Montserrat Herrero / Jaume Aurell / Angela C. Miceli Stout (eds.): Political Theology in Medieval and Early Modern Europe. Discourses, Rites, and Representations (= Medieval and Early Modern Political Theology; Vol. 1), Turnhout: Brepols 2017, 397 S., 29 s/w-Abb., ISBN 978-2-503-56834-8, EUR 80,00
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Der vorliegende Sammelband beschäftigt sich aus interdisziplinärer Perspektive mit dem Konzept der "political theology". In ihrem Vorwort zeigen die Herausgeber nicht nur die Ambivalenz der möglichen Fragestellungen aus den Sparten der politischen Philosophie, Kunstgeschichte, Geschichte und Theologie auf, sondern auch die diversen Möglichkeiten der Bearbeitung, sei es auf Mikro- oder Makroebene.
Der Band ist in zwei Teile unterteilt, deren erster sich mit der Entstehung des Konzepts der "political theology" von Carl Schmitt beschäftigt. Montserrat Herrero weist den Weg von Carl Schmitt mit seinen Forschungen für die Frühe Neuzeit in den 1920er-Jahren über Michel Foucault, Eric Jakobsen und Paul W. Kahn. Sie schließt ihre Untersuchung mit neuesten Forschungsprojekten, die die Aktualität der "political theology" in der heutigen Zeit nachweisen. William T. Cavanaugh verfolgt in seinem Aufsatz die Frage, weswegen innerhalb der Forschung über "political theology" die Theologie als Disziplin selbst Tabu bleibt. Er argumentiert, dass die Hauptaufgabe der "political theology" nicht die Grenzziehung zwischen Transzendenz und Immanenz für die heutige Welt sein sollte. Antonio Bento zeigt mit seinem Beitrag die immer noch bestehende Relevanz Ernst Kantorowicz' für aktuelle Forschungen zur "political theology", da dessen Theorie die Formation und Verwaltung der Entstehung von frühneuzeitlicher Staaten zu verstehen helfe.
Der zweite Teil hat zum Ziel, das Konzept der "political theology" auf Phänomene des Mittelalters und der Neuzeit anzuwenden und kommt so im Bereich des Diskurses, der Riten und Repräsentationen von Macht zu neuen Forschungsergebnissen. Die Autoren nehmen den Umgang mit dem Diskurs um die "political theology" in den Blick, um Machtansprüche, aber auch Veränderungen in bisher gesicherten Konstellationen zu diskutieren.
Manuel Alejandro Rodríguez de la Peña beginnt seine praktischen Ausführungen in der Diskurssektion mit Beispielen aus dem Salierreich. Anhand der salischen Könige zeigt er anschaulich deren Etablierung als "Gelehrtenkönige" oder "sapientia ideals", die unter Verwendung der Topoi des Vergleichs mit König David und Salomon ihre Königsherrschaft sicherten. Martin Aurell untersucht zeitgenössische Kritik an den Kreuzzügen und kann anhand der Theologen Peter Comestor, John von Salisbury, Walter Map und Raymundus Lullus die gängige "Auflösung" der "political theology" beweisen, da die genannten Theologen entschieden gegen diese Form der Missionierung vorgingen. José Maria Silva Rosa setzt sich mit dem bisher wenig beachteten Werk John Quidorts De Regia Potestate et Papali auseinander. Er zeigt valide, wie dieser mit seiner Argumentation eine neue politische Ordnung schuf, die dem Bischof in der Auseinandersetzung zwischen Kaiser und Papst durch seine eigene Arbeit und Begabung eine neue Form von Autonomie zuschrieb. Montserrat Herrero setzt mit ihren Überlegungen zum Staat in der Neuzeit an und zeigt anhand der Argumentationen von Spinoza und Locke zu Republikanismus und radikaler Demokratie, dass diese nicht beabsichtigten, den Staat zu desakralisieren, sondern die Staatsmacht mithilfe der Bibel zum absolut Geheiligten weiterentwickeln wollten.
