Elfriede Bachmann / Josef Dolle (Bearb.): Urkundenbuch des Klosters Zeven (= Schriftenreihe des Landschaftsverbandes der ehemaligen Herzogtümer Bremen und Verden; Bd. 47), Göttingen: Wallstein 2016, 429 S., 18 s/w-Abb., ISBN 978-3-8353-1855-7, EUR 39,90
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Von Urkundenbüchern geht für den, der sowohl ihren Inhalt zu lesen versteht als auch ihre aufwändige und mühevolle Erstellung einzuschätzen vermag, eine ungeschmälerte Faszination aus. In ihnen ist die auf Pergament und Papier gegenständlich gewordene Geschichte bewahrt, wenn vielleicht alle anderen Zeugen längst vergangen sind. Dem ist freilich beim Kloster Zeven nicht so, dessen Geschichte weit zurückreicht - bis ins Jahr 960, als ein Graf Hed das Stift Heeslingen errichtete, dessen ehemalige Stiftskirche, wenngleich im Laufe der Jahrhunderte um- und überbaut, sich bis heute erhalten hat. Wie sich aus der leicht widersprüchlichen Überlieferung rekonstruieren lässt, hatte der Stifter, Graf Hed, der offensichtlich erbenlos, nach damaligen Rechtsvorstellungen mithin söhnelos geblieben ist, seine Tochter als erste Äbtissin eingesetzt und sich und seiner Familie die Vogtei vorbehalten. Im Zuge von Reformbemühungen wurde das Kloster 1141 nach Zeven verlegt, das durch zahlreiche Zustiftungen im Laufe der Zeit zu einem der größten Grundbesitzer im Erzstift Bremen wurde. Die Zusammensetzung des Konvents, der offensichtlich noch im Spätmittelalter von Damen bürgerlicher Herkunft dominiert wurde, wandelte sich dann in der Neuzeit zugunsten des niederen Adels.
Hatte das Kloster die Wirren der Reformation noch relativ unbeschadet überstanden, da das Erzstift Bremen beim alten Glauben blieb, konnte es den Veränderungen im Verlauf des Dreißigjährigen Krieges nicht standhalten, als das Erzstift Bremen an das Königreich Schweden fiel und formal in ein weltliches Herzogtum umgewandelt wurde. Die Klosterherrschaft wurde in das Amt Zeven umgewandelt, die Klostergüter in ein Wirtschaftsgut. 1694 starb die letzte Nonne, der ein Wohnrecht auf Lebenszeit eingeräumt worden war.
Die Urkunden wurden vor 1754 von den Erben des letzten Ottenberger Oberamtsmannes, der Ende des 17. Jahrhunderts beide Ämter verwaltete und die Urkunden vermutlich an sich nahm, an das Königliche Archiv in Hannover verkauft, was das frühe geschichtliche Interesse von staatlicher Seite bezeugt. Vermutlich wurden Bestände verschiedener Provenienzen vermengt. Das wird deutlich in einem Vergleich mit den von Georg Friedrich Fiedeler und Heinrich Böttger bearbeiteten Urkunden für das bereits 1857 von Wilhelm von Hodenberg herausgegebene Zevener Urkundenbuch, in das auch Stücke Eingang fanden, die nicht aus Kloster Zeven stammten. Ende des 19. Jahrhunderts sollten die alten Provenienzen wieder hergestellt werden, wobei offenbar einige Fehler unterlaufen sind. Wieder andere Urkunden sind vermutlich dem Bombenangriff auf Hannover 1943 zum Opfer gefallen.
In das Zevener Urkundenbuch waren auch Urkunden aufgenommen worden, die nicht ursprünglich aus dem Urkundenbestand des Klosters stammten, jedoch einen inhaltlichen Bezug zum Kloster Zeven besitzen. Diese wurden nunmehr ausgeschieden. Dennoch ist der Bestand anscheinend im Laufe der Zeit noch angewachsen, wie die Konkordanz beider Urkundenbücher zeigt.
Die Neubearbeitung der Urkunden für die Edition besorgte Elfriede Bachmann, die bereits 1966, also 50 Jahre vor Erscheinen der Edition, ihre Dissertation über das Kloster verfasst und seitdem unermüdlich zu diesem Thema veröffentlicht hat. Ihr zur Seite stand Josef Dolle, der bereits die Herausgabe mehrerer niedersächsischer Urkundenbücher verantwortet hat. Insofern gibt es an der Qualität der vorliegenden Edition auch nichts zu zweifeln.
Insgesamt wurden 283 Urkunden aufgenommen, die einen Zeitraum von 973 bis 1673 umfassen, also exakt 700 Jahre Geschichte abbilden. Deren Präsentation ist auch optisch sehr gut aufbereitet.
Bezüglich der Editionsrichtlinien orientiert man sich zwar an den "Handreichungen von Urkundenbüchern" für die Historische Kommission für Niedersachsen und Bremen, will aber auch nicht ganz den dort favorisierten Schematisierungen folgen, sondern behält zahlreiche Eigentümlichkeiten der Schriftsprache bei, was der Rezensent zugunsten eines zeitgenössischen Eindrucks ausdrücklich gutheißt.
Im Anhang findet sich ein kombiniertes Personen- und Ortsnamenregister, das eine schnelle Orientierung zu den gewöhnlich gesuchten Themen und Fragestellungen erlaubt, sowie ein "Index ausgewählter Sachen und Wörter". Letzterer enthält "Sachbegriffe, die für die in den Urkunden dokumentierten Rechtsgeschäfte von Bedeutung sind, ferner selten vorkommende Wörter und Begriffe." Ein solches Sachregister ist freilich nur bedingt hilfreich und notwendig, da es einerseits mit seiner willkürlichen Auswahl einer subjektiven Logik folgt und in diesem Fall andererseits zu großen Teilen einem niederdeutschen Wörterbuch gleicht, ohne freilich die Begriffe in das heutige Deutsch zu übersetzen und bestenfalls auch noch ihre Bedeutung zu erklären. Anders gesagt, man wird nach diesen Begriffen nicht suchen, es sei denn aus philologischer Spielerei. Ein solches Sachregister muss zwangsläufig lückenhaft bleiben und ist insofern immer unbefriedigend. Ein Beispiel mag das verdeutlichen: ist der Begriff "nakomlynghe" in Urkunde Nr. 176 für "Nachkommen", hier im Sinne von "Erben" gebraucht, nicht ebenso ein rechtsrelevanter Begriff und hätte demzufolge aufgenommen gehört? Allein dieses Beispiel zeigt die Unsinnigkeit von immer wieder mal erhobenen Forderungen nach Sachregistern, da es sich bei dieser Art Index stets um eine Kunst handelt, in der niemandem Recht getan ist.
Eine Liste "der Inhaber im Original enthaltener Siegel und Notariatssignete" sowie Abbildungen der Notariatssignete und der Siegel des Konvents und der Pröpste runden die vorzügliche Edition ab.
Lars-Arne Dannenberg