Kristina Vagt: Politik durch die Blume. Gartenbauausstellungen in Hamburg und Erfurt im Kalten Krieg (1950-1974) (= Forum Zeitgeschichte; 24), München / Hamburg: Dölling und Galitz 2013, 320 S., 18 Farb-, 48 s/w-Abb, ISBN 978-3-86218-050-9, EUR 30,00
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Der Titel dieses Buches ist großartig erdacht, denn mit dem Rekurs auf die Redewendung wird die These trefflich auf den Punkt gebracht: Die mehr oder weniger verschlüsselte Propaganda ideologischer Botschaften, wie sie im Zeitalter des Kalten Kriegs nicht nur im hochkulturellen Bereich, sondern - Vagt zeigt das eindringlich - auch im Gartenbau- und Agrarsektor auszumachen ist. Im historischen Kontext waren (und sind) die Freiheit der Künste und die Ästhetisierung der Natur keine selbstverständlichen Werte. Vor allem im Kalten Krieg der Kulturen gerieten sie zu repräsentativen Aushängeschildern der westlichen Demokratien, als mitunter subtil ansetzende Waffen, die eben eher "durch die Blume" - also im Mittel oberflächlich freundlicher Begegnungen, Messen, Ausstellungen etc. - gehandhabt wurden, und denen man seitens des sozialistischen Ostens gleichermaßen implizit, mitunter aber auch ganz unverblümt begegnete.
Mit ihrer vergleichenden Studie zu Gartenbauausstellungen in West- und Ostdeutschland hat Kristina Vagt eine beeindruckende Arbeit vorgelegt, die exemplarisch zeigt, wie stark dieser Bereich von gegensätzlichen ideologischen Prämissen geprägt, im Zeichen von Systemkonkurrenz und wechselseitigen Abgrenzungsbemühungen aber auch durchaus produktiv vorangetrieben wurde. Kritisch angemerkt sei hier jedoch, dass die leitende These und die dementsprechend ausgerichtete Perspektive vieles in den Hintergrund drängt, was - zumal aus kunst- und gartenhistorischer Warte - gleichermaßen oder unter Umständen sogar noch interessanter gewesen wäre. Dazu gehörte vor allem eine differenzierte Einordnung der untersuchten Ausstellungen in historische Traditions- und Entwicklungslinien des Ausstellungswesens, der Gartengestaltung sowie der Stadt- und Landschaftsplanung im 19. und 20. Jahrhundert, was wiederum nur auf Grundlage einer prägnanteren Analyse ihrer gestalterischen und konzeptuellen Qualitäten hätte geschehen können. Vagt kündigt entsprechende methodische Rahmungen in ihrer Einleitung an, verliert sie aber im Zuge der Betrachtung aus dem Auge. Am Leitfaden der Chronologie und des Systemvergleichs und auf Grundlage eines ebenso umfangreichen wie soliden Quellenstudiums wird eine große Fülle von Fakten und Einzelbeobachtungen ausgebreitet. Diese sind zum Teil sehr aufschlussreich, ihre Lektüre ermüdet aber auch deshalb, weil die These bekannt ist und ihre Belege allzu zahlreich anmuten. Man wünschte sie sich konterkariert oder doch zumindest unterlaufen: zum Beispiel durch genuin gestalterische Ambitionen der beteiligten Landschaftsplaner, Gartenarchitekten und künstlerischen Direktoren, oder auch durch gegenüber den politischen Botschaften ignorante Besucherinnen und Besucher, die sich, um im Wortfeld zu bleiben, nicht "hinter die Fichte führen" ließen und einfach nur den Anblick der Blumenpracht aus über das Gelände führenden Seilbahnen genossen. Die Autorin selbst liefert zu solchen (unter Umständen unbewussten) Widerständigkeiten einige Hinweise, geht ihnen aber nicht nach. So wird wiederholt auf das in den Ausstellungen hüben wie drüben wirksame Engagement und Wirken von Mitgliedern des Bornimer Kreises um und in der Nachfolge des Staudenzüchters Karl Foerster verwiesen, ohne dass die ästhetischen und naturphilosophischen Anliegen dieser gesamtdeutsch bzw. ortsunabhängig denkenden Gruppe reflektiert würden. Und in Kapitel VI resümiert Vagt, dass "auf beiden Seiten [der innerdeutschen Grenze] die politischen Aussagen und Funktionen der Ausstellungen kaum Erwähnung [fanden]", was nicht zwangsläufig ein Beweis dafür ist, dass die "'Politik durch die Blume' [wirkte]" (277), sondern eher dafür, dass die Dinge komplizierter liegen.
