Sławomira Walczewska: Damen, Ritter und Feministinnen. Zum Frauenrechtsdiskurs in Polen. Aus dem Poln. von Ursula Kiermeier (= Polnische Profile; 2), Wiesbaden: Harrassowitz 2015, XX + 211 S., ISBN 978-3-447-10395-4, EUR 22,00
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Diese Rezension erscheint auch in der Zeitschrift für Ostmitteleuropa-Forschung.
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Dieser Band wurde bereits 1999 in Polen publiziert [1] und zählt dort zu den modernen Klassikern der feministischen Literatur. Er skizziert aufschlussreich die Geschichte und Gegenwart der polnischen Frauenemanzipation vom 19. Jahrhundert bis zum Ende der 1990er-Jahre, verstanden als neuer Diskurs.
Das Werk der polnischen Feministin und Philosophin liegt nun übersetzt, aktualisiert sowie um eine umfassende Einleitung und Auswahlbibliografie ergänzt, in deutscher Sprache vor. Sławomira Walczewskas Essay zeichnet eine "vergessene Protestgeschichte" nach, welche die Entstehungs- und Entwicklungslinien eines sich "widersetzenden" Frauenrechtsdiskurses beinhaltet. Sie konstatiert, dass eine kritische historische Analyse des "Sinnraum[s] mit seinen Brüchen, Diskontinuitäten und seiner vielfältigen Topographie" (2) im Mittelpunkt stehe. Die Spezifik des polnischen Emanzipationsdiskurses betrachtet die Autorin vor allem aus einer Binnenperspektive.
Das Buch ist neben Einführung und Abschluss in drei größere Kapitel gegliedert und enthält ein knappes Fazit. Der Essay ist zudem mit knappen Informationskästchen zu gesellschaftspolitischen, ökonomischen und rechtlichen Neuerungen seit den 1999er-Jahren versehen. Fußnoten zur polnischen Geschichte führen das Lesepublikum bestmöglich ein.
Im ersten Kapitel fokussiert die Verfasserin den Frauenrechtsdiskurs seit dem 19. Jahrhundert und zeigt auf, wie das "Kulturmuster Weiblichkeit" (9) in zeitgenössischen Diskursen verhandelt wird. Hier erörtert Walczewska die konstituierenden diskursiven Einschreibungen: persönliche Freiheit, die Teilhabe am öffentlichen Leben (und deren gesetzliche Verankerung), Gleichberechtigung und Eigenständigkeit. Ein Exkurs zur Mutter Polin rundet diesen Teil ab. So vergegenwärtigt Walczewska, dass der Frauenkörper von Beginn an im Mittelpunkt der Diskussionen stand. Themen wie körperliche Lust und Selbstbestimmung verharrten im Frauenrechtsdiskurs zunächst in der Unterteilung Enthusiastinnen / "Salonlöwinnen" (19. Jahrhundert) und blieben bis zum Modernismus tabuisiert. Erst in den 1980er-Jahren wurde der weibliche Körper im Zusammenhang mit Debatten über Prostitution und Pornografie in Polen neu interpretiert.
Im zweiten Kapitel schenkt Walczewska der Frage des Geschlechtervertrages unter Adligen als Spezifikum des Frauenrechtsdiskurses besondere Aufmerksamkeit. So erachtet die Autorin das für die polnische Kultur bestimmende Ideal der Dame und des Ritters zur Beschreibung der Geschlechterverhältnisse für geeignet.
Interessant sind ihre Ausführungen zu den Geschlechtercharakteren. So konstatiert Walczewska für die Darstellung der Beziehung zwischen Mann und Frau fünf Formen im Frauenrechtsdiskurs: Frauen seien anders; vollkommener und moralischer; gleichwertig; abhängig vom Mann, ohne sich dessen bewusst zu sein; oder sie forderten die Befreiung des Menschen vom Geschlecht (98). Die Autorin verweist darauf, dass die Gleichheit von polnischen Frauen und Männern als Leitmotiv der Bewegung für die politischen Rechte der Frau nicht gleichzusetzen sei mit Gleichberechtigung, sondern es sich vielmehr um "politische Rechte ohne Unterscheidung der Geschlechter" handle (111). Im Weiteren analysiert Walczewska auch die Ehe als Form des Geschlechtervertrages und erörtert unter anderem den Lesbianismus in den Werken von Feministinnen, den sie zwischen Illegalität und Normalisierung verortet.
Das wesentlich kürzere dritte Kapitel widmet sich den emanzipatorischen Strategien. Nach Walczewska diene insbesondere die Kategorie der "außergewöhnlichen Frau" als universelles Instrument im Frauenrechtsdiskurs dazu, eine neue Identität der Frau zu konstruieren.
Walczewskas kurzes, aber prägnantes Nachwort, das sie für die deutsche Übersetzung ihres Buches ergänzt hat, fasst die großen öffentlichen Debatten in Polen bis in die Gegenwart zusammen. Abschließend resümiert sie skeptisch, dass "die politische und ökonomische Transformation jedoch nicht parallel von moralischen und kulturellen Veränderungen begleitet" worden sei (190). Walczewska knüpft damit nicht an das positive Resümee der ersten Ausgabe ihres Buches an. Offensichtlich bleiben die Forderungen der Feministinnen nach einer wirklichen Gleichberechtigung angesichts des "Zeichen[s] einer [...] nationalistisch-traditionellen Welle" (191) weiterhin aktuell.
Walczewskas Darstellung der Geschichte der polnischen Frauenemanzipation vergegenwärtigt eindrucksvoll das Neue, gleichzeitig aber auch das Paradoxe am Diskurs - um es mit den Worten der polnischen Literaturkritikerin und Prosaistin Inga Iwasiów auszudrücken. Das anspruchsvoll geschriebene und gut zu lesende Buch ist tatsächlich nicht nur ein Klassiker der polnischen feministischen Literatur, sondern für Leser und Leserinnen auch ein "wertvoller Kompass für die Erkundigung der polnischen Erfahrungswelten" (XV) in einem europäischen Kommunikationsraum.
Anmerkung:
[1] Sławomira Walczewska: Damy, rycerze i feministki. Kobiecy dyskurs emancypacyjny w Polsce, Kraków 1999.
Angelique Leszczawski-Schwerk