Thomas Biller: Templerburgen, Mainz: Philipp von Zabern 2014, 172 S., ISBN 978-3-8053-4806-5, EUR 39,95
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Kein Thema der mittelalterlichen Geschichte scheint die Menschen unserer Zeit so zu faszinieren wie der Aufstieg und Fall - sowie das angebliche heimliche Weiterwirken - des Templerordens. Wer in großen Buchläden die Geschichtsabteilung durchsieht, stellt immer wieder mit Erstaunen fest, wie viel zu den Templern publiziert wird. Dass ein beträchtlicher Teil dieser Literatur Legenden- und Mythenbildung betreibt und nichts mit faktenorientierter Geschichtswissenschaft zu tun hat, wird schon bei oberflächlicher Betrachtung schnell klar. Vor diesem Hintergrund erscheint das Buch von Thomas Biller, einem der führenden deutschen Burgenforscher, als ein Versuch, den Gegenstand der Templerburgen mit sachlichem Blick zu analysieren. In Anbetracht des mythenschwangeren thematischen Umfelds beginnt der Autor mit einem diesbezüglichen Einführungskapitel ("Die Templer - Mythos und Realität"). Biller stellt dabei heraus, dass wir es de facto mit zwei Templerorden zu tun haben, dem historischen, 1314 unter dramatischen Umständen aufgelösten Ritterorden sowie einem weitgehend im 19. Jahrhundert neu erfundenen Orden, der dem Bedürfnis "nach dem Romantischen, Geheimnisvollen und Esoterischen perfekt zu entsprechen scheint" (14). Danach folgt ein Kapitel mit einer Übersicht zur mittelalterlichen Geschichte des Templerordens, das im Wesentlichen auf den historischen Standardwerken von Malcolm Barber und Alain Demurger beruht.
Die geheimnisumwitterte Allgegenwärtigkeit der Templer findet sich auch beim eigentlichen Gegenstand des Buches, den Templerburgen. Da die Existenz einer Templerniederlassung heute vielfach als touristische Attraktion verwertet wird, werden den Besuchern massenhaft Templerburgen angepriesen, die gar keine sind. Biller versucht im dritten Kapitel die Spreu vom Weizen zu trennen, indem er strenge Auswahlkriterien ansetzt bei der Frage, was überhaupt eine Templerburg war. Dabei gibt es zwei wesentliche Kriterien: Ersten muss aus der historischen Überlieferung eindeutig nachgewiesen sein, dass sich ein Objekt tatsächlich im Besitz der Templer befand. Häufig kommt es vor, dass Templer in einem Ort über Grundbesitz verfügten, die dort heute bestehende Burg aber nichts mit dem Ritterorden zu tun hatte (obwohl die touristische Werbung oder die populäre Literatur dies suggeriert). Das zweite wesentliche Kriterium ist der Bau selbst, bei dem es sich um einen Wehrbau im eigentlichen Sinn handeln muss mit einer Bausubstanz aus der Templerzeit (d.h. vor 1314). Auch diese Voraussetzung ist bei vielen der heute als Templerburgen geltenden Gebäuden nicht erfüllt. Gerade bei den europäischen Niederlassungen der Templer handelte es sich meistens um Gutshöfe oder nur leicht befestigte Klöster, die aus architekturhistorischer Sicht nicht als Burgen anzusprechen sind. Darüber hinaus gibt es Burgen, die tatsächlich einmal im Besitz der Templer waren, deren bestehende Bausubstanz jedoch erst aus späterer Zeit stammt. Auch in diesem Fall ist es falsch, von einer Templerburg zu sprechen.
Daher konzentriert sich Biller im Wesentlichen auf die beiden Großregionen, in denen die Templer tatsächlich militärisch nutzbare Burgen errichtet haben - das Heilige Land (Kreuzfahrerstaaten) und die iberische Halbinsel. Dabei stellt er die wichtigsten erhaltenen oder dokumentierten Großbauten sowie auch zahlreiche Kleinanlagen in knappen Skizzen vor und erläutert auch deren strategische oder politische Funktion. Sehr kurz fallen dagegen die Abschnitte zu den Templerburgen in den europäischen Ländern außerhalb Spaniens und Portugals aus. Dies ist einerseits dem Umstand geschuldet, dass wirkliche Burgen in den vom Heidenkampf weit entfernten Besitzungen der Templer eher selten vorkamen und andererseits diese Niederlassungen des Ritterordens viel schlechter erforscht sind als die Templerburgen im Heiligen Land und der iberischen Halbinsel. Dennoch hätte man sich eine etwas ausführlichere Behandlung der Niederlassungen in Frankreich, England oder Deutschland gewünscht.
