Francis R. Nicosia: Nazi Germany and the Arab world, Cambridge: Cambridge University Press 2015, xiv + 301 S., ISBN 978-1-107-06712-7, GBP 62,00
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Israel Gershoni: Arab Responses to Fascism and Nazism. Attraction and Repulsion, Austin: University of Texas Press 2014, XV + 368 S., ISBN 978-1-4773-0757-1, USD 34,95
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Barry Rubin / Wolfgang G. Schwanitz: Nazis, Islamists, and the Making of the Modern Middle East, New Haven / London: Yale University Press 2014, XV + 340 S., 30 s/w-Abb., ISBN 978-0-300-14090-3, GBP 25,00
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Jonathan Huener / Francis R. Nicosia (eds.): The Arts in Nazi Germany. Continuity, Conformity, Change, New York / Oxford: Berghahn Books 2006
Francis R. Nicosia / Jonathan Huener (eds.): Business and Industry in Nazi Germany, New York / Oxford: Berghahn Books 2004
Die Beziehungen zwischen der "arabischen" oder "islamischen" Welt und dem nationalsozialistischen Deutschland sind in den letzten 15 Jahren wieder verstärkt ins Interesse von Feuilleton und Wissenschaft gerückt; darauf hat nicht zuletzt das sehepunkte-FORUM "Islamische Welten: Nationalsozialismus, Faschismus und die muslimische Welt" hingewiesen. Dabei bilden aktuelle Auseinandersetzungen um Islam und Islamismus, Antisemitismus und Nahostkonflikt nicht nur den Rezeptionskontext; in einigen Fällen bestimmen sie den Blickwinkel, durch den Studien ihren historischen Untersuchungsgegenstand wahrnehmen. Auch weil die Debatte mit ihren teils diametral entgegengesetzten Standpunkten über die Maßen aufgeladen ist, liegen eine ausführliche Diskussion des Forschungsstandes und eine bewusste Reflexion der eigenen Position nahe, wie sie als Ausgangspunkt sowohl für Francis Nicosias Studie zur nationalsozialistischen "Araberpolitik" wie für den von Israel Gershoni herausgegebenen Sammelband zu "arabischen" Reaktionen auf Faschismus, Nationalsozialismus und Zweiten Weltkrieg gewählt worden sind.
In seiner Einleitung zu Nazi Germany and the Arab World betont Nicosia, Historiker und Raul Hilberg Distinguished Professor of Holocaust Studies an der University of Vermont, seine Studie sei auf die Frage beschränkt, was das "Dritte Reich" in Hinsicht auf den Nahen Osten und Nordafrika beabsichtigt habe und was für eine Politik für die Region rekonstruiert werden könne (7). Aussagen zur Situation in arabischen Ländern könne er nicht treffen, da ihm dazu Quellen und Expertise fehlten, genauso wie er zwar die Position arabischer Kollaborateure in Deutschland darstellen, aber nichts über deren Einfluss in ihrer Herkunftsregion sagen könne. Damit grenzt Nicosia sich von mehreren Studien ab, etwa von Mallmanns und Cüppers' Halbmond und Hakenkreuz oder Rubins und Schwanitz' Werk Nazis, Islamists and the Making of the Modern Middle East, auf das unten eingegangen wird. Mit einiger Berechtigung moniert Nicosia an diesen Arbeiten die Tendenz zur Vereinfachung und Verallgemeinerung; außerdem formuliert er die Kritik, dass sie von einer ethnisch, kulturell, politisch und religiös monolithischen arabischen Welt mit einer mehr oder weniger einheitlichen Weltanschauung ausgehen würden (2f.).
Im Anschluss präsentiert Nicosia auf mehr als 250 Seiten die Ergebnisse seiner Studie, für die erstmals nahezu alle relevanten Quellenbestände deutscher Archive ausgewertet und ihre Inhalte unter einer klaren Fragestellung konzis und nachvollziehbar zusammengeführt wurden - gegliedert in ein historisch kontextualisierendes Kapitel zur wilhelminischen und Weimarer "Orientpolitik", ein ideengeschichtliches Kapitel zu Hitlers Rasse- und Kolonialdenken sowie fünf chronologische Kapitel zu verschiedenen Phasen des Verhältnisses von "Nazi Germany and the Arab World". Gleichermaßen umfassend wie fundiert, wird Nicosias Studie auf absehbare Zeit das Standardwerk für Fragen zur Nahostpolitik des Deutschen Reiches sein.
