Rezension über:

Peter Brown: Through the Eye of a Needle. Wealth, the Fall of Rome, and the Making of Christianity in the West, 350-550 AD, Princeton / Oxford: Princeton University Press 2014, XXX + 761 S., ISBN 978-0-691-16177-8, USD 24,95
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Rezension von:
Hartmut Leppin
Historisches Seminar, Goethe-Universität, Frankfurt/M.
Redaktionelle Betreuung:
Matthias Haake
Empfohlene Zitierweise:
Hartmut Leppin: Rezension von: Peter Brown: Through the Eye of a Needle. Wealth, the Fall of Rome, and the Making of Christianity in the West, 350-550 AD, Princeton / Oxford: Princeton University Press 2014, in: sehepunkte 15 (2015), Nr. 2 [15.02.2015], URL: https://www.sehepunkte.de
/2015/02/25271.html


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Peter Brown: Through the Eye of a Needle

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Das schon 2012 erstmals erschienene, durch die Schuld des Rezensenten erst so spät besprochene Buch von Peter Brown hat bereits eine große Resonanz erfahren. Unstreitig sind die Qualitäten dieser magistralen Arbeit. Mit weitem Horizont und unter vielfältigen Gesichtspunkten wird erörtert, wie Christen sich zum Reichtum verhielten. Zahlreiche christliche Texte werden aufgerufen. Auch so viel behandelten Autoren wie Ambrosius oder Augustinus weiß Brown neue, bisweilen überraschende Aspekte abzugewinnen. Die Autoren und Akteure, denen Brown sich widmet, gewinnen ein klares Profil: Man meint ihnen persönlich begegnet zu sein, wenn man die entsprechenden Passagen bei Brown gelesen hat. Landschaften erhalten ein Gesicht, die je eigenen Verhältnisse und Entwicklungen der Regionen erschließen sich dem Leser. Die internationale Forschung ist umfassend berücksichtigt, auch jüngere archäologische Grabungsergebnisse werden durchdacht und argumentativ einbezogen. Souverän gesteht Brown ein, wo er umgelernt hat (etwa 596f, Anm. 43; 607, Anm. 21). Das Ganze wird in einer reichen Sprache präsentiert, die Kapitel sind kunstvoll miteinander verflochten, Personen und Landschaften geschickt miteinander verbunden.

Die Buchkapitel widmen sich überwiegend bestimmten Autoren wie Ambrosius, Augustinus, Salvian usw., die breit erörtert werden. Es gibt keine räumliche Systematik, sondern Brown kehrt im Fortschreiten der Zeit immer wieder zu bestimmten Schauplätzen wie nach Rom, in Augustins Africa oder nach Gallien zurück. Er greift vieles auf, was er in früheren Werken behandelt hat; das führt für Brown-Kenner zu Redundanzen, rundet das Werk aber ab. Es entsteht auf diese Weise ein nuancenreiches Panorama.

Immer wieder erfreuen den Leser regelrechte Kabinettsstücke, so die Abschnitte zu Damasus (250-254), von 366-384 Bischof von Rom, der keineswegs als Vorläufer der Renaissance-Päpste erscheint, sondern als ein ehrgeiziger Mann, de sich seine Position in der Elite Roms erst erarbeiten musste, oder das 19. Kapitel, in dem die pseudo-pelagianische Schrift De divitiis mit ihren spezifischen Vorstellungen von der römischen Sozialordnung behandelt wird.

Das Buch schildert eine historische Entwicklung, die ich hier nur stark verkürzt zusammenfasse: In der constantinischen Zeit sieht Brown ein age of consensus zwischen dem Kaiser und den christlichen, in der sozialen Rangordnung noch weniger bedeutenden Eliten, der durch die moralischen Forderungen des Christentums nicht gestört wurde. Die Kirchenführer erhoben, dankbar für die kaiserliche Privilegierung, keine weitreichenden Ansprüche auf Einfluss. Die Situation bestand auch noch unter Constantius II. fort. Weiterhin nahmen Wohlhabende Schenkungen und Stiftungen vor, doch galten jene der Christen nicht mehr allein den Bürgern einer Stadt, sondern Menschen insgesamt, besonders den Armen.

Andererseits traten zunehmend Personen auf, die die Frage stellten, ob man als Christ wirklich seinen Reichtum in Wohlbehagen genießen dürfe, namentlich unter Verweis auf das berühmte Gleichnis vom reichen Jüngling, dem Jesus beschied, dass leichter ein Kamel durch ein Nadelöhr gehe als ein Reicher in den Himmel. Zugleich etablierte sich eine mit Gold bezahlte Aristokratie, die sich über den Dienst am Kaiser definierte.

