Rezension über:

Harry Cliadakis: Fascism in Greece. The Metaxas Dictatorship 1936-1941 (= Peleus. Studien zur Archäologie und Geschichte Griechenlands und Zyperns; Bd. 64), Ruhpolding: Verlag Franz Philipp Rutzen 2014, 152 S., 34 s/w-Abb., ISBN 978-3-447-10188-2, EUR 32,00
Inhaltsverzeichnis dieses Buches
Buch im KVK suchen

Rezension von:
Harald Gilbert
Schriesheim
Redaktionelle Betreuung:
Empfohlene Zitierweise:
Harald Gilbert: Rezension von: Harry Cliadakis: Fascism in Greece. The Metaxas Dictatorship 1936-1941, Ruhpolding: Verlag Franz Philipp Rutzen 2014, in: sehepunkte 15 (2015), Nr. 9 [15.09.2015], URL: https://www.sehepunkte.de
/2015/09/27022.html


Bitte geben Sie beim Zitieren dieser Rezension die exakte URL und das Datum Ihres Besuchs dieser Online-Adresse an.

Harry Cliadakis: Fascism in Greece

Textgröße: A A A

Zur Entstehungsgeschichte des Buches ist zunächst folgendes zu bemerken: Der Historiker Heinz A. Richter, ein Spezialist für Griechenland und Zypern, ermunterte den Autor, seine Dissertation von 1969 in der Reihe "Peleus" zu veröffentlichen. Cliadakis machte sich an die Überarbeitung, starb aber, bevor sein Werk veröffentlicht werden konnte. Die Witwe und Heinz A. Richter gaben das Buch schließlich heraus.

Das erste Kapitel (Historic Background to 1935, 11-17) gibt einen knappen Überblick über die Vorgeschichte. Seit 1924 war Griechenland Republik. Als 1933 ein Wahlsieg der konservativen Populisten zu erwarten war, putschten republikanische Offiziere, allerdings ohne Erfolg. Unmittelbar darauf folgte ein Attentat auf Ministerpräsident Eleftherios Venizelos, das nie aufgeklärt wurde. Das zweite Kapitel (1935 - The Kings Restoration, 18-27) behandelt den ereignisreichen Zeitraum von März bis November 1935. Im März scheiterte ein erneuter Umsturzversuch republikanischer Offiziere. Im Juni folgten Wahlen, die von den Liberalen boykottiert wurden. Im Oktober schließlich putschten royalistische Offiziere. Anfang November kehrte König Georg II. nach einem manipulierten Plebiszit zurück.

Das dritte Kapitel (The coming of Metaxas, 28-39) umfasst die Zeit bis zum 4. August 1936. Zunächst regierte der König konstitutionell. Er ließ eine freie und nicht manipulierte Parlamentswahl durchführen. Monarchisten und Republikaner waren gleichstark. Zu letzteren gehörten allerdings auch 14 Kommunisten. Deren Beteiligung an der Regierung war für die monarchistischen Offiziere ebenso unakzeptabel wie die Wiedereinstellung der inzwischen entlassenen republikanischen Offiziere. Liberale Republikaner und gemäßigte Monarchisten hätten zusammen eine Regierung mit parlamentarischer Mehrheit bilden können - aber der König entschied sich für den rechtsgerichteten Monarchisten Ioannis Metaxas und damit gegen das Parlament, wie Cliadakis nachdrücklich betont. Metaxas war ein entschiedener Royalist. Er war Berufsoffizier und schon ein enger Berater von König Konstantin gewesen. Er hatte in Berlin die deutsche Generalstabsausbildung durchlaufen, sich in den Balkankriegen ausgezeichnet und war 1913 Generalstabschef geworden. Als Anhänger des Königs hatte er im Ersten Weltkrieg und in den Zwanzigerjahren Griechenland verlassen müssen. Im Exil in Italien war er vom Faschismus Mussolinis beeindruckt worden.

Im vierten Kapitel (Metaxas and the August 4th Regime, 40-56) geht es um die Errichtung und Struktur des neuen Regimes. Nachdem er einige Monate ohne Parlament regiert hatte, baute Metaxas am 4. August 1936 mit Zustimmung des Königs seine Machtstellung durch Suspendierung von Parlament und Verfassung aus. Das neue Regime war auf Dauer angelegt und schroff antiparlamentarisch. Die Presse wurde zensiert, der Staat korporativ organisiert. Metaxas hatte starke Sympathien für das faschistische Italien und das nationalsozialistische Deutschland. Für die dauerhafte Durchsetzung seiner Vorstellungen setzte Metaxas auf die Jugend. Er schuf zu diesem Zweck mit der EON eine Jugendorganisation ähnlich der Hitlerjugend. Die faschistischen Vorstellungen von Metaxas belegt Cliadakis mit ausführlichen Zitaten aus den Tagebüchern des Diktators. Nicht zahlenmäßige Mehrheiten waren für Metaxas entscheidend, sondern das nationale Interesse, das sich in einem einzelnen Mann verkörpern kann. Das Militär unterstand nach wie vor dem König, der damit letztlich die Macht hatte, aber den Kurs von Metaxas billigte. Auch Großbritannien unterstützte das neue Regime zunächst. Das änderte sich, als sich die Beziehungen Londons zu Berlin auf Grund von Hitlers aggressiver Außenpolitik verschlechterten; der König dagegen hielt an Metaxas fest.

