Joe Renouard: Human Rights in American Foreign Policy. From the 1960s to the Soviet Collapse (= Pennsylvania Studies in Human Rights), Philadelphia, PA: University of Pennsylvania Press 2016, 333 S., ISBN 978-0-8122-4773-2, USD 69,95
Inhaltsverzeichnis dieses Buches
Buch im KVK suchen
Bitte geben Sie beim Zitieren dieser Rezension die exakte URL und das Datum Ihres Besuchs dieser Online-Adresse an.
Jan Eckel / Samuel Moyn (Hgg.): Moral für die Welt? Menschenrechtspolitik in den 1970er Jahren, Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 2012
Klaus Brummer / Friedrich Kießling (Hgg.): Zivilmacht Bundesrepublik? Bundesdeutsche außenpolitische Rollen vor und nach 1989 aus politik- und geschichtswissenschaftlichen Perspektiven, Baden-Baden: NOMOS 2019
William C. Potter / Sarah Bidgood (eds.): Once and Future Partners. The United States, Russia and Nuclear Non-Proliferation, London / New York: Routledge 2018
Das Titelbild des neuen Buches von Joe Renouard zeigt einen entschlossen voranschreitenden Ronald Reagan, begleitet von dem philippinischen Diktator Ferdinand Marcos zu seiner Rechten und dessen Frau Imelda zu seiner Linken. Darunter der Titel "Human Rights in American Foreign Policy". Dieses 1982 vor dem Oval Office aufgenommene Foto verdeutlicht beispielhaft den ambivalenten Umgang der USA mit den Menschenrechten, bei dem sie sich als Vorkämpfer für diese präsentierten und zugleich enge Partnerschaften mit diversen Diktaturen auf der ganzen Welt pflegten. Einige Historikerinnen und Historiker bewerteten die US-Menschenrechtspolitik deswegen als eine Geschichte der Untätigkeit, Heuchelei und Doppelstandards. [1] Dieses Narrativ möchte Renouard mit seiner Monografie überwinden und präsentiert eine detailreiche, nüchterne Studie zur Entstehung und Institutionalisierung der US-Menschenrechtspolitik. Dabei untersucht er chronologisch anhand vieler Beispiele, wie die USA mit Menschenrechtsverletzungen in Ländern wie Griechenland, Indonesien, den Philippinen, der Sowjetunion oder China umgingen, um nur einige zu nennen. Der Autor geht insbesondere der Frage nach, welche Faktoren die Menschenrechtspolitik der USA jeweils geformt haben. Der Bogen der Erzählung spannt sich über fünf Kapitel von der Amtszeit Richard Nixons bis zu der George H. W. Bushs.
Der Einfluss von Nichtregierungsorganisationen, die Rolle der Vereinten Nationen oder des "Helsinki-Prozesses" werden von vornherein ausgeblendet, da sie nach Meinung des Autors keinen signifikanten Einfluss auf die US-Menschenrechtspolitik hatten. (19) Stattdessen richtet dieser den Fokus auf die Beziehungen zwischen dem Weißen Haus, dem Senat und dem Kongress, um die "domestic sources" (6) der US-Menschenrechtspolitik freizulegen. Dem stellt er die vertraulichen bilateralen Verhandlungen zwischen den US-Regierungen und den jeweiligen Diktaturen gegenüber. Renouard legt damit die Spannungsverhältnisse offen, welche die US-Menschenrechtspolitik im Untersuchungszeitraum prägten.
In der Einleitung stellt Renouard vier "Thesen" (claims) auf, die zugleich die zentralen Ergebnisse der Arbeit widerspiegeln. So war erstens der Ost-West-Konflikt ein wichtiger Faktor, der die US-Menschenrechtspolitik bestimmt hat. In vielen Fällen verzichtete die US-Regierung darauf, Menschenrechtsverletzungen gegenüber verbündeten Diktaturen öffentlich zu kritisieren, weil sie fürchteten, dadurch einen strategischen Partner zu destabilisieren und einen sicherheitspolitischen Nachteil davonzutragen. Die Fälle Griechenland, Chile, Indonesien oder Südafrika waren beispielhaft dafür. Der Ost-West-Konflikt konnte aber auch umgekehrt zu einer aktiven Menschenrechtspolitik beitragen, wie unter Jimmy Carter und Reagan, welche die Kritik an der Menschenrechtslage in "sozialistischen Staaten" benutzten, um diese politisch unter Druck zu setzten und Zugeständnisse in Abrüstungsverhandlungen oder Fragen der politischen Öffnung herbeizuführen.
