Ian Christopher Levy / Rita George-Tvrtović / Donald F. Duclow (eds.): Nicholas of Cusa and Islam. Polemic and Dialogue in the Late Middle Ages (= Studies in Medieval and Reformation Traditions; Vol. 183), Leiden / Boston: Brill 2014, XX + 256 S., ISBN 978-90-04-27475-4, EUR 115,00
Inhaltsverzeichnis dieses Buches
Buch im KVK suchen
Bitte geben Sie beim Zitieren dieser Rezension die exakte URL und das Datum Ihres Besuchs dieser Online-Adresse an.
Scott G. Bruce: Cluny and the Muslims of La Garde-Freinet. Hagiography and the Problem of Islam in Medieval Europe, Ithaca / London: Cornell University Press 2015
Peter Geiss / Peter Arnold Heuser / Michael Rohrschneider (Hgg.): Christen und Muslime in Mittelalter und Frühneuzeit. Ein Schlüsselthema des Geschichtsunterrichts im transepochalen Fokus, Göttingen: V&R unipress 2022
Die Erforschung der Begegnung von Christentum und Islam im Mittelalter boomt. Immer wieder sind dabei Nikolaus von Kues (1401-1464) und sein innovatorisches Denken der Kristallisationspunkt. Nachdem inzwischen schon je ein deutscher und ein französischer Sammelband zum Thema Cusanus und der Islam vorgelegen hatte [1], erschien zum 450. Todesjahr des Universalgelehrten auch ein englischer Band. Er versammelt die Beiträge der Konferenz in Gettysburg im Jahr 2012, die von der sehr dynamischen American Cusanus Society zum Thema "Christian-Muslim Dialogue in the Late Middle Ages" organisiert wurde. Wie der ursprüngliche Konferenztitel zeigt, geht es also nicht allein um Cusanus. Der neue Untertitel weist aber auch darauf hin, dass der Gesichtspunkt Dialog für die intellektuelle Begegnung von Christentum und Islam im Mittelalter zu kurz greift.
Die insgesamt vierzehn Beiträge sind in drei Themengruppen geordnet. Die erste Abteilung widmet sich direkt dem Werk des Cusanus zum Islam und setzt dabei unterschiedliche Schwerpunkte: Toleranz, Vorbilder für das Konzept eines religiösen Pluralismus, Verhältnis der religionstheologischen Schriften zum Hauptwerk De docta ignorantia, Christologie und Trinitätslehre (9-102). Die zweite Gruppe öffnet die historische Perspektive und behandelt meist vergleichend weitere Autoren: Alain de Lille, Riccoldo da Montecroce, Juan de Segovia, Ramon Lull und Ignatius von Loyola sowie Fazo degli Uberti, Demetrios Kydones, Georgios Trapezuntios und Marsilio Ficino (105-176). Die vier Aufsätze der dritten Abteilung beleuchten die muslimische Seite der Auseinandersetzung: Jesus in der islamischen Tradition, der Vorwurf der Schriftverfälschung, die Werke Ibn Hazms und Al-Ghazzalis gegen die Christen sowie ein Vergleich muslimischer und christlicher Mystik am Beispiel Ibn Arabis und Meister Eckharts (179-251). Das Werk ist mit einem Namens- und Sachindex versehen, der auch den Großteil der verwendeten Literatur erschließen hilft.
Die Autoren stammen zu zwei Dritteln aus Amerika und zu einem Drittel aus Europa. Sie haben alle langjährig und oft breit zu ihrem Thema geforscht und publiziert. Besonders interessant sind natürlich die Beiträge der jüngeren Forschergeneration. Sie stellen neue Themen oder Gesichtspunkte vor und geben Einblicke in ihre Qualifikationsschriften. Hier sei besonders auf Marica Costigliolo, Robert J. Dobie, Rita George-Tvrtković und Felix Resch hingewiesen. Alle Beiträge sind sehr sorgfältig gearbeitet, oft dicht geschrieben und reich mit Originalzitaten versehen. Am häufigsten wird auf englischsprachige Literatur verwiesen, so dass man bei einigen Artikeln einschlägigere Titel in anderen gängigen Sprachen vermisst.
Unter der Vielzahl der Themen und Ideen können hier nur wenige angesprochen werden. Bemerkenswert und weiter zu diskutieren ist die These des Herausgebers Thomas E. Burmans, nach der Pionierleistung des Petrus Venerabilis im 12. Jahrhundert habe erst wieder das 15. Jahrhundert eine ernsthafte Auseinandersetzung mit dem Islam aufgenommen, bei der wirklich die besten theologischen Köpfe zum Einsatz kamen. Ganz anders sehe diese Auseinandersetzung auf Seiten der muslimischen Gelehrsamkeit aus, wo man leicht eine Vielzahl bedeutender Gelehrter aufzählen könne, die profund und umfangreich gegen das Christentum geschrieben hätten (xvii-xxi). Das "massive Werk sui generis" des Ramon Lull erwähnt er zwar, doch in den Schriften des Thomas von Aquin sieht er nur eine Auseinandersetzung mit der arabischen Philosophie, nicht aber der Theologie (xvi). Ein Werk zur Auseinandersetzung der Dominikaner mit dem Islam von 1220 bis 1320 stellt er in Aussicht.
