Hugo Service: Germans to Poles. Communism, Nationalism and Ethnic Cleansing after the Second World War, Cambridge: Cambridge University Press 2013, IX + 378 S., ISBN 978-1-107-67148-5, GBP 65,00
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Diese Rezension erscheint auch in der Zeitschrift für Ostmitteleuropa-Forschung.
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Flucht, Vertreibung und Zwangsaussiedlung in Ostmitteleuropa nach dem Zweiten Weltkrieg sind Themen, die auch im englischen Sprachraum in extenso behandelt wurden. In geringerem Maße beleuchtet ist dagegen der sich an diesen Wandel der ethnischen Struktur anschließende Prozess der Polonisierung beziehungsweise Degermanisierung der ehemaligen deutschen Ostgebiete. Diesem Forschungsfeld hat sich nun der in Oxford lehrende Historiker Hugo Service angenommen. Der Fokus seiner Studie liegt dabei auf den Jahren 1945-1950. Gleichwohl beschränkt er sich nicht auf diesen Zeitraum, sondern beschreibt in den einführenden Kapiteln die politische Ausgangslage für die Verschiebung der polnischen Westgrenze. Neben der deutschen und sowjetischen Besatzungspolitik und ihrer Mechanismen schließt dies die Konzeptionen Stalins zur territorialen Neuordnung Ostmitteleuropas ein. Bei seinen Betrachtungen bedient Service einen komparativen Ansatz, indem er zwei unterschiedliche Regionen in Schlesien miteinander vergleicht. Dabei handelt es sich zum einen um den durchweg deutschsprachigen, niederschlesischen Landkreis Hirschberg, der von Kampfhandlungen weitgehend unberührt geblieben war. Durch den Zustrom von Flüchtlingen aus anderen Teilen Schlesiens und der Tschechoslowakei wuchs die Einwohnerschaft des Landkreises bis Kriegsende sogar um 20 Prozent. Zum anderen wird der Landkreis Oppeln betrachtet. Er wies wie die meisten Gebiete in Oberschlesien einen hohen Prozentsatz an bilingualen, das heißt deutsch- und polnischsprachigen Einwohnern auf. Diese Präsenz einer "autochthonen slawischen" Bevölkerungsgruppe nutzte die Regierung in Warschau nach 1945, um ihr Narrativ der "Wiedergewonnenen Gebiete" zu stützen, sodass ein Großteil der Vorkriegsbevölkerung Oberschlesiens in seiner angestammten Heimat verblieb.
Die Vertreibung und Aussiedlung aus dem niederschlesischen Hirschberg charakterisiert Service als einen mehrphasigen Prozess, der mit unkoordinierten Vertreibungen im Sommer 1945 begann, die im darauffolgenden Jahr durch koordinierte Aussiedlungen fortgesetzt wurden und 1947 in der Aussiedlung des überwiegenden Teils der verbliebenen Fachkräfte mündete. Zugleich lasse sich an diesem Prozess auch der Wandel der Einstellungen der lokalen polnischen Behörden gegenüber der einheimischen Bevölkerung ablesen. Sei es anfangs um eine schnellstmögliche Aussiedlung gegangen, so wussten die polnischen Behörden später insbesondere um die Relevanz der Fachkräfte für die Aufrechterhaltung der industriellen Produktion und sprachen sich daher gegen deren Aussiedlung aus. Aufgrund des Umstandes, dass sich unter den Vertriebenen auch deutsche Juden, das heißt Opfer des NS-Regimes befanden, gelangt der Autor zu dem Schluss, dass die Aussiedlung der Deutschen nicht primär als Revanche für die Kriegsverbrechen Deutschlands, sondern eher als Schritt auf dem Weg zur ethnisch-nationalen Homogenisierung Polens betrachtet werden kann (113f.). Fragwürdig bleibt an dieser Schlussfolgerung, warum die (assimilierten) deutschen Juden nicht primär als Angehörige des mosaischen Glaubens wahrgenommen wurden und dementsprechend Bleiberecht sowie kulturelle Autonomie erhielten. Erwähnenswert ist, dass sich ein eigenes Kapitel mit dem jüdischen Leben in Niederschlesien beschäftigt, das sich nach 1945 zu einem Zentrum dieser Glaubensgemeinschaft in Polen entwickelte. Hier veranschaulicht Service, dass die rigide Politik gegenüber nationalen Minderheiten auch Ausnahmen zuließ. Das Konzept eines homogenen Nationalstaates, das sich inhaltlich an den Konzeptionen der polnischen Nationaldemokratie der Zwischenkriegszeit orientierte, sei jedoch eines der Werkzeuge gewesen, mit welchen die unpopuläre kommunistische Regierung ihren Rückhalt in der Bevölkerung stärken wollte. Dabei kam der Umverteilung von Land und Besitz eine Schlüsselrolle zu. Die keineswegs monolithische Gruppe der Neusiedler, die aus Zentralpolen, den ehemaligen polnischen Ostgebieten und in geringerem Maße aus dem Ausland kam, gelangte hierbei mit unterschiedlichen Vorstellungen in die neuen Westgebiete. Während die Vertriebenen aus dem Osten auf der Suche nach einem neuen Wohnort waren, siedelten sich viele Zentralpolen mit dem dezidierten Wunsch in Niederschlesien an, eigene Höfe zu erhalten. Für beide Gruppen blieb jedoch das Konzept kommunistischer Genossenschaften oder Staatsbetriebe weitgehend unpopulär, sodass dort bis 1947 weitaus mehr verbliebene Deutsche als Polen tätig waren.