Für ihre vergleichende Untersuchung hat Vagt die Städte Hamburg und Erfurt gewählt, weil sie sich durch eine gewisse Tradition im Bereich der Gartenbauausstellung qualifizieren und nach 1945 wiederholt und exponiert Ausrichter waren. Für Hamburg sprach vermutlich auch der Ort der Dissertation, die am dortigen Lehrstuhl für Neuere Geschichte entstand, und es fügte sich glücklich, dass Hamburg 2013 nicht nur eine Internationale Gartenschau, sondern auch eine Internationale Bauausstellung auf der Elbinsel Wilhelmsburg ausrichtete. Die Publikation fand somit einen aktuellen Resonanzboden, zumal gerade die viel diskutierten Maßnahmen auf der Elbinsel einen in situ ansetzenden sozialreformerischen Anspruch von Stadt- und Landschaftsplanung deutlich machten, der in den früheren, primär auf Zurschaustellung, Belehrung und Amüsement ausgerichteten Gartenbauausstellungen nur bedingt eine Rolle gespielt zu haben scheint.
Nach einem hinführenden Kapitel, das Traditionslinien der deutschen Ausstellungsgeschichte seit dem Kaiserreich, vor allem aber in nationalsozialistischer Zeit darlegt, schildert Vagt in den drei folgenden Kapiteln die Gartenbauausstellungen in Hamburg und Erfurt in den 1950er-, 1960er- und 1970er-Jahren. Ausführlich dargestellt werden die historische Anbahnung und konzeptuelle Überlegungen, deren Umsetzung und begleitende Maßnahmen wie insbesondere Werbung und Öffentlichkeitsarbeit, das Ineinandergreifen der beteiligten Akteure und Instanzen, personelle und räumliche Kontinuitäten sowie die Rezeption der einzelnen Ausstellungen nicht nur vor Ort, sondern auch im eigenen und jeweils 'anderen' Deutschland. Offensichtlich gab es zeittypische Tendenzen und Strömungen, die die Gartenbauausstellungen in Hamburg wie Erfurt gleichermaßen prägten. So waren die Jahre nach Kriegsende von der Abgrenzung zur NS-Vergangenheit, allgemeinen Wiederaufbaumaßnahmen sowie innerdeutschen und blocktechnischen Standortbestimmungen, die 1960er-Jahre hingegen vor allem von Technikbegeisterung und - zumal in der DDR bzw. Erfurt - von agrarpolitischen Maßnahmen geprägt. In den 1970er-Jahren schlugen sich in beiden Ländern die Debatten über wachsende Umwelt- und Naturzerstörung wie auch und vor allem gestiegene Anforderungen an Freizeitgestaltung in den Gartenbauausstellungen nieder. Wie zu erwarten, waren die Erfurter Schauen - zum Teil in expliziter Distanzierung von westdeutschen Präsentationsweisen - relativ stärker darauf ausgerichtet, wissenschaftliche Erkenntnisse und technische Errungenschaften auszubreiten und die Besucher über die Erfolge der agrarpolitischen Maßnahmen in der DDR (Kollektivierung, Industrialisierung) zu belehren. Wohingegen in Hamburg auch einer primär hedonistischen respektive unpolitischen Natur- und Gartenerfahrung zugeliefert und das ästhetische Moment betont wurde. Zu dem Zweck flankierte man dort regelmäßig die 'natürlichen' Exponate mit bildkünstlerischen Arbeiten, so zum Beispiel bei der Internationalen Gartenbauausstellung 1953, anlässlich derer Carl Georg Heise und Werner Haftmann die Ausstellung "Plastik im Freien" in dem nach einem Entwurf von Gustav Lüttge neu angelegten Alsterpark realisierten. Eine Wiesenlandschaft in der Tradition des Englischen Gartens war mit internationalen Positionen moderner Skulptur durchsetzt. Das Arrangement in Hamburg 1953 nahm die Planungen für die erste "documenta" in Kassel 1955, die ja zunächst auch als Begleitprogramm zu einer Bundesgartenschau geplant war, vorweg, und stand emblematisch für die in der BRD auf allen kulturellen Feldern gesuchte Westintegration.
Kristina Vagt hat eine interessante Arbeit vorgelegt, die übrigens auch mit zum Teil hinreißendem Bildmaterial aufwartet. Für die Kunstgeschichte erschließt sie das Thema Gartenbauausstellungen als ein fruchtbares Feld, auf dem es sicher noch viel zu heben und zu untersuchen gibt und das dringend in historischer und vergleichender Perspektive statt - wie bislang vorwiegend - in Einzelfallstudien zu bearbeiten wäre.
Sigrid Ruby