Seit etwa 370 verband sich der große Reichtum zunehmend mit der Kirche. Wohlhabende verzichteten zugunsten der Kirche auf ihren Reichtum und führten ein Leben der Entsagung; andere lernten, ihren Reichtum im Sinne der Kirche einzusetzen; prachtvolle christliche Gebäude wurden auch von Privatleuten errichtet. Das 5. Jahrhundert, als die Bürgerkriege, so Browns These, germanische Invasoren ins Reich hineinzogen, schwächte das Steueraufkommen dramatisch und brachte für die meisten Zeitgenossen einen Prozess der Verarmung mit sich. In Städten wie Rom wuchs die Bedeutung der kirchlichen Fürsorge. Die durch die Entstehung neuer Zentren notwendige Neuorientierung der Aristokratie am Ende des 5. Jahrhunderts und deren Verarmung stärkten den Einfluss der besitzreichen Kirche und machte die Bischöfe zu deren Verwaltern. Reichtum wurde spiritualisiert, da seine Stiftungen an die Kirche nicht primär der eigenen Sichtbarkeit dienten, sondern den Armen und zugleich auch der Verbesserung der Situation des Spendenden im Jenseits.

Das Schlechteste, was man diesem großen Buch antun könnte, wäre es nur zu feiern oder seine Thesen gar zu einer neuen Orthodoxie zu erheben: Daher will ich auf einige Punkte hinweisen, an denen man weiterdiskutieren muss. Wie man es von Peter Brown kennt, beruhen die Ergebnisse nicht auf theoretisch unterfütterter Analyse, sondern auf der narrativen Evidenz. Nur selten werden Quellen auf ihre Repräsentativität hin befragt. Gekonnt werden plastische Belege ausgewählt, um dann weitreichende Aussagen zu stützen. So wird auf S. 15 eine Passage aus der Schrift De rebus bellicis (2.1-2) herangezogen, die in mancherlei Hinsicht eine Sonderstellung einnimmt, um die Vorstellungswelt der Zeitgenossen des 4. Jahrhunderts zu belegen. Brown verschweigt nicht, dass es bei der Schrift Datierungsprobleme gibt, äußert sich aber über deren Folgen nicht.

Ähnlich verhält es sich eine Seite später bei Olympiodor Frg. 41,2, der Schlüsselstelle zu den Superreichen in Rom. Auch hier spricht Brown die Unsicherheiten der Überlieferung an, aber im Modus der Praeteritio. Die Stelle würde deutlich an Bedeutung verlieren, wenn sie etwa ein Teil der Polemik gegen das Fehlverhalten westlicher Aristokraten wäre, deren Bedeutung in einem nach Browns Buch erschienenen Aufsatz Peter van Nuffelen behandelt hat. [1] Auch die Literazität antiker Quellen wird selten gewürdigt.

Gelegentlich wird sehr rasch eine bestimmte Forschungsposition für die richtige erklärt, etwa bezogen auf Constantin den Großen (namentlich 32-34) oder auf die Rolle der Barbaren bei der Krise des 5. Jahrhunderts, die Brown als ein Epiphänomen der inneren Wirren einschätzt (insbes. 385-392). Natürlich kann man auch nicht verlangen, dass bei einem so weit ausgreifenden Werk alle Forschungspositionen gleichermaßen gewürdigt werden, aber eben dessen sollte der Leser sich bewusst sein.

Seine Suggestivkraft gewinnt das Buch nicht zuletzt dadurch, dass der Verfasser bei seinen Akteuren oft Introspektion betreibt, die über das hinausgeht, was sich aus den Quellen belegen lässt. Hier bewegt sich das Werk in einer Spannung zwischen literarischem Anspruch und wissenschaftlicher Zurückhaltung. So beschreibt er auf Seite 116 Gefühle des römischen Volkes; doch dabei werden letztlich Rechtfertigungen und Fremdbeschreibungen seines Gebarens als Motive seines Handelns ausgelegt.

Weiteres: Indem Brown sich den vorhandenen Quellen anvertraut, gelangen Lücken der Überlieferung, um die er weiß (vgl. etwa 506), wenig in das Bewusstsein des Lesers. Die Fokussierung auf literarische Texte lässt die andern, die mit Reichtum Umgang pflegten, die Verwalter, die staatlichen Beamten, die comites, die für das Finanzwesen zuständig waren, aus dem Blick geraten. Der Eindruck der christlichen Prägekraft wäre vermutlich weniger konturiert, wenn wir die gesamte Überlieferung überblicken würden.

Eine weitere Einschränkung hebt Brown selbst prononciert hervor: Bewusst hat er darauf verzichtet, den Osten miteinzubeziehen. Vermutlich niemand ist sich mehr bewusst als er selbst, welche Einschränkungen das bedeutet - doch angesichts der Stofffülle war die Entscheidung unvermeidlich. Hier liegt ein weites Forschungsfeld offen, das beackert werden sollte.

Doch eines wollen diese Bemerkungen überhaupt nicht in Frage stellen: Es liegt hier ein Meisterwerk vor, inhaltlich und darstellerisch. Umso wichtiger ist es, dass die Leser sich nicht zu sehr von der Suggestivkraft des Autors mitreißen lassen und sich des fragmentarischen Charakters unserer Kenntnisse bewusst bleiben.


Anmerkung:

[1] Peter van Nuffelen: Olympiodorus of Thebes and Eastern Triumphalism, in: Christopher Kelly (ed.): Theodosius II. Rethinking the Roman Empire in Late Antiquity, Cambridge 2013, 130-152, 137 f.

Hartmut Leppin