Letzteres leitet zur zweiten "These" über, wonach die Menschenrechte primär Instrumente der Politik waren. Sie wurden in der Außenpolitik eingesetzt, um den politischen Druck auf andere Staaten zu erhöhen. Vor allem aber wurden sie innenpolitisch benutzt, um die Politik des jeweiligen Präsidenten zu attackieren. Abgeordnete und Senatorinnen und Senatoren beider Parteien instrumentalisierten die Menschenrechte, um mit Hilfe von Amendments die Befugnisse der US-Präsidenten einzuschränken und Einfluss auf die Außenpolitik ihres Landes zu nehmen: "'Human Rights' was a useful oppositional strategy." (15). Verstärkt wurde dies durch das wachsende Menschenrechtsbewusstsein innerhalb der US-Bevölkerung. Den Auslöser dafür sieht der Autor im sogenannten "Ethnic Revival" Ende der 1960er Jahre. Dieser führte dazu, dass sich innerhalb der US-Bevölkerung immer mehr Menschen für die Einhaltung der Menschenrechte einsetzten, wobei die ethnische und religiöse Verbundenheit eine wesentliche Rolle spielte. Diese Menschen übten Druck auf Politikerinnen und Politiker aus, sich für die Einhaltung der Menschenrechte der jeweiligen Gruppe in anderen Ländern einzusetzen. Erst im Laufe der 1970er Jahre wurde daraus eine allgemeine Menschenrechtsbewegung, welche die Basis für den Erfolg Carters bildete. Die Konflikte zwischen Exekutive und Legislative und die daraus resultierende Instrumentalisierung der Menschenrechenrechte identifiziert Renouard neben dem Ost-West-Konflikt damit als zweiten bestimmenden Faktor, der den Umgang der USA mit den Menschenrechten in ihrer Außenpolitik geformt hat. Innenpolitischer Druck und außenpolitische Bedenken wirkten dabei oftmals wie zwei sich widerstrebende Kräfte und prägten die US-Menschenrechtspolitik.
Diese lässt sich allerdings nicht mit einem analytischen Konzept erklären, so seine dritte "These". Weder Realismus, noch Idealismus, Paternalismus oder Paradoxie liefern eine hinreichende Erklärung für den vielfältigen und sehr unterschiedlichen Umgang der jeweiligen US-Regierung mit den Menschenrechten. "No single model or label can encompass the totality of American human rights policymaking" (16). Zugleich identifiziert Renouard aber ein immer wiederkehrendes Muster, wonach die US-Menschenrechtspolitik immer der sogenannten "nationalen Sicherheit" untergeordnet wurde. "American national security always trumped human rights" (16). Wie diese "nationale Sicherheit" jeweils unterschiedlich definiert wurde, zeigt er in der anschließenden Analyse. Während für Nixon die Annäherung an die Sowjetunion und China im Zentrum stand, wobei das Thema Menschenrechte eher hinderlich war, wollte Carter mit Hilfe einer aktiven Menschenrechtspolitik die Stellung der USA in der Welt wieder aufwerten. Auch für Reagan war eine aktive Menschenrechtspolitik im Interesse der USA, nur sollte diese seine Gegner schwächen und seine Verbündeten schonen. Während seiner zweiten Amtszeit veränderte sich diese Definition und im Zuge der globalen Demokratisierungswelle in der zweiten Hälfte der 1980er Jahre setzten sich die USA auch gegenüber verbündeten Diktaturen für die Einhaltung der Menschenrechte ein, wodurch sie ihre Stellung als politische und moralische Weltmacht am Ende des Ost-West-Konfliktes ausbauen konnten. Bush wollte hingegen die "neue Weltordnung" nach 1990 stabilisieren, weswegen er darauf verzichtete, die Menschenrechtsverletzungen in der aufstrebenden Weltmacht China mit Nachdruck zu kritisieren.
Mit der vierten und letzten "These" versucht Renouard die US-Menschenrechtspolitik dann doch durch ein Label zu kennzeichnen. Demnach sei Inkonsistenz ihr wesentliches Merkmal im Untersuchungszeitraum gewesen. Damit gibt er die in der Einleitung angestrebte Abgrenzung von älteren Forschungsmeinungen allerdings wieder auf und bestätigt lediglich das, was andere schon vor ihm aufgezeigt haben. [2]
Was bleibt? Die langatmige Aneinanderreihung vieler einzelner Beispiele macht es schwer, die anfangs skizzierten "Thesen" mit der anschließenden Analyse zu verbinden. Es fehlt ein klares Argument und der rote Faden verliert sich in der Fülle an Einzelfällen. Ein abschließendes Fazit hätte hier gutgetan. Dafür liefert Renouard viele neue und erkenntnisreiche Einblicke in die komplexen Beziehungen zwischen Innen- und Außenpolitik in den USA und bietet damit eine interessante Perspektive auf die Genese der US-Menschenrechtspolitik.
Anmerkungen:
[1] Vgl. z.B. Julie Mertus: Bait and Switch. Human Rights and U.S. Foreign Policy, New York / London 2004, 1-2; Clair Apodaca: Understanding U.S. Human Rights Policy. A Paradoxical Legacy, New York / London 2006, XII-XX.
[2] Renouard kritisiert explizit David Forsythe für dessen Beurteilung der US-Menschenrechtspolitik, obwohl er selbst am Ende zum gleichen Ergebnis gelangt. Vgl. David Forsythe: Human Rights in International Relations, Cambridge 2000, 145-148.
Peter Ridder