Francesco Salvestrini: Il carisma della magnificenza. Labate vallombrosano Biagio Milanesi e la tradizione benedettina nellItalia del Rinascimento (= I libri di Viella; 265), Roma: Viella 2017, 793 S., 51 Farbabb., ISBN 978-88-6728-901-1, EUR 70,00
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Francesco Salvestrini (a cura di): Monaci e pellegrini nell'Europa medievale. Viaggi, sperimentazioni, conflitti e forme di mediazione, Firenze: Edizioni Polistampa 2014
Dass die Geschichte der Renaissance in Italien eng mit der Geschichte der Orden verbunden ist, erschließt sich der Forschung erst allmählich; offenbar steht dem immer noch Burckhardts Säkularisierungsthese von 1860 mit der sich darum rankenden Mythenbildung entgegen. Was die Rolle von Kongregationen, Klöstern, Äbten und Mönchen im Italien und speziell in der Toskana des 15. und frühen 16. Jahrhunderts betrifft, stellt sich die hier anzuzeigende Studie als exemplarische Pionierarbeit dar - sie wirft neues, differenziertes Licht auf die Geschichte von Florenz in seiner scheinbar am intensivsten untersuchten Zeit zwischen Lorenzo de' Medici und Papst Leo X. Zugleich erschließt sie durch eine vorbildliche Edition einen Text, der mit seiner Aussagekraft und Tragweite den Vergleich mit den bekannten Aufzeichnungen eines Luca Landucci oder Marco Parenti nicht zu scheuen braucht: das Memoriale Biagio Milanesis, seines Zeichens Generalabt der benediktinischen Vallombrosaner-Kongregation von 1480 bis 1515. Dieser in Form eines Briefs an die Mitglieder des Ordens verfasste Text ist eine Mischung aus Ordensgeschichte und apologetischer Autobiographie und damit zugleich die wichtigste Quellenbasis für die Milanesi gewidmete Lebensgeschichte, die der Edition des Memoriale auf ansehnlichen 364 Seiten vorangeht.
Die Vita des Vallombrosaner-Abtes in dieser Ausführlichkeit zu erzählen, ist durch dessen Rolle als Protagonist und Zeitzeuge im Florenz der Medici und des governo largo nach 1494 voll und ganz gerechtfertigt. Milanesi entstammte einer um 1350 aus Mailand nach Florenz eingewanderten Kaufmannsfamilie, die nach ihren Angaben in den Katastern zur Zeit seiner Geburt der politisch einflusslosen Mittelschicht zuzuordnen ist. Als typischer Abkömmling dieses Milieus vertrat er zeit seines Lebens eine traditionell geprägte kommunale Ideologie, die sich mehr oder weniger offen gegen den ab 1434 stetig vorangetriebenen Machtausbau der Medici richtete. Diesen Strategien widersetzte er sich in seiner Funktion als Generalabt ab 1480 mit großem Geschick, am offensten durch den Schutz der Vallombrosaner-Liegenschaften gegen die expansive Immobilienerwerbs-Strategie Lorenzos des Prächtigen und dessen Versuche, die reiche Pfründenausstattung seines Zweitgeborenen Giovanni auf Kosten der Kongregation auszuweiten. Mit ebensolchem Erfolg vertrat der ebenso gut vernetzte wie informierte Milanesi die Interessen seines Ordens unter dem republikanischen Regime von 1494 bis 1512.
Als Kirchenfürst alten Stils, der die Würde der Kirche durch prunkvolle Bauten, kostbare liturgische Geräte und eindrucksvolle Bilder zu steigern bestrebt war und Reform als Abstellung individueller Laster und anstößigen Sozialverhaltens, nicht jedoch als grundlegende Neuordnung kirchlicher Lebensformen verstand, geriet der Vallombrosaner-Abt ab den 1490er-Jahren in heftige Opposition zu Girolamo Savonarola und dessen rigider Reformagenda, ohne sich jedoch an den Intrigen zu beteiligen, die 1498 zum Sturz des wortgewaltigen Propheten und Bußpredigers führten. Die Wahl Giovanni de' Medicis zum Papst im März 1513 wurde Milanesi dann zum Verhängnis: Leo X. ließ ihn unverzüglich absetzen, verhaften und wegen Fälschungen und Simonie verurteilen. Das entbehrte nicht der Pikanterie, war der Verurteilte doch gerade gegen diese weit verbreitete Praxis jahrzehntelang zu Felde gezogen. Wie sich schnell zeigte, ging es dem Medici-Papst nicht um eine durchgreifende Ordensreform, sondern wohl eher um familiäre Vendetta und um eine Wiederannäherung an die Dominikaner, denen er die Leitung der Vallombrosaner übertrug. Dementsprechend hatte Milanesi keine Schwierigkeiten, sich unter dem nachfolgenden Pontifikat Hadrians VI. rehabilitieren zu lassen.
Alle diese Entwicklungen und Umstürze werden im Memoriale beschrieben und gedeutet, und zwar in einer charakteristischen Mischung aus Kritik und Demut, Aufsässigkeit und Fatalismus. Dabei präsentiert sich Milanesi durchgehend als Gralshüter von sakralen Ordenstraditionen und modelliert seine Lebensgeschichte konsequent nach der des Ordensgründers Giovanni Gualberto; seine Verfolgung unter Leo X. erscheint so quasi hagiographisch eingefärbt als unverdientes Martyrium. Darüber hinaus bietet sie interessante Einblicke in die religiösen Praktiken und Überzeugungen der Zeit, zeigt sie den Generalabt doch als klugen, merkantil agierenden Verwalter seiner Güter, als Exorzisten im Kampf gegen Dämonen und als Verfechter klerikaler Vorrechte und Immunitäten, die als unmittelbarer Ausdruck göttlichen Willens und damit als Garantie einer Weltordnung verstanden werden, die durch die Machtpolitik der Kurie, den extremen Nepotismus der Päpste und die daraus resultierenden Erschütterungen gefährdet wird. Auf diese Weise artikuliert das Egodokument des konservativen Reformers Milanesi ein Unbehagen an den Zeittendenzen, das sein Biograph zu Recht, bei allen Unterschieden im Einzelnen, mit den ersten Unmuts-Artikulationen Martin Luthers vergleicht.
Durch die Erschließung des Memoriale wie auch durch die quellenkritisch anspruchsvolle und gut kontextualisierte Darstellung der Zeitzeugen-Vita Milanesis gehört der Band zu den wichtigsten Publikationen, die zum Thema Florenz in der Renaissance in den letzten Jahren erschienen sind.
Volker Reinhardt