Außenpolitisch vertraten London und Athen schwer vereinbare Positionen, wie im nächsten Kapitel (Diplomatic settings. Germany, England and the August 4th Regime, 57-78) erläutert wird. Die Briten liebäugelten mit einem Balkan-Pakt, der ein Gegengewicht zu den deutschen Expansionsbestrebungen bilden sollte. Metaxas war strikt dagegen, wie der Autor mehrfach betont. Er bemühte sich um möglichst gute Beziehungen zu Deutschland und Italien. Die nächsten beiden Kapitel heißen The Italo-Greek War, 1940 - The Background und - The Consequences (79-98 bzw. 99-109). Als das faschistische Italien 1940 Griechenland überfiel, war Metaxas' Außenpolitik der Boden entzogen. Er lehnte das italienische Ultimatum ab. Der italienische Angriff scheiterte, die griechische Armee drang tief nach Albanien vor. Vierzig Kilometer vor Valona, dem wichtigsten Nachschubhafen der Italiener, stellten die Griechen ihre Offensive ein - nach Cliadakis ein schwerwiegender Fehler. Metaxas hoffte auf eine deutsche Vermittlung, die aber nicht zustande kam. Hitler unterstützte Mussolini. Bis zu seinem plötzlichen Tod im Januar 1941 war Metaxas entschieden gegen die Landung britischer Truppen auf dem griechischen Festland. Für eine erfolgreiche Verteidigung gegen einen deutschen Angriff war die von den Briten angebotene Hilfe völlig ungenügend.

Nach Metaxas' Tod landeten die Briten dann doch (The British Intervention - 1941, 110-127). Sie hatten schließlich die Erlaubnis der griechischen Regierung erhalten. Cliadakis zufolge weigerten sich wichtige Kommandeure der griechischen Armee, die Briten zu unterstützen; sie kapitulierten, als diese noch an den Thermopylen standen. Er lässt durchblicken, dass Sympathien einiger Generäle für Deutschland hier eine Rolle gespielt haben dürften. Allerdings befand sich die griechische Epirus-Armee angesichts des deutschen Vormarschs in aussichtsloser Lage. Schließlich stellt Cliadakis in dem Kapitel Summary - Two Military Roles, a Conflict of Politics (128-135) zwei Einstellungen einander gegenüber: die von Georgios Tsolakoglou (Ministerpräsident 1941/42), der die Verständigung mit den Deutschen suchte, und die von Stefanos Sarafis, der sich für den Widerstand entschied und im weiteren Verlauf des Krieges Kommandeur der Griechischen Volksbefreiungsarmee (ELAS) wurde. Mehrfach betont Cliadakis die Folgen der Politik des Königs und von Metaxas für die weitere Entwicklung. Aus der Armee ausgeschlossene Offiziere spielten eine wichtige Rolle im linken Widerstand gegen die Besatzungsmächte. Die Briten konnten die Rückkehr des Königs 1946 nur mit Gewalt durchsetzen.

In einem kurzen, aber gehaltvollen Nachwort (Clientelistic Fascism, 137-141) geht Heinz A. Richter auf den spezifischen Charakter des faschistischen Systems von Metaxas ein. Wohl vor allem wegen des Fehlens einer Massenpartei wird das Regime von Metaxas oft nicht als faschistisch betrachtet, obwohl es sehr wohl Merkmale eines faschistischen Systems aufweist. Richter wendet dagegen ein, dass man einfach die westeuropäischen Gegebenheiten auf Griechenland überträgt, statt von den dortigen Bedingungen auszugehen. Es gab zwar keine Massenpartei, aber doch Massenorganisationen, vor allem die Staatsjugend EON, deren Slogan "A People, a King, a Leader, a Youth" Richter an das berüchtigte "Ein Volk, ein Reich, ein Führer" erinnert, und den Arbeitsdienst, die Tagmata Ergasias. Vor allem aber war unter den griechischen Bedingungen eine Massenpartei weder möglich noch notwendig, um die Macht zu erlangen und zu halten: "In the political system of Greece such a party could never come into being. [...] Metaxas considered the whole people as his party, as his clientelistic following. The clientelistic character of the Greek parties made his game even easier. Unlike his European colleagues he did not need to build up a mass party in order to come to power. The clientelistic system permitted a direct transformation to fascism. Metaxas eliminated the oligarchical leadership of the old parties and made their adherents orient themselves to him. A mass party would have been alien to the Greek political system. Metaxas interpreted the former clients of the old parties as the people which followed him. His clients in the state apparatus, the EON and the tagmata ergasias were the real substitute for the missing mass party. And the fictitious mass party was kept together in the traditional Greek way, by rousfetia as all other parties before and after Metaxas, and it was Metaxas who had the monopoly of the distribution." (140f.)

Obwohl das Buch aufgrund seiner Entstehungsgeschichte nicht den neuesten Stand der Forschung wiedergibt, bietet es einen interessanten und lesenswerten Überblick über einen in Deutschland immer noch recht wenig bekannten Abschnitt der griechischen Geschichte. Besonders hervorzuheben sind das Nachwort von Heinz A. Richter und die vorzügliche Bebilderung, die vor allem die Massenorganisationen berücksichtigt.

Harald Gilbert