Martin Jehne / Francisco Pina Polo (eds.): Foreign clientelae in the Roman Empire. A Reconsideration (= Historia. Einzelschriften; Bd. 238), Stuttgart: Franz Steiner Verlag 2015, 374 S., ISBN 978-3-515-11061-7, EUR 68,00
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Ernst Badians berühmtes Werk "Foreign Clientelae" aus dem Jahr 1958, in dem er die Herrschaftsgrundlagen und -praxis der römischen Republik zu erfassen versuchte, stand Pate für ein an der Universität Zaragoza gefördertes Forschungsprojekt "Provincial Clientelae in the Roman Empire", dessen Resultate auf einer im Jahr 2013 durchgeführten Tagung präsentiert und im vorliegenden Sammelband publiziert wurden. Die Beiträge bieten zum einen eine kritische, auch wissenschaftsgeschichtlich inspirierte Auseinandersetzung mit Badians Buch, zum anderen und umfangreicher eine Vertiefung und zeitlich weiter ausgreifende Ergänzung des Badian'schen Ansatzes. Nach Badian wurde die von gegenseitiger Treue (fides) getragene Patron-Klientbeziehung, die in ihren vielfältigen Manifestationen den Grundpfeiler der römischen Sozialordnung bildete, auch zu einem Pfeiler römischer Herrschaftsbildung, indem die Oberschicht jenseits aller vertraglicher Regelungen das Weltreich auf persönlichen Treueverhältnissen, also nach eher moralisch-ethischen als rechtlichen Prinzipien, aufbaute. Er betrachtete die Aufrichtung der römischen Herrschaft in Italien und im Mittelmeerraum und die Rückwirkung von Klientelbildung auf die römische Innenpolitik also unter einem stark personalen Aspekt, auch wenn er dieser Linie in seinem Buch nicht strikt gefolgt ist. Zu einer überwiegend positiven Aufnahme von Badians Werk hat sich auch Kritik gesellt (z.B. Jochen Bleicken, Peter A. Brunt), die der Koordinator des Projektes, Francisco Pina Polo, in einem ersten Beitrag aufgreift: Sie richten sich zum einen gegen Badians Versuch, provinziale Klientel mithilfe der Onomastik nachzuweisen (zahlreiche Belege für bestimmte, eben von Namen römischer Statthalter abgeleitete Gentilizia bei Provinzialen, die ihren Status als römische Bürger der Fürsprache und den Beziehungen dieser Herren verdankt haben sollen). Ferner hegt er Zweifel an einer über Generationen gepflegten Treue zu einer einmal etablierten Patron-Klientelbeziehung, und schließlich an der Effizienz solcher Beziehungen angesichts der Möglichkeit des Klienten, ihren Patron zu wechseln oder zu gleich mehreren Patronen eine Beziehung einzugehen. Ein zweiter Beitrag (Angela Ganter) richtet den Blick auf das quellenmäßige Fundament der von Badian zugrunde gelegten Bedeutung der Patron-Klientelbeziehung und untersucht hierzu die Komödien des Plautus und eine einschlägige Textpassage aus Dionysios von Halikarnass (2,9-11); sie richtet ihre Argumentation freilich weniger gegen Badian als vielmehr gegen Peter A. Brunt, dem sie eine allzu unkritische Übernahme des in den Quellen gezeichneten Bildes vorhält. Fernando Wulff Alonso hinterfragt Badians Evolutionskonzept, nach welchem die "foreign clientelae" sich erst nach der Zerschlagung des latinischen Städtebundes und dem Ende der ausschließlich vertraglich geregelten zwischenstaatlichen Beziehungen entwickelten, aber erst nach dem Zweiten Punischen Krieg volle Geltung erlangten, als Rom mit außeritalischen Städten und Herrschern neue Formen hegemonialer Machtausübung praktizierte; der Autor verwirft dieses Konzept und damit letztlich das ganze Gedankengebäude Badians.