Im Gegensatz dazu konnte die Mehrheit der Einwohner im Landkreis Oppeln in ihrer Heimat bleiben, musste sich aber einem Prozess der "Verifizierung" unterziehen. In der Theorie sollte so der Nachweis für eine polnische Identität geführt werden, die durch die frühere Mitgliedschaft in einem polnischen Verein, Engagement für das Polentum oder aber auch aufgrund von Sprachkenntnissen und der Zugehörigkeit zur katholischen Konfession belegt werden konnte. Service verweist jedoch auf signifikante Divergenzen zwischen Theorie und Praxis. Tatsächlich seien die Behörden äußerst nachsichtig gewesen und hätten sogar ehemalige NSDAP-, SA- und SS-Mitglieder rehabilitiert. Während die Verifizierung auf große Resonanz stieß, zumal ein positives Ergebnis den persönlichen Besitz absicherte, unterzeichnete nur ein Bruchteil der Einwohner eine Loyalitätserklärung gegenüber dem polnischen Staat. Die zentrale Prämisse der "Verifizierungen" bildete dabei die Existenz zweier sich diametral gegenüberstehender Volksgruppen, Deutscher und Polen. Dieses Konzept stellte sich, wie Service glaubhaft veranschaulicht, angesichts der trans- und interkulturellen oberschlesischen Realitäten als unpraktisch heraus. Dieser Problematik sei sich auch der Woiwode Aleksander Zawadzki bewusst gewesen, und dieser habe sich deshalb für eine aktive "Repolonisierung" der Oberschlesier ausgesprochen. Zu dieser gehörten neben speziellen "Repolonisierungskursen" die Errichtung polnischer Vereine und Kulturzentren sowie die Verdrängung des Deutschen und des schlesischen Dialektes aus den Schulen. Weitere Instrumente waren ein Verbot der deutschen Sprache, das durch drakonische Geldstrafen sichergestellt werden sollte, sowie die Zerstörung deutscher Inschriften im öffentlichen und privaten Raum und die Änderung von Nach- und Vornamen. Diese Zwangsmaßnahmen hätten in der Praxis nicht selten einen gegenteiligen Effekt gehabt und zu einer stärkeren Besinnung auf das Deutsche als Teil der regionalen Identität geführt. Zudem berichteten lokale Stellen davon, dass die zahlreichen Neusiedler in Oberschlesien deutsche Begriffe übernahmen und somit eine Assimilierung in umgekehrter Richtung stattfand. Bemerkenswert ist in diesem Kontext, dass sich die "Entgermanisierung" in Oberschlesien in einem weiter ausgeprägten Grad als in den anderen polnischen Westgebieten vollzog. Dies ist maßgeblich auf die persönliche Initiative Zawadzkis zurückzuführen gewesen, den aber weniger ein fanatischer "Deutschenhass" als vielmehr das Bewusstsein, als Außenstehender weitgehend unter Einheimischen zu leben, zu einer radikalen optischen Zäsur gedrängt hätten.
Obgleich Service insgesamt um eine ausgewogene Position und eine neutrale Diktion bemüht ist, erscheinen seine Ausführungen phasenweise stark wertend und erinnern latent an die mit Vehemenz geführten Diskurse der Nachkriegszeit, die zur Legitimierung territorialer Ansprüche dienen sollten. Als Beispiel kann der mehrfache Verweis auf die Volksabstimmung in Oberschlesien (1921) dienen. Der Autor sieht in dem vom Deutschen Reich unterstützten Transport von Exiloberschlesiern an die Wahlurnen, die das Resultat zugunsten Deutschlands verbesserten, "a cynical act aimed at boosting the German vote" (177). Dass die Initiative für diese Wahlregelung von polnischer Seite ausging, wird jedoch nicht erwähnt; somit fehlt die notwendige Kontextualisierung. Argumentation und Aufbau der vorliegenden Arbeit sind ansonsten stringent. Als Überblicksdarstellung und Zusammenfassung ist das Werk auch für den deutsch- oder polnischsprachigen Leser wertvoll, zumal es Dank eines umfassenden Rückgriffes auf Dokumente polnischer Archive den Prozess der "Verifizierungen" in Oberschlesien weitflächig beleuchtet.
Matthias E. Cichon