Er zeigt darin zum einen, dass das Agieren deutscher Stellen von kolonialistischen und rassistischen Annahmen geprägt war, was auch für den Umgang mit den wenigen arabischen Kollaborateuren in Deutschland und Italien gilt. Die Studie bestätigt damit die von Lukasz Hirszowicz bereits 1966 getroffene, in einigen jüngeren Arbeiten jedoch übergangene Feststellung, wonach sich in den Aussagen deutscher Funktionäre oft eine verächtliche Einstellung zu Arabern, regelrechte Abscheu vor ihrem "Charakter" und ihrem politischen Verhalten sowie Zweifel an ihrer Fähigkeit zur Staatsbildung und an ihrer Loyalität als Alliierte ausdrückten. [1] Nicosia zeigt, dass Hitlers Perspektive auf arabische (wie auch auf indische) Nationalisten von Geringschätzung geprägt war; so spricht er von "asiatischen Gauklern" oder einer "Koalition von Krüppeln", die er lieber unter englischer und damit jedenfalls "weißer" Herrschaft sehe als unabhängig (54-61).
Zum anderen legt Nicosia dar, dass England im Laufe der Weimarer Jahre zu einem zentralen Faktor in Hitlers Konzeptionen wurde - nicht zuerst als Feind, vielmehr als potentieller Partner in einer Aufteilung der Welt in Einfluss- und Interessensphären, bei der der deutsche Fokus klar auf Lebensraum im "Osten", eventuell auf afrikanische Kolonien, nicht jedoch auf das Kolonialreich des British Empire gerichtet war (49-53, 57f.). Er weist vor diesem Hintergrund vor allem auf drei Elemente hin, die die nationalsozialistische Nahostpolitik vor Kriegsbeginn bestimmten. Erstens strebten staatliche und wirtschaftliche Akteure in der Tradition einer auf wirtschaftliche Interessen und Außenhandel ausgerichteten Politik seit Ende des 19. Jahrhunderts (19-22; 39-44) nach ökonomischer Durchdringung der Region. Zweitens förderte der nationalsozialistische Staat im Rahmen seiner antisemitischen Ausgrenzungs- und Vertreibungspolitik die jüdische Auswanderung nach Palästina. Diese Politik knüpfte paradoxerweise unter nahezu umgekehrten Vorzeichen an die durchaus pro-zionistische Politik der Weimarer Jahre an, die auf der Annahme beruht hatte, dass "Deutschlands strategischen Interessen in Europa und im Nahen Osten am besten mit der Unterstützung des Zionismus und der jüdischen Heimstätte in Palästina gedient" sei (32-37, hier 33). Bis 1938 forcierte man diese Vertreibungspolitik, die insbesondere bezüglich des Haavara-Abkommens immer wieder in antizionistischen und holocaustrevisionistischen Schriften aufgegriffen wird [2] - gegen die Interessen arabischer Nationalisten in Palästina und der Region (89-99). Drittens wurden bis 1938/39 Unterstützungsersuchen einzelner arabischer Akteure aus Rücksicht auf deutsche Interessen und das deutsche Verhältnis mit den Kolonialmächten, insbesondere mit England, freundlich, aber bestimmt zurückgewiesen (75-81, 98).
Ab 1938 nutzte die NS-Propaganda die Situation im Nahen und Mittleren Osten zunehmend aus, vor allem, um Großbritannien vor dem Hintergrund der Eskalation in Europa unter Druck zu setzen. In mehreren Reden gab Hitler eine "quid-pro-quo"-Logik vor: So wie sich das Reich in die Einflusssphäre des britischen Weltreiches nicht einmischte, etwa in Palästina oder in Indien, solle sich Großbritannien ebenso aus dem deutschen "Lebensraum" in Europa heraushalten (104f.).
Wie Nicosia herausarbeitet, hatte Hitler im Grunde kaum Interesse am mediterranen Raum bzw. am Nahen und Mittleren Osten, der als englische bzw. vor allem während des gesamten Zweiten Weltkriegs als italienische Einflusssphäre angesehen wurde (vgl. u.a. 66-69, 107 sowie 116-127, 144ff., 158). Noch im Sommer 1940 erklärte die deutsche Führung, dass kein Interesse an der Zerstörung des Britischen Empires bestehe; mit Blick auf einen erwarteten Sieg der Achsenmächte im Nahen Osten wurde über die Kriegsjahre hinweg konsequent von einer Reorganisierung des "arabischen Raumes" unter italienischer Führung gesprochen, wobei deutsche ökonomische Ansprüche zu beachten seien (145f., 151, 158). Die Rücksichtnahme auf die Belange (Vichy-)Frankreichs, Spaniens und selbst Englands hatte auch während des Krieges einen deutlich höheren Stellenwert als die weitgehend ignorierten Interessen und Forderungen potentiell oder tatsächlich pro-deutscher arabischer Politiker, Parteien oder Netzwerke. So kam, wie Nicosia nachzeichnet, die militärische Unterstützung des Putschisten Rashid Ali al-Kilani im Irak 1941 zu spät und blieb chaotisch; Hitler erwähnte Kilani bezeichnenderweise nicht nur in Bezug auf die vermeintliche Unzuverlässigkeit und Bestechlichkeit der Araber, sondern urteilte, Araber besäßen nicht die Nerven und die Intelligenz, um moderne Waffen zu benutzen (61, 139, 164-177).