Simon Kow nimmt Carl Schmitts Theorie in Bezug auf den chinesischen Staat und der "political theology" in den Blick und kommt zu dem ernüchternden Schluss, dass sein Konzept in Bezug auf die Wahrnehmung der Europäer weiterer Untersuchungen bedarf. Rafael García Pérez beschäftigt sich mit Alexis de Tocquevilles Überlegungen, welche Rolle das Religiöse in demokratischen Gesellschaften spielen sollte. Er stellt dabei fest, dass Tocqueville zwar eine Kontinuität des Zentralisierungsprozesses von der Französischen Revolution bis zu Napoleons Staat sehen wollte, diese aber keinesfalls gegeben war.
Die Sektion wird mit Juan Pablo Domínguez' Frage nach Kritik, Reform und Abschaffung der Inquisition beschlossen. Er zeigt, dass mit der Aufklärung in Spanien und Portugal politische Toleranz einsetzte, auch um die Autorität des Herrschers und die Macht des Staates zu stärken.
Der sich anschließende Teil beschäftigt sich mit Riten zur Herstellung oder zum Erhalt von Königsherrschaft. Rita Costa Gomes untermauert anhand ihrer detaillierten Untersuchung des "Invokationsrufs" des Königs in der spätmittelalterlichen portugiesischen Gesellschaft die Idee der Omnipräsenz des Königs und die Zuschreibung göttlicher Attribute zur Sicherung von Macht. Sie kann feststellen, dass mit der Ausrufung des Namens des Königs rechtlich Macht verknüpft wird, denn die Invocation eines anderen Namens konnte mit Verbannung bestraft werden. James Aurell nähert sich in seiner Untersuchung ausführlich den Schriftzeugnissen der Selbstkrönung Friedrichs II. in Jerusalem, um deren symbolisches Potential festzustellen. Er kann beweisen, dass auch wenn die Krönung nie stattgefunden haben sollte, die Diskussion in Europa Friedrichs mystische Macht als König in Jerusalem doch manifestierte. Vinni Lucherini klärt anhand der Krönung Karls von Neapel die Wichtigkeit von Insignien wie der Königskrone, um die Macht im Königshaus Ungarn zu legitimieren. Nicht nur der Konsens der Adeligen und die Abstammung von der Dynastie der Arpaden, auch der zeremonielle Gebrauch der Krone sicherte Königsherrschaft.
Der letzte Teil der Sektion "Practice: Modes of Transferences and Interference" widmet sich Repräsentationen von "political theology". Xavier Barral i Altet zeigt anschaulich an drei Festszenen des Teppichs von Bayeux den politischen Nutzen des Heiligen in mittelalterlichen Bildern. Da Feste immer auch der Präsentation von Hierarchie dienen, kann er zwischen rein säkular dargestellten Festszenen Harald Hardrådes und religiös konnotierten Banketten Wilhelm des Eroberers unterscheiden und so göttliche Autorität hinter Wilhelm identifizieren. Laurent Hablot untersucht die "heilige" Rhetorik königlicher Heraldik, die mit den Königen von Frankreich einsetzte. Er kann die Etablierung dieser Heraldik wegen politischer Notwendigkeit an den Beispielen von Ludwig von Taranto oder Peter IV. von Aragon feststellen. Gleichzeitig schuf diese Sakralisierung auch eine Heiligung der königlichen Pflichten, der Person und der Nation.
In ihrer Arbeit über Peter IV. von Aragon widmet sich Marta Serrano-Coll dem Sujet des Priesterkönigtums. Sie kann durch die Untersuchung der Krönungszeremonie, des königlichen Siegels und des königlichen Pantheons nicht nur Verbindungen zum Königreich Mallorca feststellen, sondern vor allem auch die Absicht, einer christozentrisch oder sogar endrichterlichen Königsherrschaft zum Durchbruch zu verhelfen. Elena Kashina untersucht die Übertragung von Autorität am Beispiel der Nationenbildung Russlands. Sie stellt mithilfe der Kunst anschaulich dar, wie die Beteiligung der Kirche den Staat dazu befähigt, besser mit Herausforderungen umzugehen und sich zu entwickeln.
Insgesamt handelt es sich bei diesem Band um eine gelungene Zusammenstellung aus historischer, kirchen- und kunstgeschichtlicher Perspektive, die durch ihren theoretischen und praktischen Teil einen eindeutigen Gewinn für die Diskussion um die "political theology" darstellt.
Stefanie Neidhardt