Nach diesen kritischen Bestandsaufnahmen übernehmen die folgenden Kapitel nicht nur formal weitgehend die Gliederung von Badians Buch (Italien, Westen, Osten, erweitert um den militärischen Aspekt und einen Ausblick auf die Kaiserzeit), sondern Badian bildet gleichsam die Inspirationsquelle für einzelne Aspekte vertiefende Untersuchungen, die im Wesentlichen seinen methodischen Ansatz bestätigen. Dies gilt für Hans Becks Beitrag zur Bedeutung der Heiratspolitik zwischen stadtrömischen und italischen Eliten im 3. und 2. Jahrhundert v.Chr. und die von Wolfgang Blösel als fiktiv entlarvte Geschichte einer Klientel des Scipio Africanus, über die er angeblich in Etrurien verfügt haben soll (sie wird in Badians Buch auch nicht thematisiert). Selbstverständlich kann man hier und da anders als Badian gewichten, etwa mit Blick auf die Bedeutung der einheimischen Klientel für Roms Herrschaft in Spanien (Enrique García Riaza stellt gegen die Statthalter den Senat und das Volk von Rom als Bezugsgrößen heraus), oder eine feinere Analyse der Onomastik vornehmen (Michel Christol zu Südgallien, Frédéric Hurlet zu Africa). Viele Beiträge beleuchten interessante Einzelaspekte des römischen Herrschaftsraumes, auch wenn sie teilweise nur lose mit Badians Werk verknüpft sind: Francisco Beltrán Lloris wirft neues Licht auf das Verhältnis des älteren Cornelius Balbus zu seiner Heimatstadt Gades, Arnaud Suspène untersucht am Beispiel Iubas II. von Mauretanien das Herrschaftskonzept eines Klientelkönigs augusteischer Zeit. Die dem östlichen Reichsteil gewidmeten Beiträge (Michael Snowdon, Paul Burton) favorisieren anstelle des clientela-Modells den Begriff der amicitia, den Badian freilich, da es sich stets um eine asymmetrische amicitia mit Rom als stärkerem Partner handelte, in seiner Effizienz für Roms Herrschaftspraxis mit clientela gleichsetzte (f. c. 11-12).
Mehrere Beiträge zeigen, wie instabil sich "foreign clientelae" namentlich in innenpolitischen Krisen zeigten, beide Partner richteten ihr Verhalten eher danach aus, was politisch opportun schien, als an unverrückbaren Klientelbindungen: Claudia Tiersch widmet sich den Begleitumständen der Annexion Cyperns als Provinz, Cristina Rosillo-López relativiert die Bedeutung der "foreign clientelae" als Teil des politischen Kapitals römischer Senatoren im Kampf um Prestige - wobei freilich auch schon Badian den geringen Einfluss der auswärtigen Klientel auf die römische Innenpolitik gesehen hat. Jonathan R. W. Prag ergänzt Badians auf das politische Agieren gerichtete Perspektive um die militärische Komponente einer Klientelbeziehung in Form der Mobilisierung von Hilfstruppenkontingenten aufgrund persönlicher Beziehungen. Eine Erweiterung des von Badian abgesteckten zeitlichen Horizonts bilden die Beiträge von Martin Jehne und Claude Eilers. Eilers konstatiert in Auseinandersetzung mit einer anders lautenden Forschungsmeinung während der Kaiserzeit einen stärkeren lokalen, kaum noch reichsweiten Bezug des Patron-Klientelphänomens mit gleichzeitiger Abnahme der sozial- und machtpolitischen Implikationen, die sie einst in republikanischer Zeit besessen hatten. Martin Jehne geht es um die Verortung der Großen der späten Republik und des ersten Prinzeps im Patron-Klientelgeflecht. Den Widerspruch zwischen dem partikular-persönlichen Charakter der Patronage und der Vorstellung, der römische Kaiser sei universaler Patron aller Reichsbewohner, löste Augustus mittels einer neu kreierten Rolle als "Vater" (pater), der nicht für individuelle Vorteile sondern als Garant von Recht und Gesetz für alle in Anspruch genommen werden konnte.
Wie bei Sammelbänden nicht anders zu erwarten, positionieren sich die einzelnen Beiträge recht unterschiedlich zu Badians Werk. Selbst die kritischen unter ihnen leugnen nicht die Existenz von "foreign clientelae" an sich, zumal ihre Bedeutung auch von den antiken Zeitgenossen erkannt worden ist (z.B. Cic. fam. 9,9,2 mit Blick auf Pompeius), und sie präsentieren trotz teilweise fundamentaler Einwände (Fernando Wulff Alonso) kein Alternativmodell. So berechtigt die Kritik an der allzu undifferenzierten Anwendung der onomastischen Methode durch Badian auch ist, so deutlich ist andererseits festzuhalten, dass sie keine zentrale Bedeutung für Badians Argumentation besaß und bereits er selbst die meist unbekannten Umstände im Rahmen von Bürgerrechtsverleihungen durchaus konzediert hat (z.B. f. c. 256). Die Aufsatzsammlung bietet also eine wirkliche "reconsideration" - keine Alternative, aber eine willkommene Ergänzung, die man sich nicht anstelle von, aber gerne neben Badians Werk hinstellt.
Helmut Halfmann