Vor allem aber zeigte sich die marginale Rolle arabischer Akteure während des Wirkens Kilanis und des ehemaligen Großmuftis von Jerusalem, Amin al-Husseini, im deutschen und italienischen Exil, als beide weder im diplomatischen noch im militärischen Bereich in das Agieren der Achse im Nahen und Mittleren Osten eingebunden wurden. Beide, so Nicosia, "blieben Figuren, deren [...] Rolle in deutscher Nahostpolitik streng kontrolliert, begrenzt, meist unsicher und relativ kurz war" (181). Die Bemühungen der Kollaborateure, italienische und deutsche Zusagen bezüglich der Unabhängigkeit arabischer Staaten zu erhalten, blieben erfolglos. Der von Husseini bei seinem einzigen Zusammentreffen mit Hitler 1941 geäußerte Wunsch nach einer offiziellen Erklärung bezüglich einer deutschen Unterstützung der Unabhängigkeit arabischer Staaten wurde von Hitler zurückgewiesen, lediglich Kilani erhielt 1942 - im Geheimen - ein offizielles Schreiben, wonach die Unabhängigkeit und volle Souveränität des Iraks eines der Ziele der Achse seien (188-203, 212f.). Die Präsenz deutscher Truppen in Nordafrika 1942/43 schließlich richtete sich in keiner Weise gegen die Strukturen kolonialer Herrschaft (vgl. auch 222f., 233).
Husseini und Kilani, so wird bei der Lektüre von Nazi Germany and the Arab World deutlich, wurden von nationalsozialistischen Stellen vor allem für die eigenen Zwecke genutzt; dies belegt auch David Motadels jüngste Studie Islam and Nazi Germany's War. [3] Das gilt in Bezug auf Husseini etwa für die Versuche der SS, insbesondere bosnische Muslime unter letztlich ethnonationalistischem Banner für die Handschar-Division zu rekrutieren (257-263), die in ihrer kurzen Einsatzzeit 1944 an deutschen Kriegsverbrechen vor allem an serbischen Zivilisten und Partisanen beteiligt, jedoch gleichzeitig auch von Meutereien und massenhaften Desertionen - auch zu Partisanenbrigaden - erschüttert wurde.
Von großer Bedeutung war Husseini für die deutschen Stellen vor allem im Bereich der Auslandspropaganda, die ihn als Identifikationsfigur und einflussreichen Partner der Achse in Szene setzte. Es ist der Themenkomplex der Rundfunkpropaganda, bei dem Nicosia auf Sekundärliteratur zurückgreift, der die einzige Schwäche der Studie darstellt. [4] Gerade die Propaganda scheint sich als einziger Bereich Nicosias These einer "ideologischen und strategischen Unvereinbarkeit" von arabischen Nationalisten und Nationalsozialisten nicht zu fügen (13). Doch auch der arabische Rundfunk war keine "gemeinsame Anstrengung des Naziregimes und arabischer Exilanten" (4), die arabischen Mitarbeiter waren Angestellte ohne direkten Einfluss auf die Propagandainhalte. Wie neue Ergebnisse deutlich machen, zeigt sich vielmehr auch im Bereich der Propaganda, deren inhaltliche Bezugnahme auf Kolonialismus und arabischen "Freiheitskampf" in keiner Weise mit der realen, von Nicosia rekonstruierten deutschen Politik korrelierte, "dass es keine 'Synthese' oder 'Verschmelzung' deutscher Interessen und Absichten mit denen arabischer Nationalisten [oder] islamischer Fundamentalisten gegeben hat" (13).