Neben der Einschätzung der Leistungen des 13./14. Jahrhunderts wäre besonders die Frage nach den Ursachen des Motivationsschubes im 15. Jahrhundert zu vertiefen, die, wie Burman andeutet, nicht allein im Fall Konstantinopels liegen dürften. Hier wäre auf den Aufsatz von Jesse D. Mann über Juan de Segovia († 1458) hinzuweisen, einem Gesprächspartner des Cusanus. Mann bespricht und übersetzt den Abschnitt über die Muslime in dessen Liber de magna auctoritate (vor 1453). Er endet dann mit dem Hinweis, dass Juan de Segovia sogar ein allgemeines Konzil von Christen und Muslimen in den Blick genommen habe (152). Hier wie auch an anderen Stellen in der Aufsatzsammlung (39; 113) erahnt man die eminente Rolle, die das Basler Konzil im 15. Jahrhundert auch für die Auseinandersetzung mit dem Islam hatte.
Weiter verdient der Aufsatz von Pim Valkenberg Aufmerksamkeit, der den Ursprung der Formel "una religio in rituum varietate" vor dem islamischen Hintergrund über den bisherigen Forschungsstand hinaus vertieft. Interessant ist auch die Kontrastierung Riccoldos da Montecroce mit Alain de Lille und Cusanus, also je eines Autors des 12. und des 15. Jahrhunderts. George-Tvrtković wählte hierzu die Frage nach der Bedeutung islamischer Riten und Zeremonien im Urteil der christlichen Theologen. Costigliolos gewährt einen kostbaren Einblick in ihre aktuellen Forschungen zu "perspectives on Islam in Italy and Byzantium in the middle ages and renaissance" (123-144). Sie macht auf eine Vielzahl italienischer und byzantinischer Autoren aufmerksam und weitet damit den Blickwinkel auf den Mittelmeerraum, auch wenn ihre Autoren zumeist auf Riccoldo als Hauptquelle fußen (125) und der Forschung bereits bekannt sind. Dennoch werden sie seltener besprochen. Hinsichtlich der Quellen für den berühmten Brief Pius' II. an Mehmet II. wäre allerdings gegenüber Riccoldo eher Juan de Torquemada als direkte Quelle ins Spiel zu bringen (gegen 141 Anmerkung 78). [2] Hervorzuheben sind auch die Ideen und Anregungen, welche Impulse Cusanus heutigen Diskussionen geben könnte, die von verschiedenen Autoren vorgestellt werden (63-67; 83-85; 251). Die Aufsätze zur muslimischen Perspektive der Problematik sind sehr informativ. Bis auf den Vergleich des Jesusbildes von Ibn Arabi und Meister Eckhart widmen sie sich bekannten Themen. Eine Verzahnung mit den historischen Artikeln der ersten beiden Abteilungen bleibt leider aus.
Aus einzelnen Fußnoten kann man ersehen, dass die Diskussionen während der Tagung mit Gewinn in die Artikel eingeflossen sind. Nur eine interdisziplinäre und zu internationaler Zusammenarbeit bereite Forschung kann der vielschichtigen und -dimensionalen Geschichte der christlich-muslimischen Auseinandersetzung gerecht werden. Diese Aufsatzsammlung ist hierfür ein gutes Beispiel und gibt dem Leser viele Anregungen. Wünschenswert wäre es, dass sich solche Unternehmungen noch mehr nur auf ein einziges Thema konzentrierten, um dieses so umfassend als irgend möglich zu bearbeiten. Denn besieht man es genauer, stellt man fest, dass der sehr weit gefasste Untertitel besser als der Haupttitel den Inhalt dieses Sammelbandes wiedergibt.
Anmerkungen:
[1] Walter Andreas Euler (Hg.): Cusanus und der Islam, Trier 2010; Hervé Pasqua (éd.): Nicolas de Cues et l'Islam, Paris 2013.
[2] Vgl. Reinhold F. Glei / Markus Köhler: Pius II. Papa: Epistola ad Mahumetum. Einleitung, kritische Edition, Übersetzung (= Bochumer Altertumswissenschaftliches Colloquium; 50), Trier 2001, 60-78.
Ulli Roth