Am Ende widmet sich Biller der Frage, ob es einen spezifischen Typus der Templerburgen (vergleichbar den Konventsburgen des Deutschen Ordens in Preußen) gegeben hat und kommt zu dem eindeutigen Ergebnis: "Das war nicht der Fall." (156) Die Templer haben bei ihren Burgen verschiedene Konzepte angewendet und die wesentlichen Merkmale der Templerbauten (etwa die zentrale Stellung von Wohntürmen) finden sich auch bei den Burgen der anderen Ritterorden oder bei den Adelsburgen. In diesem Abschnitt wäre bei der Erörterung der Ableitung architektonischer Typen und Formen für den Bereich der Kreuzfahrerstaaten ein vergleichender Blick auf die dortige christliche Sakralarchitektur hilfreich gewesen. Die fränkischen Kirchen im Heiligen Land waren direkte Ableger der (süd)französischen Architektur dieser Zeit, übertragen durch französische Werkleute. Manche Elemente, die sich bei den Burgen finden (etwa die Spitztonnen), stehen unmittelbar in dieser Tradition.
Die Texte Billers sind flüssig lesbar und haben (insbesondere in den beiden ersten Kapiteln) häufig einen essayistischen Einschlag. Es handelt sich um populärwissenschaftliche Literatur im guten Sinne, die den Leser im besten Falle zu vertiefenden Studien hinführt. Auf Anmerkungen wurde verzichtet, im Anhang findet sich dafür ein recht umfangreiches Verzeichnis an Auswahlliteratur. Der Rezensent hätte dort auch gerne noch Hinweise auf die Publikationen von Mathias Piana gesehen, dem derzeit besten deutschen Kenner der Kreuzfahrerburgen im Heiligen Land. Dass auf ein Ortsverzeichnis verzichtet wurde, ist nicht ganz nachvollziehbar. Bei der Kritik der heute beliebten Templermythen spürt man im ersten und zweiten Kapitel mitunter einen leicht sarkastischen Unterton, was dem Rezensenten durchaus gefällt. Man kann hier allerdings auch einwenden, dass dies den Anspruch auf eine wissenschaftlich nüchterne Darstellung ein wenig konterkariert. Bei der Beschreibung und Interpretation der einzelnen Bauten im dritten Kapitel bewegt sich der Autor allerdings wieder ganz auf der analytisch-sachlichen Ebene. Hier spürt man die große Erfahrung Billers als Architekturhistoriker und Bauforscher, der in der Lage ist, die wesentlichen Erkenntnisse aus dem vorgefundenen Befund herauszulesen und in prägnanter Form zusammenzufassen.
Was die äußere Aufmachung betrifft, so ist das Buch mit zahlreichen, oft großformatigen Fotos gut ausgestattet, ergänzt durch Grundrisse und Pläne, die zum Teil aus der älteren Literatur übernommen wurden, häufig aber auch vom Autor neu gezeichnet und interpretiert worden sind. Die Farbaufnahmen haben überwiegend gute Qualität, da es sich meist um Exkursionsfotos des Autors handelt, es gibt aber auch einige Abbildungen mit qualitativen Schwächen. Vermisst hat der Rezensent eine Innenaufnahme der bedeutenden Rundkirche der Burg in Tomar (Portugal), eines der erhaltenen Glanzstücke der Templerarchitektur. Auch eine besser ausgestattete Karte der Kreuzfahrerstaaten mit Kennzeichnung der Templerburgen wäre wünschenswert gewesen. Insgesamt handelt es sich um einen sehr lesenswerten und anregenden Band, der den an sich selbst gestellten Anspruch - das Thema der Templerburgen befreit von romantischen Mythen darzustellen - voll und ganz erfüllt.
Christofer Herrmann