Der von Nicosia bewusst ausgesparten Frage der Rezeption von Faschismus, Nationalsozialismus und Weltkrieg in der arabischen Welt haben sich Forscher erst in jüngerer Zeit zugewendet, in den letzten anderthalb Jahrzehnten sind jedoch weit über 50 einschlägige Monographien und Aufsätze zum Thema publiziert worden. Der Sammelband Arab Responses to Fascism and Nazism. Attraction and Repulsion versammelt nun die Ergebnisse eines Workshops, zu dem Herausgeber Israel Gershoni, eine zentrale Figur dieses Forschungsfeldes, im Jahr 2010 eingeladen hatte. In seiner Einleitung, dem umfangreichsten Beitrag des Bandes, diskutiert Gershoni die Forschungsgeschichte seit den 1950er Jahren und formuliert zugleich einen scharfen Angriff auf deren dominantes Narrativ (1-31). Gershoni weist darauf hin, dass die historischen Erfahrungen des postkolonialen Erfolgs der nasseristischen und baathistischen Militärregime, des israelisch-arabischen Konflikts und des 11. Septembers 2001 den Blick auf die geschichtlichen Realitäten oft stark beeinflusst haben. Er seziert die Forschungstradition und zeigt überzeugend, dass der Fokus meist nur auf einzelnen pro-faschistischen oder pro-deutschen Akteuren lag, während eine Kontextualisierung ihres Denkens und Handels in weiteren, potentiell pluralen und widersprüchlichen gesellschaftlichen Kontexten ausblieb. Die im Band präsentierten Arbeiten, die etwa bisher vernachlässigte zeitgenössische arabische Presseerzeugnisse in den Blick nehmen, sind laut Gershoni ein Versuch, die Konturen eines entstehenden neuen, überarbeiteten Narrativs aufzuzeigen (XI).
Tatsächlich eröffnen viele der Beiträge neue Perspektiven, die in der Forschung hoffentlich weiter verfolgt werden. Götz Nordbruch blickt auf die Auseinandersetzung mit Deutschland und dem Nationalsozialismus in der arabischen Presse der französischen Mandatsgebiete Syrien und Libanon. Sie sei einzuordnen vor dem Hintergrund einer gesellschaftlichen Orientierungskrise: im Kontext der lokalen Verhandlung von Modernisierung, von Konzepten etwa der gesellschaftlichen Ordnung oder des (autoritären) Staats seien dabei auch die Entwicklungen etwa in Italien, Russland oder der Türkei auf Interesse gestoßen. Als Kontrapunkt rekonstruiert Nordbruch bisher weitgehend ignorierte, explizit antifaschistische politische Netzwerke und öffentliche Interventionen.
Im Zusammenhang mit dem Irak hat sich die Forschung bislang vor allem autoritären, militaristischen sowie teils pro-faschistischen und pro-deutschen politischen Kräften gewidmet, nicht zuletzt aufgrund des Kilani-Putsches von 1941. Auf Basis einer beeindruckenden Quellenvielfalt und anhand so verschiedener Akteure wie der Irakischen Kommunistischen Partei, einer populären Satirezeitschrift oder der "Al-Ahali"-Organisation zeichnet Orit Bashkin jedoch überzeugend das Bild einer Öffentlichkeit, in der Faschismus und Nationalsozialismus durchaus kontrovers diskutiert wurden und in der auch antifaschistische Positionen dauerhaft präsent waren. Mustafa Kabha und René Wildangel nehmen die arabische Presse im Mandatsgebiet Palästina in den Blick. Kabha untersucht die Presseberichterstattung über den Spanischen Bürgerkrieg am Beispiel zweier einflussreicher palästinensischer Zeitungen, die er stark durch einen von lokalen Auseinandersetzungen geprägten Fokus bestimmt sieht. So habe der parallel stattfindende arabische Streik und "Aufstand" in Palästina und die Assoziation der republikanischen Regierung mit den Kolonialmächten und der bei wohlhabenden nationalistischen Eliten verhassten kommunistischen Sowjetunion eine Berichterstattung forciert, bei der die faschistischen Truppen überwiegend in positivem Licht dargestellt wurden. Die deutliche Unterstützung Italiens und Deutschlands für die Faschisten habe vor dem Hintergrund der italienischen Kolonialpolitik und der deutschen Expansion in Europa mit dem Jahr 1939 jedoch zu einer zunehmenden Distanz und Sympathieverlagerung in der Berichterstattung geführt. Wildangel betont mit Blick auf die palästinensische Presse in den Jahren 1933 bis 1945, dass gegenüber dem nationalsozialistischen Deutschland kritische Positionen durchgehend vorhanden gewesen seien. Unter Kriegsbedingungen, die mit einer massiven Einflussnahme der britischen Behörden auf die Presse verbunden waren, hätten diese Positionen schließlich klar dominiert. Herausgeber Gershoni thematisiert die ägyptische Zeitschrift Al-Risala und ihren Herausgeber Ahmad Hassan al-Zayat.
