifikationsschriften) vorgelegt worden beziehungsweise noch in Arbeit sind, erzielten Detailergebnisse zu einem größeren Bild zusammenzufügen und die Aufmerksamkeit des Lesers stets auf die wesentlichen Grundlinien der Siedlungsentwicklung zu lenken. In diesem Sinn informiert der erste Beitrag (1998) zunächst programmatisch über das erwähnte Langzeitprojekt, während die anschließenden sechs (2002, 2007 2009 und 2010 verfassten) Aufsätze Aspekte der slawischen Siedlungsgeschichte im obodritischen Herrschaftsgebiet zwischen Wismarer Bucht und Kieler Förde diskutieren. Dabei verdienen insbesondere die konzise referierten und zugleich in einen größeren Zusammenhang eingeordneten Ergebnisse jener umfangreichen Grabungen Beachtung, die 1995-1999 beim Dorf Groß Strömkendorf am Ostufer der Wismarer Bucht duchgeführt werden konnten. Der hier ermittelte Handels- und Handwerksplatz mit zugehörigem Gräberfeld wird ins 8.-9. Jahrhundert datiert (mit Dendrodaten zwischen 735 und 811) und gehört damit zu den frühen dendrodatierten Fundplätzen zwischen unterer Oder und Elbe. Einiges spricht dafür, dass in ihm tatsächlich das in den Annales Francorum genannte emporium reric gesehen werden kann. Weitere fünf (1996, 1998, 2006-2008 entstandene) Beiträge behandeln Facetten der Christianisierung bei Skandinaviern, West- und Ostslawen, vornehmlich anhand archäologisch untersuchter Überreste von Kirchenbauten und Grablegen. Schließlich thematisieren vier 1999, 2000, 2002 und 2009 publizierte Beiträge münz- und handelsgeschichtliche Probleme, während ein letzter Aufsatz, dem eine 1989 anlässlich der Übernahme des Rektorats der Universität Kiel gehaltene Antrittsrede zugrunde liegt, übergreifende Überlegungen zu "Kulturkontakt, Handel und Urbanisierung aus archäologischer Sicht" in den Ostseegebieten des frühen Mittelalters formuliert. Dass dem Leser mitunter (insbesondere im ersten Block) Redundanzen (Wiederholungen ganzer Textpassagen und einzelner Abbildungen) zugemutet werden und das abschließende Literaturverzeichnis manchen einschlägigen Titel vermissen lässt, schmälert den Wert der gelungenen, mit hervorragendem Kartenmaterial ausgestatteten Zusammenstellung in keiner Weise.
Anmerkung:
[1] Marek Dulinicz: Frühe Slawen im Gebiet zwischen unterer Weichsel und Elbe. Eine archäologische Studie, Kiel 2006.
Eduard Mühle