Meir Zamirs Beitrag ergänzt diese Perspektiven um einen Blick auf die Realpolitik syrischer und libanesischer Nationalisten während des Zweiten Weltkriegs. An drei Beispielen zeichnet er deren Changieren zwischen französischen, deutschen und englischen Diplomaten nach, das vor allem von pragmatischen Überlegungen und dem Streben nach Macht im (post-)kolonialen Staat bestimmt gewesen sei. Die von Zamir angeführten Geheimverträge, die diese Nationalisten schließlich mit England schlossen, sind dabei gerade vor dem Hintergrund ihrer öffentlichen anti-englischen Position, insbesondere bezogen auf die Lage in Palästina, aufschlussreich. Nicht alle Aufsätze im Band können jedoch gänzlich überzeugen. Rami Ginats Beitrag zu kommunistischen Gruppen in Ägypten in den 1930er und 1940er Jahren etwa bietet zwar Einblicke in die radikale Linke dieser Zeit und die Rolle von Juden in ihren Strukturen, es mangelt jedoch zum einen an quellenkritischen Überlegungen zu Erinnerungsberichten und ideologisch aufgeladener arabischer Sekundärliteratur, zum anderen an einem (auch sprachlich) differenzierten Umgang mit Identitätskategorien.
Mehr als problematisch ist es, historische Realitäten auf Basis einzelner Aussagen rekonstruieren zu wollen, die Jahrzehnte später in Memoiren niedergeschrieben wurden, wie es Eyal Zisser in seinem Beitrag "Memoirs Do Not Deceive" versucht (73-97). Daraus, dass Politiker in den 1970er oder 1980er Jahren in ihren Memoiren nicht auf Weltkrieg oder Nationalsozialismus eingehen, kann unmöglich abgeleitet werden, "dass diese Themen für die politische Agenda der syrischen Elite" in den 1930er und 1940er Jahren "nicht als dringlich oder relevant erachtet wurden". Die thematisierten Personen sind zudem nicht repräsentativ für die Position politischer Eliten oder des Bildungsbürgertums insgesamt (93ff.).
Die große Mehrheit der im Band versammelten Beiträge kann jedoch überzeugen und offenbart nicht nur, welch große Lücken bisher in der Forschungslandschaft klaffen, sondern eröffnet tatsächlich Perspektiven auf das von Gershoni postulierte "neue Narrativ".
Kritisch muss die Bewertung von Wolfgang Schwanitz' und Barry Rubins (†2014) Nazis, Islamists and the Making of the Modern Middle East ausfallen. Die Monographie behandelt in zwölf Kapiteln eine Zeitspanne von etwa 150 Jahren. Im Zentrum stehen die Einflussnahme des nationalsozialistischen Deutschlands im Nahen Osten und die Kollaboration von arabisch-nationalistischen und islamistischen Akteuren mit dem "Dritten Reich", Ausführungen über Vorgeschichte und Nachwirkungen bilden den Rahmen.
Zu Beginn thematisieren die Autoren, wie sich der deutsche Kaiser der Kolonialpolitik zuwandte; zudem skizzieren sie die ökonomische und militärische Bedeutung des Kaiserreichs für das Osmanische Reich. Dabei geht es ihnen vor allem um die Genese der "christlich-imperialen Strategie islamischer Revolution" (Kap. 2), zu deren Umsetzung im Ersten Weltkrieg als Jihad(-propaganda) "Made in Germany" sowie relevanten Akteuren sie verschiedenste Informationen zusammentragen, wobei die Ausführungen teilweise anekdotischen Charakter haben (Kap. 3). Für die Zwischenkriegszeit (Kap. 4) konstatieren die Autoren einen großen Einfluss Deutschlands in der Region; zudem widmen sie sich unterschiedlichen kommunistischen, nationalistischen oder pan-islamischen arabischen - von den Autoren unter den Begriff des Islamismus subsummierten - Aktivisten, die in europäischen Hauptstädten Vereine und Parteien gründeten und vor allem publizistisch tätig waren. [5]
Bereits für diese Netzwerke wird ein zentraler Einfluss des nationalistischen Kaders und langjährigen Muftis von Jerusalem, Amin al-Husseini, behauptet, dessen Weg zu politischem Einfluss in Folge behandelt wird (Kap. 5). Er müsse - was bisher in der Forschung nicht berücksichtigt worden sei - als "Hauptführer der internationalen radikalen arabischen Kräfte, der nationalistischen wie der islamistischen" gelten, als "Vater moderner arabischer und islamistischer Politik" (87). Schwanitz und Rubin verzichten darauf, die "radikalen arabischen und muslimischen Kräfte" (121f.) näher zu bestimmen. In den verschiedenen Kapiteln sucht man zudem vergeblich nach dem Großteil der in der Mandatszeit relevanten politischen Auseinandersetzungen, Akteure, Organisationen und Parteien; den diesbezüglichen Forschungsstand zu Ägypten, Palästina, Irak, Syrien oder Libanon vernachlässigen die Autoren weitgehend. [6] Husseinis uneingeschränkte Führerschaft wie Repräsentativität bleibt eine unbelegte Behauptung.
Dass einschlägige Forschung nicht berücksichtigt wird - wobei die Autoren gleichzeitig ohne quellenkritische Distanz auf NS-Dokumente und Memoiren zurückgreifen [7] - ist dabei nicht das einzige Problem der Abhandlung. Begriffsklärungen fehlen, historische Zusammenhänge werden auf einzelne Personen reduziert [8], teilweise sind gravierende Fehler und Falschaussagen zu bemängeln. Einige der wenigen erwähnten Namen sind falsch geschrieben; es gibt chronologische Fehler [9]; die nationalistischen Politiker Fakhri und Ragheb al-Nashashibi werden ebenso verwechselt wie zwei arabischsprachige Propagandasender. [10] Auch der spätere Nachweis tiefgreifender Auswirkungen der "Nazi-Arab/Islamist Alliance" (passim) auf arabischen Nationalismus, Islamismus und die Entwicklung der Palästinensischen Nationalbewegung ist eher oberflächlich geraten. Nur im Nahen Osten hätten "lokale Verbündete Nazideutschlands und diejenigen, die so viele ähnliche Vorstellungen hatten, in der Nachkriegswelt tatsächlich triumphiert" (X): Ob Abd al-Nasser, Saddam Hussein, Yasser Arafat, Hosni Mubarak, die Muslimbrüdern oder Al-Qaida - sie alle erwähnen die Autoren als Erben Husseinis; in den letzten drei Kapiteln werden verschiedenste Informationen zu Husseinis Nachkriegsrolle (Kap. 10), der Tätigkeit ehemaliger Nazis in arabischen Ländern (Kap. 11) und der Ideologie des modernen Jihadismus (Kap. 12) als Beleg für dessen Einfluss nebeneinandergestellt.
Die gravierendsten Probleme finden sich im Kernstück des Buches, in dem Schwanitz und Rubin sich den Beziehungen zwischen dem nationalsozialistischen Deutschland und der arabischen Welt widmen (Kap. 1, 5-9). Die nicht näher definierten arabischen und muslimischen Kräfte hätten "ihr Bestes" getan, um zu erreichen, dass das "Dritte Reich" triumphiere, Husseini Diktator über den gesamten Nahen Osten werde und alle Juden außerhalb der Amerikas getötet würden (123). Diese Kräfte seien aufgrund "gemeinsamer Interessen und paralleler Ideen" die "Partner" der Nationalsozialisten gewesen und hätten die systematische Vernichtung der Juden im Nahen Osten "geplant" (X, 95, 122f., 160). Denn zum einen, so die Autoren, habe Husseini einen zentralen Einfluss auf die Entscheidung zur Vernichtung der europäischen Juden gehabt. Die "Inhaftierung [!] und Ermordung von Juden in Konzentrationslagern" hätte dem Deutschen Reich vor 1941 "nicht genutzt" (!) (160); erst der Druck Husseinis, der ein Ende der Einwanderung von Juden nach Palästina als Gegenleistung für seine Kooperation gefordert habe, habe die "Endlösung" nötig gemacht. Darauf weise die Tatsache hin, dass Hitler unmittelbar nach seinem Treffen mit Husseini Ende 1941 den Befehl zur Einberufung einer Konferenz gegeben habe, um die "'Endlösung der Judenfrage' vorzubereiten" (162). Schwanitz und Rubin übergehen hier zentrale Forschungsergebnisse: Die Wannsee-Konferenz geht nicht auf einen Befehl Hitlers zurück, sie diente Heydrich vielmehr zur Kompetenzklärung und Koordination mit anderen Ministerien. Sie ist zudem nicht der Anfangspunkt der "Inhaftierung und Ermordung von Juden". Die Autoren gründen ihre Argumentation ferner auf die Behauptung, arabische Akteure seien auf einzigartige Weise in das Vernichtungsprojekt involviert gewesen und hätten die Vernichtung von Juden im Nahen Osten geplant. Drei zentrale Quellen ziehen die Autoren hier heran; überprüft man diese, kommt man jedoch zum Ergebnis, dass sie falsch wiedergegeben worden sind. Das gilt erstens für die Aussagen von SS-Hauptsturmbannführer Dieter Wisliceny, deren Gehalt in der Forschung etwa im Hinblick auf apologetische Aussagestrategien grundsätzlich umstritten ist: "Konsistent" habe Wisliceny "Husseini als Eichmanns Kollegen, Partner und Berater" beschrieben (164, 166f.). Die angeführte Quelle bestätigt dies nicht: Die Aussagen, wonach der Mufti ein ständiger Partner Eichmanns gewesen sei, habe er nicht getroffen, heißt es in Wislicenys handschriftlicher Anmerkung unter einem Verhörprotokoll.
Die Autoren sind zweitens überzeugt davon, dass Husseini - eventuell gemeinsam mit Eichmann - Auschwitz besucht hätte, ein Dienstkalender Himmlers würde schließlich "zweifelsfrei beweisen", dass Himmler und Husseini "in der ukrainischen Stadt Shitomir, nahe Auschwitz", im Juli 1943 zusammengetroffen seien (164). Über mehrere Seiten beschreiben Schwanitz und Rubin detailliert einen Besuch in "Shitomir"; sie präsentieren ein Foto und den Besuchsplan (164, 184-90). Aus diesem wird jedoch klar ersichtlich, dass hier von einem protokollarischen Besuch Husseinis in Himmlers 600 Kilometer von Auschwitz entfernter "Feldkommandostelle Hochwald" bei Possessern (nach 1938 Großgarten) in Ostpreußen die Rede ist. Es könnte sein, dass die Autoren diese mit der "Feldkommandostelle Hegewald" bei Shitomir in der Ukraine verwechselt haben. Von Eichmann ist in den Quellen zudem keine Rede.
Die dritte Quelle, auf die sich die These von den arabischen "Vernichtungsplänen" stützt, berichtet laut Schwanitz und Rubin von einem Besuch der Tötungsstation und der "Gaskammern" im "Vernichtungslager" Sachsenhausen (Oranienburg), die der prodeutsche irakische Nationalist Kilani, eventuell sogar Husseini selbst sowie einige ihrer Mitarbeiter 1941 unternommen hätten (1ff., 162). Aus der Quelle wird jedoch klar, dass weder Husseini noch Kilani das KZ besichtigt haben, das im Übrigen kein "Vernichtungslager" war. Vier arabische Besucher aus ihrem Mitarbeiterkreis haben hingegen auf einer Propagandatour, die zudem - anders als von den Autoren suggeriert - aufgrund eines Missverständnisses und gegen den Willen aller relevanten NS-Stellen stattfand, nicht die Tötungsanlage zu Gesicht bekommen, sondern "Baracken mit [...] von den Insassen selbst angefertigten, zum Teil künstlerisch hochwertigen Einrichtungsgegenständen" besichtigt; der Aktenvorgang wurde unter dem Titel "Propaganda: Lügenmeldungen über Mißhandlungen polit. Gegner und KZ-Lager" geführt. [11] Gaskammern existierten in Oranienburg zum Zeitpunkt des Besuches keine.
Autoren und Lektorat haben gravierende Fehler ebenso wie Aussagen ohne Quellenfundament übersehen, die zentrale Erkenntnisse der Zeitgeschichtsforschung zum nationalsozialistischen Deutschland und zum Nahen Osten übergehen. Die "radikalen nationalistischen und islamistischen Kräfte" schrumpfen bei genauer Betrachtung auf wenige Exilanten zusammen. Gemeinsame Interessen selbst zwischen diesen und den Nationalsozialisten werden an keiner Stelle fundiert nachgewiesen, parallele Ideen letztlich nur ansatzweise für Husseini.
Die Fragen der Kollaboration, der Rezeption des Nationalsozialismus und des Antisemitismus müssen für den Nahen Osten weiter intensiv wissenschaftlich erforscht werden, ebenso wie die Rolle Husseinis in seiner Zeit im deutschen und italienischen Exil. Das Buch von Schwanitz und Rubin trägt mit seinen teilweise massiven Entstellungen und als Fakten präsentierten Mutmaßungen hierzu nicht bei. Auf den soliden Erkenntnissen Nicosias sowie der Forscherinnen und Forscher, die etwa in Gershonis Sammelband versammelt sind, können und sollten zukünftige Forschungsarbeiten zum Thema jedoch aufbauen.
Anmerkungen:
[1] Lukasz Hirszowicz: The Third Reich and the Arab East, London 1966, 315.
[2] Vergleiche hingegen zur historischen Einordung die prägnanten Arbeiten von Alexander Schölch: Das Dritte Reich, die Zionistische Bewegung und der Palästina-Konflikt, in: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte 30, 1982, 4, 646-674, sowie Francis R. Nicosia: Ein nützlicher Feind. Zionismus im nationalsozialistischen Deutschland 1933-1939, in: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte 37, 1989, 3, 367-400 .
[3] David Motadel: Islam and Nazi Germany's War, Cambridge, MA. u.a. 2014. Vgl. die Rezension von Sophie Spaan unter http://www.sehepunkte.de/2015/12/28279.html.
[4] Die Ergebnisse Jeffrey Herfs, auf die sich Nicosia bezüglich institutioneller Struktur, Sendebeginn und -inhalten bezieht (etwa 104, 195, 204, 265ff.), sind durch jüngere Forschungsergebnisse in Frage gestellt worden. Vgl. Hans Goldenbaum: Nationalsozialismus als Antikolonialismus. Die deutsche Rundfunkpropaganda für die arabische Welt, in: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte 64 (2016) 3, 449-490.
[5] Relevante Arbeiten zu diesem Thema sind nicht berücksichtigt worden, etwa die vor 2014 publizierten Ergebnisse Umar Ryads zu den auch im Buch erwähnten al-Hilali, Karam oder Arslan. Einschlägig für dieses Thema ist seit 2014 nun der von Ryad und Götz Nordbruch herausgegebene Sammelband Transnational Islam in Interwar Europe: Muslim Activists and Thinkers, New York, NY u.a. 2014.
[6] So etwa die Arbeiten Umar Ryads und Peter Wiens zu Exilanten der Zwischenkriegszeit sowie die Götz Nordbruchs und Wiens zu pro-faschistischen und prodeutschen Akteuren in Syrien, Libanon und dem Irak, dessen pro-deutscher Putsch des Jahres 1941 nur sehr oberflächlich abgehandelt wird. Die Autoren fokussieren insbesondere die Situation in Palästina, leider wurde aber ein für diesen Zusammenhang zentrales Standardwerk wie Army of Shadows: Palestinian Collaboration with Zionism, 1917-1948, Berkeley, CA. 2008 von Hillel Cohen nicht rezipiert.
[7] An einer Stelle suchen die Autoren beispielsweise den Einfluss Husseinis mit einem Hinweis auf eine seiner Reden zu belegen, bei der viele Zuhörer "aus Freude über seine Eloquenz zu weinen begonnen" (!) hätten (152). In den Fußnoten findet sich, wie an anderen vergleichbaren Stellen des Buches, nur ein Verweis auf die Memoiren Husseinis.
[8] Es ist in diesem Zusammenhang keine Ausnahme, wenn Hitlers Sicht auf Großbritannien und die Juden als "vereinter Feind" von den Autoren auf die intensive Karl-May-Lektüre seiner Jugend und die Tatsache bezogen wird, dass der einzige jüdische Charakter in Mays "Durch Wüste und Harem" ein britischer Agent ist (26f.).
[9] Die Autoren führen etwa angebliche deutsche Waffenlieferungen von Mitte 1939 als Beleg dafür an, dass die sogenannte arabische Rebellion in Palästina 1936-1939 ohne deutsche Unterstützung nicht hätte aufrechterhalten werden können (97) - deren Ende wird jedoch allgemein auf das Frühjahr 1939 datiert.
[10] Die "Stimme des Freien Arabertums" sendete nicht aus Rom (138), sondern aus Berlin, und stand, wie die gesamte deutsche Rundfunkpropaganda, nicht unter Husseinis Einfluss. Aus Rom sendete einige Jahre eine weniger bedeutende Station mit dem Namen "Die arabische Nation", die jedoch nicht von einem "Dhu al-Kuffar" (!) (ebd.) sondern von Saad al-Din Abd al-Latif geleitet wurde.
[11] Vgl. Schriftwechsel (Juli-August 1942) im Aktenvorgang Inland II g 22, Propaganda: Lügenmeldungen über Mißhandlungen polit. Gegner und KZ-Lager, PA/AA, R100702, Fiche 1784-85.
Hans Goldenbaum